von Gunter Dueck, 2.5.11
Man sagt heute nicht mehr „Jugend“, nein! Die Jungen heißen heute Digital Natives, weil sie schon mit fünf ein Handy hatten, ohne das keine ungestörte Persönlichkeitsentwicklung im Digital Age möglich ist.
Oma sagt: „Bald darfst du zur Schule. Brauchst du da nicht ein Handy zum Geburtstag?“ – „Wehe, ich bekomme ein Handy! Ich will ein Smartphone! Wehe, ich bekomme eins mit Tasten! Wehe, eines von (ups!), was Papa hat!“
Digital Natives fragen die Mama: „Ma, von welchem Portal habt ihr mich gedownloadet?“ Und Papa bittet: „Pass auf, meine Kleine, wir machen einen Deal, weil ich mit dem Computer absolut nichts blicke. Du arbeitest für mich im Home-Office für meine Firma und ich mache dafür deine analogen Hausaufgaben, die seit Humboldt die gleichen sind, die kann ja noch jeder wie ich, der aus der Steinzeit stammt.“
Das Digitale Land ist aus dem Meer aufgestiegen wie Jamballa, als gleichzeitig „Das Land, das nicht sein darf“ mit der Burg der Wilden 13 vom Wasser verschlungen wurde. (Na, noch Jim Knopf im Kopf?)
Viele Ältere ziehen dort ein. Sie heißen Digital Immigrants. Sie wollen die Sprache und die Grammatik des neuen Landes erlernen und dort heimisch werden. „Wie heißt Buch auf Digital?“ – „Häng im Zweifel erst einmal ein e vorne dran, also eBuch. Das stimmt nicht ganz, wird aber schon verstanden, Opa.“
Die heimischen Digital Natives, die Ureinwohner des neuen Landes, kümmern sich rührend und mit sprichwörtlicher Engelsgeduld um die Neuankömmlinge, bis sich diese in der neuen Heimat eingerichtet haben. „Ich benutze das Laptop immer nur ganz kurz, damit er noch länger hält. Ich weiß nicht, was Runterfahren heißt, ich ziehe immer den Stecker raus, wenn ich fertig bin. Jetzt ist aber die Batterie leer. Brauche ich ein neues Laptop?“
Unter Immigranten versteht man im engeren Sinne Menschen, die sich aktiv und freudig einem neuen Volk anschließen wollen. Es gibt aber auch so etwas wie Wirtschaftsflüchtlinge, die nur deshalb in ein anderes Land ziehen, um dort Vorteile für sich selbst mitzunehmen. Sie denken nicht daran, sich im neuen Land zu akklimatisieren und sehen auch nie eine Heimat darin. Sie lernen nicht die Sprache des Landes, in das sie zogen – nein, sie kommen nur, um die Nachteile ihrer eigentlichen Heimat nicht erleiden zu müssen. Sie leben wie in der Verbannung und trauern um die gute alte Vergangenheit.
Das analoge Land, in dem Internet nicht sein darf, versinkt langsam und bietet immer weniger Lebensraum. Dort leben noch alte Lehrer, die sich früher von ihren eigenen radikalalten Eltern das Recht auf mehr als eine halbe Stunde Fernsehen und längere Haare erstritten haben und die nun gegen die Internetpest in ihren Klassenzimmern wüten.
Es ist Krieg wie damals, als die Verteidiger der Logarithmentafel gegen die Einführung des Aristo-Rechenschiebers zu Felde zogen. Hohe Führungskräfte sprechen noch heute konsequent in Diktaphone, die vor Jahren nur ein Boss nutzen durfte – und analoge Sekretärinnen tippen alles mit Schreibmaschine auf Papier ab und geben es einem Digital Immigrant zum Übertragen in eine E-Mail.
Viele Politiker wissen so wenig über das Internet! Geben Sie einmal bei Google „Youtube Zypries Browser“ ein und nehmen Sie sich drei Minuten Zeit, da hören Sie dann, wie Westerwelle und andere Mitte 2007 bestürzendes Unwissen an den Tag legen, ohne irgendwie verlegen zu sein! Die kleinen Kinder, die sie interviewen, zeigen sich sehr verwundert…
Na, so wie die Kapitäne das Schiff als letzte verlassen, bleiben die Führungskräfte unseres Landes noch lange in Analogien, bis sie irgendwann nicht mehr gewählt oder ernannt werden, weil sie allein im Land zurückgeblieben sind! Dann kommen sie schließlich mit einer Digital Secretary als billige Pflegekraft in die Digital Future und leben unter uns wie Wirtschaftsflüchtlinge oder Analog Exiles. Analog Exiles kommen nur zu uns, weil sie es im Land ohne Internet nicht mehr richtig aushalten. Sie wollen keineswegs hier ihre Heimatzelte aufbauen – nur eben nicht mehr im Elend der analogen Welt bleiben. Sie wollen an der digitalen Prosperität teilhaben, ohne am Aufbau des neuen Landes mitzuwirken. Die Digital Natives sollen eben nur ihre Rente erarbeiten.
Ja, und dann regen sich besonders die Analogen auf, wenn es noch andere, ganz reale Exilprobleme mit Leuten gibt, die nur hierher kommen, um gut zu leben.
/th