von Daniel Schwerd, 5.7.13
Liebe Presse, ich habe Hals.
In diversen Veröffentlichungen von Euch liest man derzeit viel vom “Versagen” der Piraten, die “merkwürdig still” seien angesichts der Datenschutzskandale um die Abhörprogramme PRISM und Tempora des britischen und amerikanischen Geheimdienstes.
Von uns käme dazu ja nichts.
Darf ich gerade mal laut werden?
ANSTATT DASS EINER VOM ANDEREN ABSCHREIBT, DASS WIR DAZU NICHTS ZU SAGEN HABEN, NEHMT DAS GEGENTEIL ZUR KENNTNIS!
Um es Euch in mundgerechte Häppchen aufzuteilen:
Es gibt Pressemitteilungen dazu auf Landes- und Bundesebene, Interviews und vielbeachtete Podiumsdiskussionen (z.b. mit Katharina Nocun im WDR), Petitionen, konkrete Pläne der europäischen Piraten, Blogartikel und offene Briefe. Piraten waren schon mehrfach in Demonstrationen auf der Straße und vor dem amerikanischen Konsulat, selbst einen lustigen Flashmob gab es. Von Piraten organisierte Cryptopartys zur digitalen Selbstverteidigung schießen allerortens wie Pilze aus dem Boden. Nicht zuletzt die Online-Kampagnen und Petitionen “AntiPRISM.eu” und “Stopwatching.eu”, der sich Bürger anschließen können. Letztere alleine wären schon einen tollen Bericht wert.
Und das sind nur die Informationen, die ich selbst durch eine oberflächliche Google-Suche auf die Schnelle gefunden habe – jeweils die Allererste. Es gibt mehr.
Auch die Landtagsfraktionen der Piraten sind politisch aktiv. Allein im Landtag Nordrhein-Westfalens gibt es von den 20 Piraten zum Thema insgesamt fünf politische Anträge:
- O tempora, o mores – wider die Aushöhlung von Grundrechten, Demokratie und digitaler Kultur durch zügellose Überwachung!
- Whistleblowing – eine Form von Zivilcourage, die unterstützt und geschützt werden muss
- Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie PRISM und Tempora schützen!
- Britisches Überwachungsprogramm “Tempora” ist unionsrechtswidrig: Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien einleiten!
- Achtung! YES, WE SCAN. Bürger in NRW vor PRISM und anderen Überwachungsprogrammen schützen!
Weiter gibt es diverse kleine Anfragen zum Thema – hier die im Nordhein-Westfälischem Landtag:
- Achtung!! Was wusste die Landesregierung von PRISM?
- Haben Überwachungsmaßnahmen und Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie Tempora und Prism Auswirkungen auf die Landespolitik und die heimische Wirtschaft?
- Schutz personenbezogener Daten und Inanspruchnahme US-amerikanischer IT-Dienstleister und Software durch Landesbehörden in Zeiten von PRISM
Es hat auch schon Ausschussbefassungen und mündliche Anfragen dazu gegeben.
Am vergangenen Mittoch haben wir im Landtag eine Pressekonferenz gegeben, zu der Sie, liebe Presse, persönlich eingeladen wurden. Gekommen ist ein Journalist. Selbstverständlich wurden vorher Einladungen und nachher Pressemitteilungen dazu verschickt.
Ich habe unsere Anträge auch verschiedenen Redaktionen direkt geschickt, man möge doch darüber im Thema Prism und Tempora berichten. Von den meisten kam gar keine Rückmeldung. Von einer kam die interessante Antwort: “Haben wir schon reichlich. Aber wie wäre es mit einem Kommentar, weshalb man von den Piraten gerade jetzt so wenig sieht?”
Das zeigt die Schizophrenie der Situation: Man will eben nicht berichten, sondern lieber ein paar O-Töne haben, warum wir nichts tun.
Kann es sein, dass Sie deswegen von den Piraten nichts hören, weil Sie im Moment lieber weghören? Weil es nicht ins bevorzugt kolportierte Bild von der Chaotentruppe ohne Konzept passt, die sich mit sich selbst beschäftigt? Weil man lieber abschreibt, was der Kollege zuvor geschrieben hat, statt sich selbst Gedanken zu machen und selbst zu recherchieren? Piraten und Sachpolitik? Das geht ja gar nicht.
Tun Sie Ihre Arbeit! Wir tun unsere.
Daniel Schwerd ist Sprecher für Wirtschaft, Netz- und Medienpolitik der Piratenfraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen und stv. Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien des Landtags. Crosspost von @netnrd · Politik aus Notwehr.