von Lars Hauch, 5.8.16
Nahezu alle deutschsprachigen Medien titelten am 28. Juli, die Nusra-Front habe sich von ihrer Mutterorganisation Al-Qaeda getrennt. Die Meldungen folgten einer Videobotschaft, in der Abu Mohammed al-Julani, Nusras Emir, zum ersten Mal öffentlich sein Gesicht zeigte und über die Zukunft seiner Organisation sprach. Al-Julanis Ansprache waren tagelange Spekulationen in sozialen Netzwerken vorausgegangen: Ein möglicher Bruch zwischen Nusra und Al-Qaeda schien in den Führungsriegen diskutiert zu werden, legten Leaks nahe.
„Wir erklären den kompletten Abbruch aller Operationen unter dem Namen Jabhat al-Nusra und die Bildung einer neuen Gruppe unter dem Namen Jabhat Fatah al-Sham, welche keine Zugehörigkeit zu irgendeiner externen Organisation hat“, erklärte Julani, nachdem er Al-Qaedas Führung Lob und Respekt ausgeprochen hatte.
Von einem Bruch, einer Trennung, war jedoch keine Rede. Der Mann zu al-Julanis Rechten, Ahmad Salama Mabruk, ist ein lebendiger Hinweis darauf, weshalb die verkündete Unabhängigkeit von externen Organisationen und die weitere Zugehörigkeit zu Al-Qaeda sich nicht ausschließen.
Al-Qaeda ist längst in Syrien
Der Ägypter Ahmad Salama Mabruk arbeitete seit Ende der 1980er Jahre für Ayman al-Zawahiri, seit dem Tod Osama Bin Ladens Al-Qaedas Nummer Eins. Wie viele andere Al-Qaeda Veteranen hält er sich in Syrien auf und nimmt eine Führungsposition in der Nusra-Front — oder neuerdings Jabhat Fatah al-Sham (JFS) — ein. Dass al-Julani sich von der Zugehörigkeit zu externen Organisationen losgesagt hat ist deshalb nicht gleichbedeutend mit einer Trennung von Al-Qaeda. Denn Al-Qaeda ist durch die sukzessive Etablierung der Nusra-Front längst in Syrien verwurzelt. Anders als der sogenannte Islamische Staat (IS) setzte die Nusra-Front von Beginn an auf die Kooperation mit anderen Aufständischen. Statt gewaltsam Territorium einzunehmen und zu herrschen, machten sich die Dschihadisten als militärisch potenter Akteur unverzichtbar. Sie organisierten und gewährleisteten diszipliniert die Versorgung der sunnitischen Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln sowie — soweit möglich — öffentliche Sicherheit.
Gegen eine Trennung von Al-Qaeda spricht eine weitere Tatsache: Es entspräche nicht dem Dschihadisten-Knigge, den geleisteten Gefolgschaftsschwur (Baya) nicht zu thematisieren. Weder hat al-Zawahiri die neu ausgerufene JFS vom Schwur entbunden, noch hat al-Julani ihn zurückgezogen. An einer weniger offiziellen Verbindung scheint al-Zawahiri ohnehin nichts auszusetzen zu haben: Der Qaeda-Führer hat darauf hingewiesen, dass die Verschleierung von Zugehörigkeiten erwünscht sei, solange sie dem übergeordneten Ziel diene. Obwohl die Nusra-Front bereits 2011 gegründet wurde, gab al-Julani die Zugehörigkeit zu Al-Qaeda erst im Jahr 2013 bekannt und geriet dadurch sogar in Auseinandersetzung mit al-Zawahiri, der es nicht für dienlich hielt, die Verbindung publik zu machen.
Neues Etikett ohne Effekt?
Die Schlagzeilen („Terrormilizen Al-Kaida und Al-Nusra trennen sich“) spiegelten jene Trennungs-Illusion wider, die al-Julani und die Qaeda-Führung beabsichtigten. Mit Erfolg, wie es scheint.
Die Zugehörigkeit der Nusra-Front zu Al-Qaeda war stets ein Problem zwischen den Dschihadisten und dem restlichen Spektrum Syriens bewaffneter Opposition. Die neben JFS einflussreichsten Rebellengruppen in Syrien, Ahrar al-Sham und Jaysh al-Islam, haben bereits auf al-Julanis Ankündigung reagiert. Beide Gruppen begrüßten den Schritt und riefen zu Einigkeit auf, wobei Jaysh al-Islam sich durchaus kritisch äußerte und bemerkte, es müssen erst Taten folgen, die den neuen Kurs JFSs unter Beweis stellten.
Ohne Frage sitzt Jabhat Fatah al-Sham — und damit Al-Qaeda Veteranen samt ihrer Ideologie — nach der medienwirksamen Inszenierung fester im Sattel denn je. Ermöglicht durch den seit 2011 tobenden Krieg und die Verzweiflung der sunnitischen Opposition ist es der Bewegung gelungen, dauerhaft Fuß zu fassen und ein unverzichtbarer Teil der Anti-Assad-
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