#Altersdurchschnitt

Die alternde Union: EU-Politik und die Dominanz der Mittel-Alten

von , 23.4.13

In der ZEIT hieß es dieser Tage: “Demografie: Die schon wieder“. “Die“, das ist die Generation der Babyboomer. Geboren zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dominieren sie heute Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die 35-jährige Anita Blasberg sieht, wie die Babyboom-Generation immer älter wird und dabei das Leben all der anderen um sie herum gestaltet und mitbestimmt, weil diese Jahrgänge dank ihrer Geburtenstärke die Mehrheit sind, und zwar schon ihr ganzes Leben lang.

Das Problem: Sie, die gereiften Mittel-Alten werden uns Jüngeren auch noch auf Jahre hinweg erhalten bleiben, und sie werden unser Leben mehr gestalten als wir es selbst tun können. Der ZEIT-Artikel schaut zunächst nur auf Deutschland, wirft aber auch den Blick in Richtung Europa, wo gerade ein 87-jähriger als italienischer Präsident wiedergewählt wurde. Der ist zwar kein Babyboomer, aber doch das Zeichen dafür, dass eine alternde Gesellschaft auch auf das Alter seiner Führungskräfte ausstrahlt (was nicht heißt, dass es nicht auch schon früher alte Politiker gegeben hat).

Beim Blick auf die EU-Ebene zeichnet sich ein ganz ähnliches Bild: 2008 lag der Altersdurchschnitt bei den EU-Staats- und Regierungschefs bei 55, und nach meinen eigenen Berechnungen ist ein Mitglied des Europäischen Rates aktuell im Schnitt 53,9 Jahre alt – der Jüngste ist 39. Das Durchschnittsalter der Mitglieder der EU-Kommission liegt, ebenfalls nach meiner Berechnung, bei 57,1das jüngste Mitglied ist 43. Und nach Aussage dieses Artikels waren die EU-Parlamentarier 2012 im Durchschnitt 55 Jahre alt – nur Acht waren unter 30.

Nächstes Jahr sind Europawahlen, und ich vermute mal, dass jüngere Menschen wieder wenig aussichtsreiche Kandidatenplätze bekommen werden. Ich vermute auch, dass die EU-Mitgliedsstaaten überwiegend Babyboomer als Kandidaten für die neue EU-Kommission vorschlagen werden, die dann von Babyboomern im Europarlament bestätigt werden. Ausnahmen kommen vielleicht aus Mittel- und Osteuropa, wo es die alten Eliten nach Ende des kalten Krieges etwas schwerer hatten.

Und am Ende werden dann auch die wichtigsten EU-Führungspositionen – Kommissionspräsident/in, Präsident/in des Europäischen Rats, Präsident/in des Europäischen Parlaments und EU-Außenbeauftragte/r – wohl wieder an Menschen jenseits der 55 gehen, selbst wenn das mit 41 Jahren zweitjüngste Mitglied des Europäischen Rats dieser Tage dabei beobachtet wurde, wie er sich für einen dieser Posten in Position bringen wollte.

Und so werden wir wohl weiterhin EU-Politik sehen, die von im Schnitt 55-jährigen für im Schnitt 55-jährige gemacht wird. Dass Eurostat feststellt, die Jugendarbeitslosigkeit in der EU sei im Schnitt doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosigkeit, ist möglicherweise ein Zeichen dafür, dass die bestehenden Jobs und Arbeitsmarktpolitiken die gereiften Mittel-Alten bevorzugen.

Mehr noch: Die Technik hat sich in den letzten 20 Jahren in einer Geschwindigkeit entwickelt, die nur ein kleiner Teil dieser Generation verstanden hat. Die Tatsache, dass die älteste EU-Kommissarin – älter noch als alle Mitglieder des Europäischen Rats – für die Digitale Agenda der Europäischen Union zuständig ist, ist nur ein weiterer Indikator dafür, wo wir stehen. Nichts für ungut, Neelie Kroes. Sie sind immerhin inhaltlich eine Ausnahme von der Regel.
 
Übersetzung eines englischsprachigen Artikels auf ideas on europe von Ronny Patz.

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