von Christian Buggisch, 27.2.13
Landauf, landab wird über den Online-Händler Amazon diskutiert: wie er Mitarbeiter behandelt, Mitbewerber vom Markt drängt und für den Tod kleiner deutscher Buchhandlungen sorgt. Aber stimmt das überhaupt?
Ich bin in die Buchhandlung meines Vertrauens gegangen und habe mal nachgefragt. Ein Gespräch mit Beate Laufer-Johannes über Konkurrenz, Buchbestellungen via Twitter, und warum Amazon gar nicht schnell ist …
Beate, du bist Inhaberin der „Bücherinsel“ in Frauenaurach, einem Vorort von Erlangen. Was sagst du zum „Fall Amazon“?
Ich habe die ARD-Sendung gesehen, und mir war natürlich klar, dass die ganzen Leistungen, die Amazon bietet – der kostenlose Versand, die Möglichkeit der Retouren –, unter Umständen auch auf Kosten der Mitarbeiter gehen. Aber dass es so weit geht, hat mich schon überrascht. Ich war erschrocken über die große Anzahl an Leiharbeitern und über die Umstände, wie mit ihnen umgegangen wird, von der Unterbringung in diesen Ferienparks bis zur Kontrolle durch den Sicherheitsdienst.
Damit wurden ja Lastspitzen im Weihnachtsgeschäft ausgeglichen. So etwas gibt es in deiner Buchhandlung doch bestimmt auch?
Das gibt es auch, aber ich beschäftige meine Mitarbeiter das ganze Jahr durchgehend. Das ist auch deswegen wichtig, weil die Kunden nur dann den Empfehlungen meiner Mitarbeiter vertrauen. Ich habe drei Angestellte in Teilzeit, die dann in der Vorweihnachtszeit eben etwas mehr arbeiten, plus ein paar studentische Hilfskräfte. Der Job bei uns ist aber auch ein ganz anderer als bei Amazon: Hier arbeiten Buchhändler, dort Logistik-Mitarbeiter.
Siehst du in Amazon einen Konkurrenten?
Ich sehe Amazon eigentlich als großes Warenhaus. Natürlich verkaufen wir beide Bücher und sind daher auch Konkurrenten. Mit Konkurrenz muss man leben lernen. Wir haben beispielsweise Kunden, die bei Amazon recherchieren und bei uns bestellen. Sogar ich habe schon im Kundenauftrag bei Amazon bestellt: Wenn es um vergriffene Bücher geht und unsere Kunden ihre Daten nicht im Internet angeben möchten, dann mache ich das für sie als Service mit einer bestimmten Bearbeitungsgebühr.
Was ist dein Vorteil als „kleine Buchhändlerin vor Ort“ gegenüber Amazon, warum kommen Kunden zu dir statt im Internet Bücher zu kaufen?
Weil sie das Buch in die Hand nehmen wollen, weil sie mit mir darüber reden wollen, weil sie gerade im Ort ihre Brötchen holen und dabei schnell noch ein Buch kaufen, weil zu Hause keiner das Amazon-Paket entgegennehmen kann … Es gibt viele Gründe.
Wie viele deiner Kunden kennst du denn persönlich?
Ich habe 90 Prozent Stammkunden, und rund die Hälfte meiner Kunden duze ich, weil sich mit der Zeit einfach eine persönliche Beziehung entwickelt hat.
Aber kennen und duzen reicht ja nicht, dazu müssen ein gutes Sortiment und gute Beratung kommen, oder? Ich war vorhin in der Stadt, beim lokalen Einzelhandel, und wurde maßlos enttäuscht: keine Ahnung, keine Beratung, kein Service. Warum soll ich mich dann durch den Schnee quälen, statt bequem von zu Hause aus einzukaufen?
Klar, gute Beratung ist wichtig, gerade für eine kleine Buchhandlung. Ich weiß, was meine Kunden lesen, und kann ihnen auch mal ein passendes Buch empfehlen, das nicht auf der Spiegel-Bestsellerliste steht. Ich habe nicht den Anspruch, alles zu kennen, aber ich habe meine Nischen, in denen kenne ich mich besonders gut aus, und da kann ich auch gut beraten – vor allem bei Jugendbüchern, Krimis, Belletristik und Kochbüchern.
