#Dritter Korb

Die Verleger fordern eher zu wenig – Das Leistungsschutzrecht und der Versuch, mit Informationen Geld zu verdienen

von , 9.6.10

Carta-Spezial zu den kommenden Anhörungen im Bundesjustizministerium zum “Dritten Korb” des Urheberrechts, bei denen es am 28.6. auch um ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger geht. Siehe auch Hannah Seiffert und Maritta Strasser: “Leistungsschutzrecht: Nicht nur das Wie, sondern auch das Ob diskutieren.

Anlass

Vor einem Monat veröffentlichte und kommentierte die iRights-Redaktion ein interessantes Papier: einen (eigentlich nur zu internen Diskussionszwecken gedachten) Gesetzentwurf für die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage. Berücksichtigung könnte ein solcher Entwurf noch für die geplante Urheberrechtsreform (sog. „3. Korb“) finden. Der Entwurf, der sowohl die Position der Verleger als auch die der Gewerkschaften DJV und Ver.di enthält, hat Kritik erfahren. Einerseits werden „Kollateralschäden“ für die Öffentlichkeit befürchtet, andererseits wird daran erinnert, dass Subventionen auch die Steinkohleförderung in Deutschland nicht haben retten können.

Ausgangsituation

Die Printbranche befindet sich in einem strukturellen Wandel. Immer mehr Zeitungsleser holen sich ihre Informationen aus dem Netz. Die Folge sind Auflagen- und Anzeigenverluste – nicht so dramatisch wie in den USA, aber spürbar und offenbar unumkehrbar.

Wohl erzielen die Online-Ableger von FAZ, Süddeutsche & Co. Werbeerlöse. Sie reichen aber nicht aus, die Verluste im klassischen Bereich auszugleichen. Das liegt auch daran, dass der „Online-Werbekuchen“ mit mehr Beteiligten geteilt werden muss: Von insgesamt 2,5 Mrd. Euro Online-Werbeeinnahmen in 2008 blieben nur 160 Mio. Euro bei den Verlagen und damit gerade mal 6 Prozent. In der „alten Werbewelt“ beträgt der Anteil der Presse an den Nettowerbeerlösen aller Medien rund 30 Prozent.

Zeitungs- und Zeitschriftenverlage brauchen also dringend neue Einnahmequellen. Von mir geschätzte Größenordnung: rund 250 Mio. Euro im Jahr.

The Big Picture

Dazu kommt ein größerer Zusammenhang: Auch andere Medien leiden unter der sog. Gratiskultur des Internets. Zwar stellen Film-, Buch- oder Musikindustrie ihre Produkte in der Regel nicht kostenlos ins Netz, wie dies bei Faz.net, Welt-Online etc. der Fall ist. Es gibt jedoch viele Dienste, die urheberrechtlich geschützte Inhalte nutzen, ohne dass die Rechteinhaber daran profitieren. Auch hier stellt sich die Frage, ob und wie man herkömmliche Geschäftsmodelle im Internet fortführt, verändert oder durch pauschale Modelle (Stichwort: Flatrate) ersetzt oder zumindest ergänzt.

Der Gesetzgeber sollte bei der anstehenden Urheberrechtsnovelle etwas für die Zukunft der Presse tun. Foto: Torley (cc by sa)

Der Gesetzgeber sollte bei der anstehenden Urheberrechtsnovelle etwas für die Zukunft der Presse tun. Foto: Torley (cc by sa)

Das gesellschaftliche Ziel scheint mir dabei relativ unstreitig zu sein: Inhalte (Musik, Film, Texte, Spiele, etc.) sollen gerade auch im Internet in großer Vielfalt und hoher Qualität angeboten werden. Dazu ist einerseits erforderlich, dass sich Investitionen und Arbeitsleistungen der Inhalteproduzenten bezahlt machen. Dieser wirtschaftliche Anreiz darf jedoch andererseits nicht verhindern, dass die Inhalte für jedermann zugänglich und erschwinglich sind. Dabei die Interessen von Urhebern, Urheberrechtsindustrien und Verbrauchern in Einklang zu bringen, ist eine sehr schwierige Aufgabe für den Gesetzgeber. Das Diskussionspapier der Verleger versucht wenigstens einmal einen Lösungsansatz zu entwickeln; schon deshalb ist aus meiner Sicht polemische Kritik an dem Entwurf nicht angebracht.

