#Blog

Die Geschichte des Weblogs

von , 14.8.12


Die Erfindung des WWW und das erste Blog der Welt

Ende der 90er-Jahre wurden Blogs zu einem Massenphänomen. Waren Mitte der 90er gerade mal eine Handvoll Blogs online, sind es heute um die 200 Millionen. Die Themen, über die in den Blogs geschrieben wird, sind so bunt wie das Leben. Ob Tagebuch oder Mode, ob Kochen oder Technik, Autos oder Fotos, ob Reisen, Handarbeit, Gärtnern oder eben ein Corporate Blog – es gibt nichts, worüber noch nicht gebloggt wurde. Denn Menschen erzählen gerne und mögen es, sich mit anderen über ihre Erlebnisse, ihre Erfahrungen und ihr Wissen auszutauschen.

Als offiziell erstes Blog gilt die Webseite von Tim Berners-Lee, die am 13. November 1990 online ging – als erste Website im gerade frisch eingerichteten World Wide Web. Der aus Manchester stammende Softwareentwickler arbeitete damals am CERN, dem europäischen Kernforschungszentrum bei Genf. Dabei wurde ein Computernetzwerk genutzt, mit dem die Wissenschaftler sich untereinander austauschten, doch das Problem war, dass die Mitarbeiter auf der französischen Seite – Genf ist fast vollständig von Frankreich umgeben –  eine andere Netzstruktur nutzten, was die Kommunikation erschwerte.

Berners-Lee entwickelte eine Lösung für das Problem. Nun konnte man mit HTML Webseiten beschreiben, sie über HTTP transferieren, sie dort über eine URL in einem Browser an einem anderen Ort abrufen – eben das, was das World Wide Web bis heute ausmacht. Die URL der ersten Website ist noch heute online, dort findet sich auch eine Kopie vom ersten Eintrag vom November 1990.

Tim Berners-Lee nutzte diese Seite, um dort über seine Idee zu schreiben. Er informierte über HTML, erklärte, wie man eine eigene Website erstellt und zeigte, wie man im WWW nach Informationen suchen konnte. Nach und nach begann er, diese Informationen zu ergänzen, und ein digitaler Zettelkasten entstand – dabei standen die neuesten Informationen, wie man das von heutigen Blogs kennt, immer oben – ein erstes, wenn auch nur mit rudimentären Funktionen ausgestattetes Weblog war somit online.

Berners-Lee ist mit der Erfindung des WWW übrigens nicht reich geworden, aber er ist ein bis heute viel geehrter Mann, den man zuletzt während seines Auftritts bei der Eröffnungsfeier der olympischen Spiele in London sehen konnte.

1969 bis zu den 90ern: Arpanet, Internet und das Usenet

Dass Leute Texte zu allen möglichen Themen ins Internet schrieben, um sie mit anderen zu teilen und darüber zu diskutieren, gab es allerdings schon lange vor dem World Wide Web. Sogar Privates oder Geschichten wurden veröffentlicht – im Usenet war so etwas bereits üblich.

Doch von vorne: Zuerst gab es das Arpanet, das in den 60er-Jahren eingerichtet wurde, um es für militärische Zwecke zu nutzen. 1969 folgte das Internet, das im Unterschied zum Arpanet Universitäten miteinander vernetzte. 1979 wurde das Usenet ins Leben gerufen – als frei zugängliche Alternative zum Arpanet: Man benötigte einen Computer, eine Software und eine Telefonleitung oder andere Standleitung, genutzt wurde dabei das Unix-Protokoll UUCP.

Im Usenet gab es zu allen nur erdenklichen Themen unzählige Diskussionsforen in Textform, die sogenannten Newsgroups, und jeder, der mochte, konnte mitmachen. Dazu wurden Newsreader verwendet, die ähnlich wie RSS-Reader funktionieren. Noch heute wird das Usenet als Alternative zum Internet genutzt, allerdings mit rückläufigen Zahlen, derzeit sind es schätzungsweise zwischen 50.000 und 170.000 Newsgroups.