Amazon hat heute einen Anteil von 30 Prozent am deutschen Buchhandel. Vor 12 Jahren, als ich noch in einem Verlag gearbeitet habe, lag dieser Anteil unter 1 Prozent, und keiner hat Amazon ernst genommen. Was ist schief gelaufen im traditionellen Buchhandel in den letzten 12 Jahren?
Amazon hat das Thema Internet-Handel einfach gut besetzt und bietet eine unkomplizierte Dienstleistung für alle, die bequem von zu Hause aus bestellen und nach Hause liefern lassen wollen. Das ist aber nicht mein Kerngeschäft, daher hatten kleine Buchhandlungen wie meine in den letzten Jahren auch weniger Probleme mit Amazon, als mit den großen Ketten wie Hugendubel und Thalia. Und inzwischen sind es auch diese Ketten, denen Amazon am meisten zu schaffen macht.
Warum hat der deutsche Buchhandel denn das Thema Internet derart verschlafen?
Er hat es vor allem versäumt, eine Online-Plattform einzurichten, die mit der Amazons mithalten kann. Daher habe ich auch noch keinen Online-Shop. Ich habe noch kein Shop-System gefunden, das drei Kriterien erfüllt: Es muss für den Kunden so simpel zu bedienen sein wie das von Amazon. Es muss mir als Buchhändler die Möglichkeit bieten, meinen Laden und meine Individualität online abzubilden. Und natürlich muss es für mich finanzierbar sein.
Auch wenn du keinen Online-Shop hast, kommunizierst du ein bisschen digital über Facebook und Twitter. Warum?
„Ein bisschen“ ist gut, ich mache da ganz schön viel. Ich vernetze mich mit Kollegen im ganzen Bundesgebiet, mit denen ich sonst keinen Kontakt hätte. Und natürlich nutzen viele meiner jungen Kunden diese Medien, und die bestellen schon auch mal über Twitter oder vor allem per Direktnachricht auf Facebook ihre Bücher.
Ein Vorteil von Amazon ist bestimmt die Schnelligkeit, mit der Bücher geliefert werden – aber das steht zurzeit auch in der Kritik: Solches Tempo ginge eben zu Lasten der Mitarbeiter. Wie siehst du das?
Ja, auch meine Kunden legen Wert auf Tempo und wollen Bücher, die nicht im Laden sind, schnell haben. Aber es ist ein Irrtum zu glauben, dass das online schneller geht als bei mir. Wir haben mit Umbreit ein sehr gutes Barsortiment*. Wenn du am Freitagnachmittag anrufst und ein Buch bestellst, kannst du es in der Regel am Samstagvormittag abholen. Wir sind sogar schneller als Amazon, denn bei uns werden die Bücher nachts geliefert, und du kannst dein Buch abholen, wenn ich am nächsten Morgen den Laden aufmache. Bei Amazon musst du auf die Post warten. Ich hatte sogar mal einen Schullektüre-Notfall, da kam eine Mutter nachts um 1 Uhr im Schlafanzug und hat ein Buch abgeholt – das schafft Amazon nicht (zwinkert).
Wie siehst du die Zukunft deiner kleinen Vor-Ort-Buchhandlung? Entspannt, oder mit Sorge?
Momentan entspannt. Im ersten Halbjahr 2012 hatte ich wenig Umsatz, da war es schwierig, aber das zweite Halbjahr mit dem Weihnachtsgeschäft war umso besser. Die Kunden haben bewusst bei uns eingekauft, weil sie möchten, dass es kleine Geschäfte vor Ort auch in Zukunft noch gibt. Das haben sie ausdrücklich auch so geäußert. Die wichtigste Herausforderung wird sein, dass es mir gelingt, nicht nur ältere, sondern auch junge Kunden, die sich sehr viel im Internet bewegen, in meine Buchhandlung zu bekommen – oder mich zum Beispiel mit ihnen auf Facebook oder Twitter zu vernetzen.
* Barsortimenter sind Zwischenbuchhändler, die zwischen Verlag und Buchhändler ein eigenes Lager und Logistik unterhalten und sich über die Differenz zwischen ihrem Einkaufs- und dem Buchhandelsrabatt finanzieren. Wenn es schnell gehen muss, bestellt der Buchhändler einen Titel bei Zwischenhändlern wie KNV, Libri oder Umbreit, ansonsten kauft er direkt bei den Verlagen zu besseren Konditionen ein.
Crosspost von Christian Buggischs Blog, Fotos: Christian Buggisch.