Der Gesetzgeber als Freund und Helfer der Industrie?

Vorab sollte man sich außerdem von der Illusion lösen, Urheberrecht dürfe nicht den Zweck haben, Geschäftsmodelle von Verlagshäusern oder anderen Teilen der Medienwirtschaft zu sichern. Im Gegenteil, das Urheberrecht ist in Europa überhaupt nur entstanden, um genau das zu tun: das Geschäftsmodell der Buchverleger gegen die damals sehr verbreitete (Un-)Kultur der Nachdrucke zu schützen. Die ersten Formen des „Copyrights“ in Großbritannien und in Mitteleuropa standen den Verlegern zu, nicht den Urhebern. Das Urheberrecht hatte – trotz aller naturrechtlichen Begründungen – immer auch etwas mit der Ermöglichung und Absicherung bestimmter Geschäftsmodelle zu tun.

Angesichts der oben beschriebenen Probleme der Verlage und angesichts ihrer positiven gesellschaftlichen Funktion (verfassungsrechtlich genießen sie eine „Institutsgarantie“), stellt sich aus meiner Sicht nicht die Frage, ob der Gesetzgeber bei der nächsten Urheberrechtsreform etwas für die Verlage tun sollte, sondern nur die Frage, was er tun sollte. Kurzum: Ist der regulatorische Ansatz im von iRights veröffentlichten Gesetzentwurf richtig und zukunftsweisend? Ich werde mich dabei im Wesentlichen auf eine Frage beschränken: Fordern die Verlagshäuser zu viel oder zu wenig? Viele interessante juristische Detailfragen bleiben deshalb hier außer Betracht.

Leistungsschutzrecht für Presseverleger

Der Entwurf führt ein Leistungsschutzrecht für den Verleger von Zeitungen und Zeitschriften ein. Verlagsunternehmen erhalten damit eine ähnliche Rechtsposition wie sie jetzt schon Fernseh- und Filmproduzenten, Sender und Tonträgerhersteller haben.

Dieses Recht soll mit Veröffentlichung entstehen und soll 50 Jahre geschützt sein. Der Unterschied zum jetzigen Rechtszustand ist nicht so groß, wie man als mit Fragen des Lizenzrechts unvertrauter Zeitgenosse meinen könnte. Denn schon bisher haben Verlage Nutzungsrechte von ihren Autoren erworben. In dieser Vertragsbeziehung zwischen Verlagen und Autoren werden auch in Zukunft die Regeln bestimmt.

Dies führt dazu, dass sich nach meiner Einschätzung die Änderungen in der Praxis in Grenzen halten werden. Aus Platzgründen beschränke ich mich auf ein Beispiel: die Zweitverwertung. Journalisten sind oft darauf angewiesen, ihre Artikel an mehrere Abnehmer zu lizenzieren. Dies geschieht dadurch, dass die Rechte nicht-exklusiv vergeben werden. Stünde das Leistungsschutzrecht des Verlegers einer Zweitverwertung durch eine weitere Publikation entgegen?

Die Antwort lautet: ja, aber der Autor kann das Problem vertraglich lösen: Es würde in Zukunft nicht reichen, ein Recht nicht-exklusiv zu vergeben, der Autor müsste sich eine abtretbare Gestattung vom erstveröffentlichenden Verlag geben lassen, seinen Artikel auch an einen zweiten Verlag lizenzieren zu können. Dies ist vertraglich ohne weiteres möglich. Da die Verlage das Geschäftsmodell der Zweitverwertung grundsätzlich akzeptieren (sonst müssten sie zu viel für die Erstverwertung zahlen), werden sie dies auch in Zukunft tun. Wenn sie es tun, dann aber lassen sich die Vertragsmodelle entsprechend gestalten.

