#Basistarif

Erzwungene Solidarität: BVerfG bestätigt den umstrittenen Basistarif

von , 10.6.09

Der Lack ist ab: Privat krankenversichert zu sein ist schon seit längerem keine Freude mehr. Zwar ist es nett, in der Lounge neben dem überfüllten Wartezimmer auf einer Ledercouch zu sitzen und just-in-time dranzukommen, während sich die gesetzlich Versicherten die Stunden um die Ohren schlagen. Doch was die ärztlichen Leistungen angeht, so klagen Patienten wie Mediziner schon seit längerem, das die Gesundheitskontrolleure der Privaten schlimmer sind als die schlimmsten Alpträume eines staatlichen Gesundheitssystems: Der Nachweis der Wissenschaftlichkeit einer medizinischen Methode wird – zum Beispiel bei einer Akupunkturbehandlung – härter eingeklagt als bei den Gesetzlichen, und Bandscheibenoperationen werden schon mal mit dem Hinweis verweigert, man könne ja auch Schmerzmittel nehmen… (siehe WELT Online).

Jetzt hat auch noch das Verfassungsgericht die Klage von fünf Privatversicherern und drei Bürgern gegen den Basistarif abgelehnt. 570 Euro beträgt der Satz, den die Krankenversicherer seit Januar dieses Jahres ihren Kunden anbieten müssen, auch solchen, die derzeit gar nicht versichert sind (Schätzungen nach sind das zwischen 180 000 und 400 000 Menschen). Doch entgegen den Kassandrarufen der Privaten, das werde sie ruinieren, sind erst rund 6000 von 8,4 Millionen Privatversicherten in den Billigtarif gewechselt.

Ulla  Schmidt ist damit erfolgreich in ihrem Versuch, mehr Solidarität im Gesundheitswesen zu erzwingen. Das Mittel des Basistarifs rechtfertige den Zweck, so das Verfassungsgericht, „allen Bürgern einen bezahlbaren Krankenversicherungsschutz“ zu gewährleisten. Die zusätzliche Verpflichtung der Privaten, die Altersrückstellungen beim Versicherungswechsel freizugeben und  längere Wartezeiten beim Eintritt untergraben ihr Fundament weiter.

Was bringt eine private Krankenversicherung überhaupt noch außer dem Ledersofa? Bessere Medizin für zehn Prozent der Versicherten ist eine Illusion – wer wegen multipler Liquidationsmöglichkeit jemals vom Chef operiert wurde anstatt von einem viel routinierteren Oberarzt kann ein Lied davon singen. Privat Versicherte sind auch in weit höherem Maße ein Opfer der Gerätemedizin – zum mehrfachen Satz lässt sich anscheinend auch mehr Nutzloses abklären.  Und nicht einmal der Zeitgewinn lohnt sich: Laut einer Studie von TNS Healthcare (2008) kommen Privatversicherte im Schnitt nur sieben Minuten eher dran. Trotzdem steigen die Beiträge – mehr als im gesetzlichen System.

So schlecht ist die Versorgung der gesetzlich Versicherten also gar nicht, schon gar nicht im internationalen Vergleich. Und so verwirrend und enervierend das Hin und Her der Gesundheitspolitik zwischen Solidarprinzip und Wettbewerb auch ist, so zeichnet sich doch zunehmend ein eindeutiger Trend ab: der zu Basisleistungen, die allen Mitgliedern dieser Gesellschaft in gleicher Weise zur Verfügung stehen müssen. Und der zu Zusatzleistungen, die auf dem liberalisierten Markt der Gesundheitsanbieter käuflich erworben werden können, zum Beispiel über private Risikoabdeckung. Alles für alle lässt sich in einer Gesellschaft der wachsenden Möglichkeiten der Medizin wie der wachsenden Zahl chronisch Kranker nicht finanzieren. Auch die gesetzlichen Kassen werden ihr Versorgungsangebot weiter differenzieren müssen. Gegen Krankheiten und Schicksalsschläge ist keiner von uns gewappnet und braucht eine Basisabsicherung. Für Gesundheit aber kann und muss jeder selbst etwas tun.

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