#Abu Ghraib

Der Präsident hat immer Recht

von , 24.5.09


Richard Nixon kam das Angebot zu dem zweitägigen Interview durchaus gelegen – allerdings nicht nur wegen der von Frost versprochenen Gage von 600 000 US-Dollar. Vor allem sah er in Frost lediglich ein journalistisches Leichtgewicht, mit dessen Hilfe er, drei Jahre nach seinem Rücktritt, die lang ersehnte Absolution erlangen könnte. Der Schuss ging – wie auch in dem Kinodrama „Frost/Nixon“ (2008) zu sehen war – nach hinten los: Es gelang Frost, dem einst „mächtigsten Mann der Welt“ das Geständnis zu entlocken, den Watergate-Skandal vertuscht und das amerikanische Volk betrogen zu haben. Zugleich bestritt Nixon jedoch, für sein kriminelles Handeln haftbar gemacht werden zu können: „Nun, wenn der Präsident es tut, dann bedeutet dies, dass es nicht illegal ist.“ Mit anderen Worten: Der Präsident hat immer Recht.

Gut 30 Jahre nach dieser medialen Demontage rechtfertigte die ehemalige US-Außenministerin Condoleezza Rice vor laufender Kamera die Anwendung „optimierter Verhörmethoden“ und offenbarte dabei dasselbe Rechtsverständnis wie einst Richard Nixon. Abgespielt hat sich dies, als die Stanford University „ihrer“ beurlaubten Professorin Anfang Mai einen herzlichen Empfang bereitete.

Die feierliche Stimmung wurde jedoch gestört, als drei Studierende Rice während eines Campus-Rundgangs überraschend ins Kreuzverhör nahmen – und dies mit der Digitalkamera festhielten. Angesprochen auf die Menschenrechtsverletzungen in Abu Ghraib und Guantánamo, bestritt Rice energisch, dass es sich bei dem sogenannten Waterboarding um Folter handele. Schließlich habe Präsident Bush angeordnet, „nichts zu unternehmen, was gegen die UN-Antifolterkonvention verstößt.“ Daher, rechtfertigte Rice sich wie vormals Nixon, „ist es also per Definition so, dass eine Anordnung, die vom Präsidenten kam, gar nicht gegen die Antifolterkonvention verstoßen konnte.“ Die Studenten sollten, zischte sie, gefälligst ihre Hausaufgaben machen. Die derart Angegangenen reagierten, indem sie den siebenminütigen Mitschnitt bei YouTube hochluden.

Der gelungene Überraschungs-Coup offenbart dabei nicht nur das skandalöse Demokratieverständnis der Bush-Regierung. Zudem veranschaulicht er exemplarisch den tiefgreifenden Medienwandel der letzten Jahre: Der Underdog David Frost setzte alles auf eine Karte, um knapp 30 Stunden lang mit Nixon um ein Geständnis zu ringen. Den jungen Bürgerjournalisten genügten hingegen die einfachen Mittel des Web 2.0, um die Bush-Getreue Rice vor aller Welt bloßzustellen.

abowandDieser Text ist eine gekürzte Fassung eines Artikels für die “Blätter für deutsche und internationale Politik“, Ausgabe 6/2009. Ein Probeabonnement der “Blätter” können Sie hier bestellen.

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