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Dokumentation „Wahlkampf-Strategien“

von , 13.8.13

Die eben erschienene, kostenlose 149-seitige Broschüre „Wahlkampf-Strategien 2013“(PDF) bietet Erfahrungswissen und Kontextanalysen aus Praxis und Forschung.

 

In Deutschland sind „ausschließlich Boulevard-Medien kampagnenfähig“

„Ihrem (SPD) Spitzenkandidat Peer Steinbrück haftet (teilweise zu Unrecht) ein Pannen-Image an.“ Mit dieser Lageeinschätzung überraschte die BILD-Zeitung am 17.7.2013. Wer für die als Selbstkritik zu verstehende Klammer-Aussage verantwortlich ist, sagte das Boulevard-Blatt jedoch nicht. Dabei wird den Boulevard-Medien im Wahlkampf von Profis eine zentrale Rolle beigemessen.

„Da in Deutschland ausschließlich Boulevard-Medien kampagnenfähig sind, können politische Parteien im eigentlichen Sinne kein ‘negative campaigning’ organisieren. Es fehlen dafür der lange strategische Atem, die Ressourcen und die Kanäle.“ Diese Einschätzung vertritt Dr. Frank Wilhelmy, im SPD-Parteivorstand für die „Gegnerbeobachtung“ zuständiger Referent. In einem Beitrag für die Dokumentation „Wahlkampf-Strategien 2013“ vergleicht er sein zunehmend einflussreicheres Handwerk mit einer „Drohne“. „Selten, aufwändig, moralisch suspekt, auf einem schmalen Grat entweder gefechtsentscheidend, oder im Desaster landend.“

Auch die Wahlkampfmanager der Parteien und die Verantwortlichen der beauftragten Werbeagenturen berichten in der Dokumentation aus erster Hand über ihre Strategien um den effektivsten Wähler-Stimmenfang. Erstmals verraten sie, welche Konzepte sie gegen die kalkulierte Senkung der Wahlbeteiligung durch programmierte Langeweile haben. Alle haben jedoch ein gemeinsames Problem: gegen die derzeitige Stimmung einer sorgenvollen Zufriedenheit des Publikums gibt es kein einfaches Patentrezept.

Für den Werber Frank Stauss, (Autor: Höllenritt Wahlkampf) steht fest: „Wenn die eigenen Truppen nicht sortiert sind, kann man keine erfolgreiche Attacke reiten.“ Der SPD, für die er früher mit seiner Agentur Butter Wahlkämpfe bestritten hat, empfiehlt er: „So wenige Wochen vor der Wahl hilft nur noch, einen neuen Boden einzuziehen. Eine Auszeit aller Akteure, die sich jetzt auf einen neuen Anlauf verständigen, sich Treue schwören und ihre Mitarbeiter zusammen führen. Es muss klar werden: Die Spitze macht vor, wie es gemeinsam geht.“

Mit der Rolle der Medien als Stimmungsmacher im (Vor)-Wahlkampf setzen sich die Autoren Alexander Kissler (Cicero), Michael Behrent (agentur script.com) und Hans Hütt auseinander. Thomas Leif entwirft eine „Grammatik der Skandale“, die besonders in hitzigen Wahlkampfzeiten zum Einsatz kommt.

Christian Reinemann (Uni München) publiziert bislang unveröffentlichte Ergebnisse zur Rolle der Spätentscheider und der Wirkung von TV-Duellen. Dietrich Boelter (Agentur bestfriend), der selbst bereits Online-Kampagnen organisiert hat, bezweifelt die verbreitete Euphorie, bezogen auf die immer noch notleidenden Online-Wahlkampagnen. Einen kritischen Überblick über die Demoskopie als Akteur in Wahlkämpfen präsentiert Richard Hilmer (infratest dimap). Schließlich analysiert Ralf Tils (Agentur für politische Strategie) die „Merkel-Wahl und die strategischen Chancenpotentiale der Parteien vor der Bundestagswahl“.

Acht Wochen vor der Bundestagswahl bietet die Dokumentation „Wahlkampf-Strategien 2013“ „abgeklärte Sozialkunde aus der Werkstatt der Kampagnen-Macher für alle interessierten Bürger, die sich bei der Bundestagswahl kein X für ein U vormachen lassen wollen“, bilanziert der Herausgeber der Publikation, Thomas Leif.

Die 149-seitige Dokumentation „Wahlkampf-Strategien 2013 – Das Hochamt der Demokratie · Erfahrungs-Wissen und Kontext-Analysen aus Praxis und Forschung“ der gleichnamigen Fachkonferenz vom 11. bis 12.6.2013 in Berlin kann kostenfrei von die talk-republik oder bei der Heinrich-Böll-Stiftung heruntergeladen werden. Hier sind auch die Videos der Reden und Diskussionen zum Thema hinterlegt.

Die Fachkonferenz wurde von der Heinrich-Böll-Stiftung, der Otto-Brenner-Stiftung und der Hans-Böckler-Stiftung unterstützt.
 

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