von Peter Glaser, 14.7.09
Sharism nennt der chinesische Blogger und Finanzexperte Isaac Mao, was die neuen sozialen Medien und die durch sie ermöglichten Gemeinschaften antreibt – die Lust, Dinge mit anderen zu teilen (to share), die immer stärker zunimmt. Oder wie Wilhelm Busch es einige Zeit früher ausdrückte: Doch guter Menschen Hauptbestreben / ist, andern auch was abzugeben.
Neue Formen von Gemeinschaftswucht im Netz zeigen eine erstaunliche Leistungsfähigkeit. Als vor zwei Jahren die Website Myfootballclub eingerichtet wurde, hatten die bis dahin 12.000 Mitglieder bereits 500.000 Pfund (knapp 540.000 Euro) gesammelt. Ein halbes Jahr später begannen die Verhandlungen mit dem britischen Fußballclub Ebbsfleet United und im Februar 2008 war das Geschäft perfekt: Myfootballclub-Mitglieder aus 70 verschiedenen Ländern kauften für 600.000 Pfund einen 75%-Anteil an dem Club und entscheiden nun über Aufstellungen, Transfers und Spielerkäufe. Ebbsfleet United ist, so die stolze Selbstauskunft, the world’s first and only web-community owned football club..
Die digitalen Kommunikationsinstrumente verändern die Art, wie wir leben, wie wir miteinander umgehen, wie wir Geschäfte machen und wie wir uns austauschen. Beruflich und privat bereiten sich inzwischen viele auf reale Begegnungen vor, indem sie Suchmaschinen und soziale Netze zu der Person befragen. Und statt sich für den Aufenthalt in einer fremden Stadt Tips aus dem Reiseführer zu erblättern, kann man sich nun einfach per Mail Placemarks schicken lassen, mit denen Freunde ihre Lieblingsplätze auf Google Earth markiert haben. Inzwischen sind Online-Communities nicht mehr nur Treffpunkte, sie sind in Bewegung geraten. Dienste wie Twitter oder Facebook haben sich dem Lifestreaming verschrieben und lassen einen endlosen Fluß kleiner Nachrichten von überallher auf Bildschirm oder Smartphone-Display strömen – anstelle eines Agenturtickers mit Weltnachrichten laufen nun per Echtzeit-Nachrichtenfluss Meldungsschnipsel von (echten oder virtuellen) Freunden oder Kollegen ein. Die ganze Welt wird zur WG. Alle Freunde sind immerzu da.
“Kultur ist Vielfalt an Problemen”, schrieb Egon Friedell vor hundert Jahren. Online verwandelt sich sozialer Austausch heute in das Management von Kommunikationskonfetti. Und ständig finden kreative Geister neue Anwendungsmöglichkeiten für die neuen Techniken. Guy Kawasaki, der bei Apple als “Evangelist” mit der die Vermarktung des Macintosh erfolgreich war, ist heute Venture Capitalist im Silicon Valley und hilft Unternehmensgründern auf dem Weg nach vorn. Kawasaki hat eine Methode gefunden, mit der man mit Hilfe dessen, was eine Netzgemeinschaft miteinander teilt, einschätzen kann, ob man es mit einem guten oder einem schlechten Risikokapitalisten zu tun hat. Einmal gab es ein Meeting in seiner Firma Garage Technology Ventures und einer der Teilnehmer projizierte nebenbei zum Spaß die Website einer Online-Community an die Wand – das Golf Handicap and Information Network. Diese Website gibt Auskunft über das Handicap eines Golfspielers, also über seine Spielstärke. Alle Golfclubs melden die Spielergebnisse ihrer Plätze inzwischen an dieses Netzforum.
Die Teilnehmer des Meetings riefen aus Jux die Namen von Konkurrenten, die im Verdacht standen, die meiste Zeit auf dem Golfplatz zu verbringen. Für Kawasaki ist das inzwischen mehr als nur ein Spaß. Er fragt seither regelmäßig in der Golf-Community die Namen von Mitbewerbern oder potentiellen Geschäftspartnern ab. Wenn sich die Spielstärke eines golfenden Risikokapitalisten ungewöhnlich schnell verbessert, geht er davon aus, dass die Person sich lieber auf dem Rasen aufhält als in den Unternehmen, an denen er sich beteiligt.
Peter Glaser bloggt auf Glaserei, wo auch dieser Beitrag erschien.