#Journalistische Qualität

“Die Qualitäts-Lüge”

von , 7.12.09

Nach der Zeit hat nun auch der Spiegel einen Text über das zunehmend überzogene Qualitätsselbstverständnis der Tageszeitungen veröffentlicht. Titel: “Die Qualitäts-Lüge” (nur Print, noch nicht auf SpOn). Kernaussage: In der Umsatzkrise würden die Tageszeitungen ihre Leser “besonders schlecht” behandeln. Folge der Etatkürzungen in den Redaktionen seien mehr Einheitsjournalismus, mehr PR-Texte und weniger Qualität.

Dabei hält sich die erste Reihe der Journalismusverantwortlichen hierzulande nicht mit Kritik zurück. So sagte Süddeutsche-Zeitung-Chefredakteur Hans Werner Kilz dem Spiegel: Wenn die deutschen Verleger so weitermachen würden, seien viele Zeitungen demnächst überflüssig. Die “Durchlaufseiten”  in den Lokal- und Regionalzeitungen zu Servicethemen seien “grässlich.”

Bodo Hombach, der gerade 300 Redaktionsstellen bei seiner WAZ einspart, sagte über Verlegerkollegen: „Es plappern plötzlich auch die von Qualität, wo überhaupt keine Qualität mehr drin ist.”

Der Spiegel listet in seinem Artikel auch noch einmal die Einbrüche der Tageszeitungen auf. Innerhalb der letzten zehn Jahre seien die Auflagen um rund 20 Prozent, die Anzeigeneinnahmen um rund 25 Prozent zurückgegangen.

In Zeit wie Spiegel wird als Ausweg der Tagespresse aus der Krise folgendes Rezept gefordert: mehr Recherche, mehr Hintergrund, mehr Originalität. Also: Mehr Ausgaben.

Angesichts der beschriebenen Einbrüche mehr Ausgaben zu fordern, erscheint mir zumindest: überprüfungsbedürftig.

Ich finde die Beiträge weder von der Zeit noch vom Spiegel zu dieser Debatte besonders originell, hintergründig oder herausragend recherchiert. Es sind leidlich gut zusammengestückelte Artikel, die auf eine Weller von Ratlosigkeit und Ressentiment reiten – ohne wirklich von der Stelle zu kommen. Sie gleichen eher journalistischen Selbstbestätigungsriten als kritisch-offenen Analysen.

Schrecklichen Einheitsjournalismus in Regionalzeitungen gab es auch schon in den 80er und 90er Jahren. Zu wenig journalistische Ressourcen gemessen an dem, was eigentlich wünschenswert wäre, sind wohl systemimmanent.

Auf den Kern der Strukturkrise gehen beide Texte überhaupt nicht ein: Den schleichenden Abschied der Anzeigenkunden aus der Finanzierung von Journalismus. Und wohl auch den schleichenden Abschied der Nutzer vom täglichen Dauerkonsum von mittelmässigen General-Interest-Journalismus.

So gesehen können die beiden Publikationen die Frage nach der eher vorgeblichen denn realen Qualität gerne auch auf sich selbst beziehen.

Wenn die deutschen Verlage so weiter
machten, seien viele Zeitungen demnächst
überflüssig, meint Kilz. „Grässlich“ seien
doch diese „Durchlaufseiten“ in den Lokal-
und Regionalblättern zu Reise, Gesundheit
und Ähnlichem, die überall gleich
aussehen und längst nicht mehr von den
Redaktionen produziert werden.
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