#Frankfurter Rundschau

Der Tag, an dem ich aufhörte, die Frankfurter Rundschau ernstzunehmen

von , 16.10.09

Immer wenn man denkt, der Tiefpunkt bekennender Internet-Ignoranz  sei schon erreicht gewesen, z.B. hier, gibt es jemanden, der die Messlatte doch noch ein Stück tiefer legt. Diese Ehre gebührt dem Meinungsforscher Klaus Kocks, der gestern in der Frankfurter Rundschau in seiner Kolumne mit dem Titel Piraten, nein danke! das Web bezeichnet als “Universum unnützen Wissens, in dem niemand Geld verdient außer der Porno-Industrie, die uns listenreich mit ihrem Müll versorgt”.

Bar jeder Logik soll die Infomüllhalde zugleich aber auch “unser Leben verändert” haben. Ich weiß nicht, welche Webseiten Kocks vorwiegend ansteuert, vielleicht haben Schmuddelkram und Banalitäten im Netz sein Leben tatsächlich verändert. Meines aber nicht. Ich sehe ein Netz voller neuer Möglichkeiten und einen enormen Wissensschatz, den man anzapfen und bereichern kann. Dieses Netz hat mein Leben verändert und das einer Menge anderer Menschen ebenfalls. Herr Kocks sollte also lieber nicht von sich auf andere schließen.

Natürlich darf auch der obligatorische Keulenhieb auf die Piratenpartei nicht fehlen:

Im Netz, findet diese Google-Generation, gehört allen alles und jeder darf alles nutzen, eine Art elektronischer Ur-Kommunismus. Dass damit alle Schöpfer geistigen Eigentums mittellos werden, sollen wir hinnehmen. Und so klauen die Kids bei allen, die das nicht einsehen.

Es geht dann weiter mit dem Recht auf Privateigentum, dem Gartenzaun als Schutz gegen Adelswillkür und der Freibeuter-Romantik, die geradewegs in den Sozialismus führe. Und über allem steht natürlich wieder einmal die Behauptung, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, hier in die Metapher “Meer des Unrechts” gekleidet.

Auch wenn der Beitrag des Meinungsforschers als Meinungsbeitrag gekennzeichnet ist – gibt es denn keinen Punkt, an dem eine Redaktion sich querstellt und sagt, bis hierher und nicht weiter? Wenn wir diesen Text veröffentlichen, machen wir uns lächerlich? Offenbar nicht. Und deshalb ist heute der Tag, an dem ich aufhöre, die Frankfurter Rundschau ernstzunehmen.

Ulrike Langer hat diesen Text zuerst auf ihrem Blog Medial Digital gepostet. Wir crossposten ihn mit freundlicher Zustimmung der Autorin.

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