von Ulrich Horn, 23.10.13
Die Grünen lehren und belehren gern. Zu lernen fällt ihnen schwerer. Ihr Parteitag am Wochenende in Berlin sollte dazu dienen, die Lehren aus dem missratenen Wahlkampf und dem Misserfolg bei der Bundestagswahl zu ziehen. Das ist ihnen misslungen.
Verlierer und Versager
Die Partei schreckte vor einer gründlichen Bestandsaufnahme zurück. Sie feierte jene Exponenten, die sie nun schon zum wiederholten Male in die Niederlage führten und nicht begreifen wollen, dass sie die Partei nicht mehr voranbringen können. Trittin, Roth, Künast und Co. erhielten einen Abschied, als hätten sie bei den vergangenen drei Bundestagswahlen nicht Niederlagen, sondern Triumphe zu verantworten.
Die gefühlsselige Inszenierung des Parteitages erinnerte an die Bambi-Vergabe. Fehlte nur, dass Claudia Roth, die für ihr „Lebenswerk“ mit der Vize-Präsidentschaft des Bundestages belohnt wird, sich bei ihren Eltern, allen Mitarbeitern und bei Prof. Burda bedankt hätte. Der Parteitagskitsch lenkte viele Delegierte von der betrüblichen Einsicht ab, dass auch sie vor der Wahl die Erneuerung der Partei verschlafen haben.
Die alten Verlierer und Versager an der Parteispitze konnten sich noch einmal ausleben. Die Partei gestattete ihnen nicht nur, Schwarz-Grün scheitern zu lassen. Sie bekamen auf dem Parteitag auch Gelegenheit, ihre dürftige Bilanz schön zu reden und den grünen Weg in die Zukunft abzustecken, so, wie sie ihn sich vorstellen. Eindrucksvoller kann eine Partei den Fehlstart ihres Neustarts nicht zelebrieren.
Lustvoll in die Opposition
Wer glaubt, die alten Zampanos werden sich zurückhalten, nachdem sie ihre Posten aufgegeben haben, ist auf dem Holzweg. Sie sitzen in der Bundestagsfraktion. Von dort aus werden sie wie bisher Strippen ziehen und Weichen stellen. Ämter brauchen sie dazu nicht mehr. Ihnen reicht ihre Prominenz, um sich Gehör und Wirkung zu verschaffen.
Die Delegierten in Berlin feierten nicht nur die Organisatoren der Wahlniederlage wie Gewinner. Sie beschädigten auch die neue Parteiführung mit einem miserablen Wahlergebnis. Wer so destruktiv agiert, signalisiert, dass er Veränderungen nicht will: Der Parteitag deformierte den angekündigten Aufbruch in die Zukunft zur Quetsch-Nummer.
Dieses widersinnige Verhalten hat System. Im Wahlkampf verkündete die Partei wider alle Vernunft Rot-Grün als Wahlziel. Nach der Wahl erklärte sie sich als regierungsunfähig. Sie ist nun froh, von den Zwängen und der Verantwortung des Regierens verschont zu bleiben. Wieder einmal tauchen die Grünen lustvoll in die Opposition ab.
Schwächste Kraft im Bundestag
Doch auch dort geht es nicht mehr leicht und lässig zu. Die Zeiten, als sich grüne Politik mit moralischem Anspruch schwungvoll verkaufen ließ, gehen zu Ende. Das Machtzentrum der Partei, die Bundestagsfraktion, ist gespalten. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestages spiegeln nicht die in der Gesellschaft wider. Die Verhältnisse in der Fraktion bilden nicht die in der Partei ab.
Die Realos stellen in der Fraktion die Mehrheit. Sie wird aber nicht wirksam, weil die Realos zerstritten sind. Diesen Umstand macht sich der linke Flügel zunutze. Das Missverhältnis konserviert Machtstrukturen, die es den Grünen erschweren, sich neu aufzustellen.
Sie sind die schwächste Kraft im Bundestag. Sich unter diesen Verhältnissen nach allen Seiten zu öffnen, wird schwierig. In dem Maße, in dem sich die Grünen der Union zuneigen und versuchen, die FDP zu beerben, wird sich der Graben zur Linken vergrößern.
Unangenehme Konflikte
Auch das Verhältnis zur SPD wird komplizierter. Das Bemühen, sich von ihr zu lösen, wird zunehmen, wenn die große Koalition zustande kommt und die SPD Regierungspartei wird. Die Angriffsflächen, die es den Grünen ermöglichen, sich gegen die SPD zu profilieren, werden sich dann zwangsläufig vergrößern.
Die Partei schwankt heute schon zwischen der Öffnung zur Union und der Neigung zu Rot-Rot-Grün. Sich beide Optionen zu öffnen und sie bis zur nächsten Wahl 2017 zu bewahren, wird ein komplizierter Balanceakt.
So, wie die Grünen auf ihrem Parteitag in die neue Legislaturperiode starteten, stehen der Partei wohl unangenehme Konflikte bevor, wenn sie versucht, sich zu verändern. Machtkämpfe machen Parteien nicht attraktiver.
Crosspost von Post von Horn