Das vorgeschlagene Leistungsschutzrecht bietet den üblichen Schutz gegen Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe – online wie offline. Da eine Zeitung oder Zeitschrift urheberrechtlich als „Datenbank“ gilt und deshalb schon heute nicht komplett vervielfältigt, gesendet oder ins Netz gestellt werden darf, führt nur der zweite Teil zu Änderungen in der Praxis: Denn im Entwurf ist auch die Vervielfältigung oder Wiedergabe von „Teilen eines Presseerzeugnisses“ geschützt.

An dieser Stelle wird es spannend, denn Teile von Zeitungen werden ja tatsächlich schon heute kopiert (in der Offline-Welt) bzw. im Netz oder auf dem heimischen PC vervielfältigt, teilweise auch öffentlich zugänglich gemacht. In diesem Bereich erhoffen sich die Verleger Einnahmen:

Der Weg zu Einnahmen

Führte man lediglich das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ein, würde nach bisher geltendem Recht folgende Lösung für Vervielfältigungen von kleinen Teilen einer Zeitung bzw. Zeitschrift gelten:

Privatkopien sind grundsätzlich erlaubt (§ 53 Abs. 1 UrhG). Eine Vervielfältigung eines Zeitungsartikels zu privaten Zwecken auf dem eigenen PC ist möglich. Kopien zu beruflichen Zwecken sind gem. § 53 Absatz 2 Nr. 4 a) UrhG ebenfalls möglich, allerdings nur „wenn es sich um einzelne Beiträge handelt, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind“.

Kopien sowohl zu privaten als auch zu beruflichen Zwecken sind erlaubt, weil sie vergütet werden. Nach § 54 UrhG müssen die Hersteller und Vermarkter von Vervielfältigungsgeräten und Speichermedien Abgaben zahlen, die sie auf die Preise dieser Produkte aufschlagen.

Interessanterweise will der Entwurf die Rechtslage in einem Punkt ändern: Kopien zu beruflichen Zwecken sollen nicht mehr nach § 53 Abs. 2 Nr. 4 a) UrhG zulässig sein. Damit verzichten die Verlage auf einen bestimmten Anteil an der Geräte- und Leermedienabgabe. Es bedeutet gleichzeitig: Anstelle des Geräteherstellers/-vermarkters oder des Leermedien-herstellers/-vermarkters, der diese Abgabe auf den Endkunden abwälzt, wird nun der Endkunde selbst zum Anspruchsgegner.

Da die Verlage das Recht zur Vervielfältigung einzelner Teile ihrer Presseerzeugnisse (zu beruflichen Zwecken) nicht in jedem Einzelfall lizenzieren können, soll dieses Recht über eine Verwertungsgesellschaft „kollektiv“ wahrgenommen werden.

Wie führt der Entwurf zu Einnahmen?

Beginnen wir mit den bisherigen Einnahmen aus der Geräte- und Leermedienabgabe: Für die private Vervielfältigung erhalten die Verleger bisher schon Einnahmen der VG Wort. Daran sollte sich durch Einführung eines Leistungsschutzrechts nichts ändern: Denn das Leistungsschutzrecht betrifft nicht die Einnahmeseite, sondern nur die Seite der internen Aufteilung. Die Einnahmeseite beträfe es nur dann, wenn ein Verhalten urheberrechtlich vergütungspflichtig wird, das es vorher nicht war, wie etwa 1995 bei der Einführung des Vermietrechts: Vor dessen Einführung mussten Videothekenbesitzer keine Abgaben leisten, die Vermietung von Videos war gemeinfrei. Nach der Einführung des Vermietrechts hatten die beteiligten Verwertungsgesellschaften echte Mehreinnahmen.

Für bessere Einnahmen wäre gesorgt, wenn allein das „Anschauen“ von Online-Pressebeiträgen vergütungspflichtig wäre.

Für bessere Einnahmen wäre gesorgt, wenn allein das „Anschauen“ von Online-Pressebeiträgen vergütungspflichtig wäre.