Die frühen 90er: E-Mail und Mosaic

Anfang bis Mitte der 90er-Jahre wurden Internet und vor allem E-Mail auch außerhalb der Universitäten populär – nach und nach wurde es üblich, nicht mehr nur im Büro, sondern auch daheim einen Computer zu nutzen, und wer ihn hatte, wollte mit ihm auch ins Netz.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich 1993 als Studentin der Universität Konstanz meine erste eigene E-Mail-Adresse bekam. E-Mails verschicken ging aber nur an der Unibibliothek, denn nur dort gab es einige Rechner, mit denen man ins Netz konnte. Und ich konnte nur an Kommilitonen mailen, denn ich kannte sonst niemanden, der eine E-Mail-Adresse hatte. Als ich mir 1998 zum Ende meines Studiums eine E-Mail-Adresse bei yahoo zulegte, sah das schon ganz anders aus.

Anfang der 90er wurden erste Browser entwickelt, mit denen Grafiken und interaktive Elemente angezeigt werden konnten, ohne dass man sie extra laden musste wie bisher. Der erste Browser war “ViolaWWW”, den Software-Entwickler und Künstler Pei-Yuan Wei als Student der Universität Berkely entwickelte hatte, 1992 folgte “Erwise” und 1993 schließlich “Mosaic” – später von Microsoft aufgekauft und zum Browser Netscape weiterentwickelt. Mosaic war kostenlos, Ende 1993 gab es bereits 2 Millionen Kopien. Zunehmend wurde nun auch privat im Netz gesurft – und das kam auch der Enwicklung des Blogs zu Gute.

1996 bis 2000: Frühe Blogs, und die Erfindung des Namens dafür

Den Begriff “Blog” benutzte man damals allerdings noch nicht, gebräuchlich waren “Netzine”, “Fanzine” oder “Webzine” – wer damals schon im Netz unterwegs war, wird sich daran erinnern. Am 3. Januar 1996 ging mit Netzine das erste deutsche Blog online. Walter Laufenberg, der Betreiber, publizierte dort regelmäßig Gedanken zum Zeitgeschehen, ergänzt um Reisebilder, Essays und Geschichten.

Der Begriff “Weblog” entstand erst ein Jahr später: Jorn Barger, der seit 1997 das Netztagebuch “Robot Wisdom” führte, um dort alle möglichen Links zu sammeln, aber auch, um persönliche Einträge zu veröffentlichen, hatte sich den Namen ausgedacht. Wie jeder weiß, setzt sich das “Weblog” aus den Begriffen “Web” für das Internet und “Log” für Tagebuch zusammen. Bargers Blog mit den Einträgen von 1997 ist übrigens ebenfalls heute noch online.

Ein weiteres Blog aus dieser Zeit, das bis heute läuft, ist “Scripting News” von Softwareentwickler Dave Winer. Winer beschäftige sich Mitte der 90er mit Web Publishing und entwickelte dabei die Software Frontiers NewsPage Suite, mit der er sein Blog einrichtete. John Barger nutzte diese Software und andere folgten – Raphael Carter mit dem “Honeyguide Weblog”, Avram Grumer mit dem “Pigs & Fishes Weblog”, John Wilson mit “The Untitled Weblog”, William Humphries mit dem “Whump Web Log”, Laurel Kran mit dem “Windowseat Weblog” sowie Steve Bogart mit “Nowthis.com/log”. Barger war dann irgendwann der erste, der im Zusammenhang mit dieser Gruppe von einer sozial vernetzten Community sprach.

Sehr lesenswert sind einige Einträge aus der Anfangszeit dieser Blogs:

  • Der zweite Eintrag im Whump Web Log stammt vom 1. Januar 1996, darin steht: “Scripting News covers ‘scripting on all platforms – Dave Winer gave us the tools to do web logs, so he’s the father of us all. He continues to build on the Frontier scripting language and the new interface to Scripting News shows it”.
  • John Wilson im Untitled Weblog im Juli 1998, nachdem er sein Blog nach einer Pause reaktiviert hat, über die Sache mit den URLS und dem Verlinken: “I started this weblog back in June of 1998. It didn’t last very long, mainly because it was so much work to create a post. And there weren’t very many other weblogs to crib links off of (I can only think of three), so it was kind of hard to find new stuff. It was actually called “The untitled weblog” and I had this text at the top of the page: “Well, I wanted to start a weblog in the tradition of Jorn Barger and the Honeyguide Weblog, so I finally got around to it. Notice how I linked things back then: a little comment, followed by the link, followed by a blockquote excerpt. The text of the link is the URL itself, unless it was unacceptably messy, in which case I’d just make the link text say “[Messy URL]“. I will try to find working links to the URLs referenced in the posts, but I may not be able to. Sometimes the original link won’t work, but I can find the page or AP story archived somewhere else. So links that you follow may not be exactly the same original URLs that I linked to, but it’s still the same stuff.”
  • Nowthis.com/blog – erster Eintrag vom 16. Dezember 1998 – man beachte das schicke Design: 9. Dezember 1998 :-)

1998 – 2004: Bloggen wird populär

Zur Verbreitung der Blogs haben vor allem neue Dienste wie Xanga positiv beigetragen. Die Community wurde 1996 geründet. Ohne großen Aufwand und technisches Know how war es nun möglich, sich eine Seite einzurichten, auf der man Sachen ins Internet schreiben konnte. 1997 gab es dort 100 Blogs, 2005 waren es 20 Millionen. Weitere Bloganbieter waren Open Diary (Gründung 1998), blogger.com (Gründung 1999) oder LiveJournal (Gründung 1999). Vor allem LiveJournal setzte dabei von Anfang an stark auf den Community-Gedanken.

Ich glaube, dass Blogs immer beliebter wurden, hat auch damit zu tun, dass es zu dieser Zeit im Netz noch nicht allzu viel zu sehen gab. Ich war seit 1998 regelmäßig online – interessant waren damals vor allem Seiten wie Ebay, Amazon,  Spiegel Online, doch viel interessanter fand ich meine allererste Social Community, in der ich mir ein Jahr später ein Profil anlegte, nämlich Cycosmos. Dort konnte man sich Avatare mit bunten Haaren basteln, in einem virtuellen Raum hin- und herlaufen und eben mit anderen chatten. Das war allerdings ein bisschen anstrengend, weil das Netz furchtbar langsam war und man dauernd herausfiel …

1999 setzte sich der Name “Blog” durch – Webdesigner Peter Merholz prägte ihn damals. Vor allem in den USA wurden Blogs sehr schnell populär. Sich politisch zu beteiligen und seine eigene Meinung über die Medien zu verbreiten, hatte im typisch amerikanischen “Citizen Journalism” schon so etwas wie eine eigene Tradition, nun wurde dafür auch das WWW genutzt. Und waren Blogs bisher eher Seiten, auf denen man kommentierte Links veröffentlichte, begann man nun, längere Texte zu veröffentlichen.

Ein Meilenstein in der Geschichte des Blogs war die Erfindung von RSS im Jahr 2000: Blogs konnten nun einen Feed anbieten, der über neue Artikel oder Kommentare informierte, wenn man ihn abonniert hatte – ohne dafür die Seite aufsuchen zu müssen.

Der 11. September 2001 und die War-Blogs im Irak-Krieg

Vor allem nach dem 11. September 2001 wurden viele neue Blogs gegründet, in denen über Gefühle und Meinungen zu den Terroranschlägen geschrieben wurde. Else Buschheuer, deutsche Autorin, lebte von 2001 bis 2005 in New York und berichtete in ihrem Blog damals live von den Anschlägen – das Blog gibt es mittlerweile leider nicht mehr, Auszüge daraus wurden aber in verschiedenen Büchern veröffentlicht. Andere Blogs wie Politcial Wire, Daily Kos oder Instapundit gewannen schnell hohe Leserzahlen – 2002 lasen zum Beispiel täglich 200 000 Leser bei Instapundit, was der Reichweite einer Zeitung entspricht.

