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ECC10: Kosmopolitische Wende der Medien- und Journalismusforschung?

von , 22.10.10

Noch vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen: Rund 1000 angemeldete Teilnehmer sind dieser Tage in Hamburg zur “European Communication Conference” zusammengekommen. 66 Panels und Workshops mit meist je vier oder fünf Vortragenden, die im Zeittakt von 12 Minuten Präsentationszeit über vier Tage hinweg ihre Forschungsarbeiten vorstellen, und ein 350 Seiten dicker Band mit „Abstracts“, also Zusammenfassungen, vermittelten einen Eindruck davon, wie sich die Kommunikationswissenschaft in alle Himmelsrichtungen verästelt, aber auch wie unterschiedlich die Themen und Methoden der Forscher sowie ihre Forschungsgegenstände, die Mediensysteme und Journalismuskulturen, sind.

Im vielsprachigen, noch immer in Ost und West – und vermutlich auch mehr denn je in Nord und Süd – geteilten Europa, gilt es, viele Brücken der Verständigung zu schlagen, wenn der Turmbau zu Brüssel weiter gelingen soll. Dank des Internets, aber auch dank der Austausch-Möglichkeiten, die solche Kongresse ebenso wie etwa die Erasmus-Programme eröffnen, sprach eine Forscherin, Wiebke Schoon von der gastgebenden Universität Hamburg, bereits vom „cosmopolitan turn“, von der kosmopolitischen Wende der Medien- und Journalismusforschung. Eine Formel, die vielleicht zu schön ist, um wirklich wahr zu sein.

Gewiss, die Scientific Community wächst zusammen, und europaweite Projekte vergleichender Forschung sind in Mode gekommen. Sogar einige Forschungsförderungs-Einrichtungen kooperieren inzwischen international.

Schade nur, dass sich der Journalismus und die Medien selbst so wenig „europäisieren“. Im Gegenteil, überall werden Korrespondentenposten eingespart, das Lokale und Regionale triumphiert. Auch der (rechte) Populismus, der europaweit erstarkt, ist durch mediale Stimmungsmache mit verursacht. Die Forscher sind in Hamburg unter sich geblieben. Journalisten, die sich begierig auf ihre Erkenntnisse gestürzt hätten, um von den europäischen Nachbarn etwas zu lernen, wurden nicht gesichtet. Das lässt die europäische Integration weit in die Ferne rücken.

Diese Kolumne hat Stephan Ruß-Mohl für die österreichische Wochenzeitung Die Furche und Carta geschrieben.

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