Private Vervielfältigungen sind hingegen heute schon vergütungspflichtig (über die Geräte- und Leermedienabgabe); wenn es also nur einen neuen Rechteinhaber gibt, der vorher noch keine Rechte hatte, wird sich nur die Aufteilung des auf Texte bezogenen VG Wort Erlösanteils an den Einnahmen aus der Geräte und Speichermedienabgabe verändern. Aus diesem Grund schlägt Ver.di an dieser Stelle auch eine andere Gesetzesformulierung vor als die Verlegerseite (vgl. § 87 f Abs. 5 des Entwurfs). Damit versucht Ver.di, den Status Quo der bisherigen Verteilung der entsprechenden VG Wort-Einnahmen zu wahren. Es ist unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber an diesem „Gleichgewicht der Kräfte“ innerhalb der VG Wort etwas wird ändern wollen.

Damit bleibt der Bereich der beruflichen bzw. kommerziellen Vervielfältigungen. Diese Nutzungen sollen nach dem Entwurf nicht mehr über eine Geräte- oder Leermedienabgabe abgegolten werden, sondern über eine Abgabe von jedem, der ein Vervielfältigungsgerät – sei es ein Drucker, einen PC, einen Kopierer – beruflich nutzt. Anders als in § 54 c UrhG wäre Anspruchsgegner nicht der Betreiber, sondern der einzelne Nutzer.

Größenordnungen der Einnahmen

Zunächst wird den Verlegern der bisher auf die beruflich veranlasste (sog. „kommerzielle“) Vervielfältigung (§ 53 Abs. 2 Nr. 4 a) Anteil wegbrechen. Wie groß dieser Anteil ist, lässt sich schwer abschätzen. Die Einnahmen der VG Wort aus der Geräteabgabe für private und kommerzielle Vervielfältigung betrugen 2008 rund 60 Mio. Euro Dies war mehr als gewöhnlich, weil Nachzahlungen der Geräteindustrie in Höhe von 10 Mio. Euro aus den Jahren 1996-2006 dazu kamen.

Diesen mussten sich Verlage und Autoren teilen und zwar entweder im Verhältnis 70 zu 30 Prozent zugunsten der Autoren oder hälftig. Die auf die Verlage entfallenden 25 Mio. Euro mussten wiederum mit Buchverlagen, Wissenschaftsverlagen und Fachzeitschriften geteilt werden. Und von dem auf aktuelle Presse entfallenden Anteil von geschätzt 5 Mio. Euro käme es nur auf den Teil ein, der aus der kommerziellen Vervielfältigung stammt. Den Verlegern entginge also ein Betrag im unteren einstelligen Millionenbereich.

Was würden die Verleger gewinnen? Noch sind keine Tarife festgelegt. Orientieren könnten sich die Tarife an der Kopiervergütung nach § 54 a Abs. 2 UrhG; so zahlen Betreiber von Kopierern in Copyshops 0,0103 EUR pro Kopie. Wenn die Verleger durch entsprechende empirische Gutachten glaubhaft machen könnten, dass – beispielsweise – im Monat 10 Kopien von Zeitungs- oder Zeitschriftenartikeln gemacht würden, käme man allein bei beruflich genutzten PCs pro PC und Monat auf 10 Cent. Bei 20 Mio. beruflich genutzten PCs lägen die Einnahmen bei 24 Mio. EUR im Jahr. Dies ist definitiv mehr als bisher, allerdings auch keine Größenordnung, die an die von mir eingangs erwähnten 250 Mio. EUR im Jahr heranreicht.

Eine andere Dimension bekämen die Einnahmen allerdings dann, wenn sich die Verleger mit der Idee durchsetzen würden, dass nicht nur das dauerhafte Vervielfältigen auf der Festplatte des PCs, sondern auch das Laden in den Arbeitsspeicher eine vergütungspflichtige Verwertungshandlung wäre (so der Vorschlag in § 87 g Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs). Denn zum „Anschauen“ werden viele Menschen – aus privaten oder beruflichen oder aus beiden Gründen – sehr viel häufiger Artikel aus dem Netz in den Arbeitsspeicher laden und lesen als dass sie die Artikel endgültig abspeichern.

Nach bisher herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist das Browsing von einer impliziten Einwilligung der Rechteinhaber gedeckt und wird deshalb als ein Fall der zwingenden Schrankenregelung in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (in Deutschland umgesetzt als § 44 a UrhG) gesehen. Es ist zumindest das Argument vorstellbar, wonach das Ins-Netz-Stellen von Angeboten nicht mehr als stillschweigende Einwilligung mit dem Browsing angesehen wird, wenn man die Rechte gleichzeitig kollektiv über eine Verwertungsgesellschaft jedermann anbietet.