Im Irak-Krieg nutzten Journalisten, Mitglieder von Hilfsorganisationen, Soldaten und irakische Bürger Blogs, um aus den Kriegsgebieten zu berichten – diese “War-Blogs” galten als Alternative zu den von der amerikanischen Regierung kontrollierten Journalisten. Im Blog Where is Raed wurde beispielsweise über den Alltag im Bagdad berichtet – bis zu drei Millionen Leser pro Tag erreichte er damit zu Spitzenzeiten. Lisa Sonnabend hat das alles sehr interessant bei Netzthemen beschrieben.

Auch erste Shitstorms gab es: Nachdem sich Senator Trent Lott im Dezember 2002 auf einer Veranstaltung rassistisch geäußert hatte und die Medien darüber nicht berichteten, schafften es Blogger, das Thema so lange hoch zu halten, bis in den Medien doch berichtet wurde und Lott zurücktreten musste.

Ein anderer Fall war das so genannte “Rathergate” 2004: Dan Rather, Journalist, hatte in einer TV-Show von CBS Dokumente gezeigt, die – zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl – Verfehlungen George Bushs beim Militärdienst nachweisen sollten. CBS veröffentlichte diese Dokumente auf seiner Website. Zahlreiche Blogger reagierten und bewiesen schließlich, dass diese Unterlagen nicht der  Wahrheit entsprechen konnten. Mehr dazu hier bei “Journalist und Optimist”: “Warum ich Blogs lese – Im Pyjama im Wohnzimmer sitzen”.

Die frei zugängliche Blogsoftware Pitas (seit 1999) und Plattformen wie blogger.com (seit 1999), Antville.org (seit 2001) oder WordPress.com (seit 2005), die den Usern Webspace und ein einfach bedienbares CMS zur Verfügung stellten, taten ein Übriges. Und Xanga meldete, wie oben schon erwähnt, 2005 20 Millionen Blogs. 2010 waren schließlich etwa 200 Millionen Blogs online –  wobei aber nicht abzuschätzen ist, wie viele von diesen Blogs tatsächlich aktiv geführt werden.

2007: Microblogging

Mit MySpace (Gründung 2003) begann so etwas wie eine neue Ära des Bloggens: Statt längerer Artikel wurde nun das Posten von kurzen Nachrichten beliebt, untermalt mit Links oder Fotos. Facebook (Gründung 2004) und Twitter (Gründung 2006) sind die bekanntesten, daneben gibt es ganze Reihe weiterer, eher unbekannter Dienste wie Diaspora, Heello oder Path.

Die großen Plattformen richteten sich an unterschiedliche Zielgruppen: Facebook konzentrierte sich anfangs auf Studenten, bei MySpace ging es vorrangig um Musik und Bands, und Twitter mit seiner Beschränkung auf 140 Zeichen Text wurde zum Austausch von Links und Nachrichten genutzt. 2011 kam Google+ dazu, das Angebot konnte sich bisher aber nicht beim Massenpublikum etablieren. Instagram ist im Grunde ebenfalls ein Microblogging-Angebot, nur eben eines für Fotos. Auch Posterous und Tumblr gehören in die Gruppe der Micro-Blogging-Dienste, bieten aber deutlich mehr Platz und können im Grund auch als Blog genutzt werden.

Vor allem zwei Aspekte zeichnen diese Anbieter aus: Es sind Plattformen, auf denen die breite Masse unterwegs ist, so dass man hier schnell viele Follower – also Leser – gewinnen oder einen Großteil seiner Freunde und Bekannten finden kann. Auf der anderen Seite verliert man aber auch ein Stück seiner Unabhängigkeit, weil man seine Inhalte in die Hände anderer gibt: Mitmachen ist in der Regel mit einer Abtretung der eigenen Rechte verbunden.

Ganz im Unterschied zu selbst gehosteten Blogs, wo alle Inhalte im eigenen Besitz bleiben, und das, solange man es möchte. Microblogging-Anbieter wird es dagegen nicht immer geben – von MySpace spricht schon heute kein Mensch mehr.
Crosspost von warndorf, erschienen in einem Sommer-Special über Corporate Blogs. Ebenfalls aus dieser Reihe bei Carta: Besserwisser, Wichtigtuer und Paranoiker – was man vor fünf Jahren über Blogger dachte

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