#Ausruhen

Eine gute Zeit

von , 21.12.13

Das bisschen Haushalt: morgens aufstehen, arbeiten; Mittagessen hastig heruntergeschlungen, der Abgabetermin drückte so. Heimkommen, Essen machen, aufräumen, zwischendurch die Wäsche waschen, Bügelbrett wird schon mal aufgestellt, bevor das Kind zum Sportverein gefahren wird, alles muss schnell gehen, keine Zeit, keine Zeit. Nach Hause kommen, das Essen warmstellen, weil gemeinsames Essen unter der Woche wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten völlig illusorisch ist.

Ein paar Bissen herunterschlingen, dann ans Bügelbrett, man will ja adrett aussehen. Der große Korb ist nicht halb gebügelt, doch dann ist es schon wieder Zeit. Kind abholen; man fährt los, ärgert sich über jede Minute Verzögerung und die blöden Rentner, die offenbar viel zu viel Zeit haben.

Hausaufgaben beaufsichtigen, derweil weiterbügeln und in einer kurzen Pause die Spülmaschine einräumen. Kind jammert, dass es die Hausaufgaben nicht versteht, man versucht, zu helfen. Mann kommt nach Hause, schlingt sein Essen herunter und setzt sich zum wohlverdienten Feierabend auf das Sofa.

Wenigstens das Bier holt er sich selbst.

Und am Wochenende der verzweifelte Versuch, das Familienleben nachzuholen, das unter der Woche unter die Räder gekommen ist. Doch dann kommen die Konflikte, der unterdrückte Frust der ganzen Woche bricht hervor – denn jetzt sind die Adressaten ansprechbar. Nicht ohne Grund werden die Wochenenden und Feiertage von vielen gefürchtet.

Was wie ein Albtraum aus den Fünfzigern wirkt, ist nach wie vor Realität in vielen Doppelverdiener-Haushalten. Doch auch anderswo sieht das Zeit-”Management” ähnlich aus. Schichtdienst, Überstunden, unbezahlt natürlich, das kann man ja in Zeiten, wo weniger Arbeit anfällt, wieder abfeiern, und dann noch das Sozialleben, man möchte auch mal raus, ins Kino gehen. Sich etwas gönnen. Doch dann ist er wieder da, der Gedanke: “Geht nicht. Du musst morgen wieder früh raus.”

Und mit vierzig kommt dann der große Zusammenbruch, mental oder physisch. Herzinfarkt, Depression, Burn-out, Schlaganfall. Die großen Zivilisationskrankheiten unserer Zeit und sie treffen zunehmend Jüngere.

Das ist kein Zufall.

Es ist an der Zeit, einmal innezuhalten und sich zu überlegen, was eigentlich wichtig ist im Leben. Im Idealfall sollte man das tun, bevor einen der Körper zum Innehalten zwingt, weil er nicht mehr kann und man seine eigene Leistungsfähigkeit völlig überschätzt.

Zeit ist kostbar, ja. Denn jeder Mensch hat nur einen gewissen Vorrat davon. Wenn sie aufgebraucht ist, ist es zu Ende. Das ist früher oder später für jeden von uns so.

Stress reduziert diese kurze Zeit. Und vieles von dem Stress verursachen wir uns selbst. Weil wir anderen gefallen wollen, meist denen, die es noch nicht einmal wert sind. Weil wir uns selbst so sehr unter Druck setzen, dass selbst ein Gott Mühe hätte, die Erwartungen zu erfüllen, die wir in uns selbst setzen.

Es endet das Jahr. Und traditionell ist das Jahresende auch die Zeit, in der die sowieso zu knappe Zeit noch einmal gepresst wird, damit man auch alles perfekt hat.

Wäre es nicht schön, wenn man weniger Perfektion gegen mehr Zeit eintauschen könnte?

Und wäre es nicht noch schöner, wenn wir uns etwas davon ins neue Jahr hinüberretten könnten?

Das wäre wahrlich eine gute Zeit.

 

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