Zwischenergebnis:

Die Einnahmen der Verleger aus der kollektiven Rechtewahrnehmung über Verwertungsgesellschaften würden durch die entsprechende Regelung deutlich steigen. Allerdings sind sie derzeit nicht groß genug, um die strukturellen Problemlagen zu verändern. Es wird mehr sein als ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber die „halbe Miete“ ist es sicher nicht. Dies wäre nur der Fall, wenn das „Anschauen“ von Online-Pressebeiträgen vergütungspflichtig gemacht werden könnte, was nach bisheriger Rechtsansicht jedoch gem. § 44 a UrhG zulässig ist.

Google

Aber es gibt ja noch einen weiteren Player, dem man in die tiefe Tasche greifen könnte: Google. Die Verleger stört, dass Google u.a. mit den sogenannten Snippets (kurze 1-2sätzige Ausschnitte aus Artikeln) nicht nur die Artikelsuche erleichtert, sondern sich – wettbewerbsrechtlich formuliert – auch mit Hilfe von Leistungen der Verleger Werbeerlöse (AdSense) verschafft. Ob dies richtig ist und vor allem, in welchem Ausmaß die Werbeerlöse von Google auf Snippets zurückgehen, lasse ich an dieser Stelle dahinstehen. Denn der urheberrechtliche Ansatz des Gesetzentwurfs wird – so steht es zu befürchten – wohl scheitern:

Zwar ist richtig, dass ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse auch für Snippets gelten würde. Das Recht würde jedoch aus mindestens zwei Gründen nicht zu Einnahmen führen:

(a) Einwilligung der Verleger

Der BGH hat in der Paperboy-Entscheidung und in diesem Jahr in der „Thumbnail“-Entscheidung bestätigt, dass Rechteinhaber in die Nutzung einwilligen, wenn sie Angebote ins Internet stellen, ohne die „Ich will von Google nicht gefunden werden“-Funktion zu aktivieren:

„Denn die Klägerin hat den Inhalt ihrer Internetseite für den Zugriff durch Suchmaschinen zugänglich gemacht, ohne von technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um die Abbildungen ihrer Werke von der Suche und der Anzeige durch Bildersuchmaschinen in Form von Vorschaubildern auszunehmen”,

so der BGH. Die Chancen, diese klare und mehrfach bestätigte Rechtsprechung aufzubrechen, sind auf absehbare Zeit gering.

(b) Leistungsschutzrechte weiter als Urheberrechte?

Ein Satz wie „Der Taubenzüchterverein Dovia feierte gestern sein 50jähriges Jubiläum“, ist urheberrechtlich nicht geschützt – und zwar aus guten Gründen: eine Monopolisierung einzelner Sätze oder sehr einfacher Texte wäre gesellschaftlich nicht wünschenswert. Klassische Snippets sind also bisher gemeinfrei. Das nützt nicht nur Google, sondern auch den Autoren, die über den gleichen Sachverhalt berichten wollen. Mit anderen Worten: Die Bausteine sind in unserer Gesellschaft frei, geschützt sind nur die konkreten Bauwerke.

Würde man ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse einführen, könnte dies eine Monopolisierung begründen. Dass etwas als Leistungsschutzrecht geschützt werden kann, was urheberrechtlich nicht geschützt ist, ist ausnahmsweise möglich, wie der BGH mit seiner Entscheidung „Metall auf Metall“ bewiesen hat. Dort wurde das Sampling von kleinen Teilen eines Musikstücks von Kraftwerk für unzulässig gehalten, weil es die Leistungsschutzrechte der Plattenfirma verletzte, und obwohl die Fragmente zu kurz und zu einfach waren, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Ein anderes Beispiel ist das Leistungsschutzrecht der Rundfunksender an ihrem Sendesignal: dies bezieht sich zum Beispiel auch auf (urheberrechtlich nicht geschützte) Wasserstandsmeldungen.

Ich halte es dennoch für unwahrscheinlich, dass Gesetzgeber oder Gerichte einen Leistungsschutz für Presseerzeugnisse auf urheberrechtlich nicht geschützte Textbausteine erstrecken. Anders als bei Tonträgern oder Laufbildern ist bei diesen Schnipseln nicht erkennbar, ob sie unberechtigt kopiert worden sind. Das leistungsschutzrechtliche „Substrat“ ist – anders als bei Musik- oder Filmaufnahmen – keine einzigartige Aufnahme eines Werks. Deswegen ist auch der einzige mir bekannte Leistungsschutz für Verleger in Europa an das konkrete Design bzw. Layout einer Zeitung geknüpft. Nur wenn Beiträge in einem bestimmten Layout von Dritten übernommen werden (z.B. durch die Kopie einer ganzen Zeitungsseite) würde dieses Leistungsschutzrecht eingreifen. Wenn man nur Textteile übernimmt, schützt bisher nirgendwo ein Leistungsschutzrecht den Verlag.

Fazit: Selbst wenn die Rechtsprechung des BGH (in „Paperboy“ und „Thumbnails“) zur konkludenten Zustimmung irgendwann einmal aufgegeben würde, ist immer noch fraglich, ob der Gesetzgeber oder die Gerichte „Snippets“ durch ein Leistungsschutzrecht schützen werden, wenn diese Textbausteine urheberrechtlich gemeinfrei sind.

Ergebnis

Ich persönlich schätze Qualitätsjournalismus und fände es sehr bedauerlich, wenn es Zeitungen wie die FAZ, FTD, Welt, SZ oder Zeitschriften wie Spiegel oder Focus nicht mehr oder nur als sehr kostenreduziertes Rudiment gäbe. Deshalb komme ich zu dem Schluss, dass die Verleger nicht zu viel, sondern eher zu wenig fordern. Möglicherweise müsste man in eine andere Richtung denken, die weniger mit pauschalen Abgaben und mehr mit den Geschäftsmodellen zu tun hat, die man eigentlich etablieren will: kostenpflichtige Modelle, bei denen der Online-Leser in etwa so viel zahlt wie bisher der Leser, der sich eine Printausgabe kauft:

Alternativlösung: Rechtepoolung und Kartellrecht

Wie könnte man es hinkriegen, dass in Zukunft jeder, der sich online Zeitungsartikel anschaut, dafür das Äquivalent des Kaufpreises für eine ganze Zeitung oder Zeitschrift zahlt – und wie kann man verhindern, dass die Verbraucher zu Gratisangeboten wechseln, wenn eine Zeitung über Verschlüsselung und Zugangskontrolle ihre Artikel kostenpflichtig macht?

Ein Ansatz könnte sein, sämtliche Rechte sämtlicher deutschen Zeitungen und Zeitschriften zu „poolen“. Dies ist möglich, wie die Verleger bei der Presse-Monitor-Gesellschaft trotz aller unleugbaren rechtlichen Schwierigkeiten bewiesen haben. Dafür muss man das „Spielverderber-Problem“ (=Ausscheren einzelner aus einem Rechte-Pool) und das „Trittbrettfahrer-Problem “ (=Billigkonkurrenzangebote im Netz, die auf den Informationen der bestehenden aktuellen Agenturmeldungen beruhen) wettbewerbsrechtlich lösen.

Langfristige Poolungen von Rechten bzw. Angeboten sind kartell- und gegebenenfalls auch wahrnehmungsrechtlich nicht gerade trivial, hätten aber den Vorteil, zukunftsträchtige Geschäftsmodelle aufzubauen, anstatt sich für ihr Fehlen an anderer Stelle Pauschalbeträge abzuholen. Anders als die meisten bisher diskutierten „Flatrate“ -Modelle würden sie bestehende „Paid Content“-Modelle nicht gefährden, weil es den Verlagen unbenommen bliebe, neben den allgemeinen, für eine Abo-Gebühr erhältlichen Angeboten noch exklusive Einzelangebote anzubieten.

Gastbeitrag von Oliver Castendyk. Er ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Brehm & von Moers in Berlin und berät Mandanten aus dem Bereich Filmproduktion, Rundfunk und Print.

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