von Jürgen Drommert, 30.8.13
Das öffentliche Interesse ist schon eine schnurrige Veranstaltung. Debatten über brisante Themen wie die “Aufhebung der Leistungsbegrenzung für Druckluftwaffen”, ein “‘Einheitlicher’ Adler als Logo im Reisepass” oder die Zulassung von “Feuerwerk auch zum Tag der Deutschen Einheit” sind offenbar von öffentlichem Interesse. Eine Auseinandersetzung mit der Verletzung von Grundrechten nicht.
Jedenfalls hat der Petitionsausschuss des Bundestags die Veröffentlichung einer Petition verweigert, die Katharina Nocun von der Piratenpartei eingereicht hatte. Das Ansinnen, um das es in dieser Petition geht, ist aus Kompatibilitätsgründen in lupenreiner Bürokratenprosa formuliert, obwohl Frau Nocun ansonsten einen erfrischend lebendigen Stil bevorzugt:
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, die Bundesregierung aufzufordern, bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen Großbritannien einzureichen wegen Verletzung des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre und der Korrespondenz durch Abfangen, Speichern und Überwachen des weltweiten Telekommunikations- und Internet-Datenverkehrs (‘Tempora-Programm’).
Es folgen Erläuterungen zum Tempora-Programm und der Hinweis, dass das Europäische Parlament “das wahllose und dauerhafte Abfangen jedweder Kommunikation” als “vollkommen unverhältnismäßig und deshalb mit der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar” befunden hat.
Selbst wer die vergangenen Monate unter einem Stein zugebracht, wer noch nie von Edward Snowden und seinen Enthüllungen gehört hat, versteht auf Anhieb, was hier gefordert wird, und warum. Der Petitionsausschuss versteht es nicht.
In seinem Ablehnungsbescheid lässt er Katharina Nocun wissen, dass für eine Veröffentlichung “die Darstellung des Anliegens hinreichend konkret, für unbefangene Dritte klar und verständlich sowie von einer entsprechenden Begründung getragen” zu sein habe. Falls der Petitionsausschuss in diesen Punkten tatsächlich Schwierigkeiten haben sollte, ließe sich durchaus über einen Alphabetisierungskurs für seine Mitglieder nachdenken.
Möglicherweise hapert es aber an einer anderen Stelle, denn für die Veröffentlichung einer Petition, ließ man Katharina Nocun wissen, sei es “erforderlich, dass das Anliegen eine lebhafte, aber auch sachliche Diskussion erwarten lässt”.
Jetzt ließen sich natürlich Überlegungen anstellen, wo der Petitionsausschuss Defizite der Diskussion vorausahnt: bei der Lebhaftigkeit oder der Sachlichkeit. Dass in den vergangenen Wochen das Thema Totalüberwachung mit einiger Lebendigkeit diskutiert wurde, und das sogar ohne Zutun des Petitionsausschusses, dürfte diesem nicht verborgen geblieben sein. Bei Fragen zur Sache sieht es allerdings anders aus: Da hat die Bundesregierung geblockt, geschwiegen, geschwurbelt – und zuletzt den Skandal kurzerhand für beendet erklärt.
Und dabei möchte es offenbar der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags auch bewenden lassen. Nur nicht dran rühren, sonst geht es tatsächlich noch mal zur Sache, so die Befürchtung. Ob dieser Ausschuss, Bundeskanzlerin, Bundesinnenminister oder Kanzleramtschef – beim politischen Personal scheint sich ein Missverständnis eingeschlichen zu haben. Denn Politiker können Autobahnteilabschnitte oder Gesamtschulen für eröffnet, aber Skandale nicht für beendet erklären. Und es wird ihnen auch dann nicht gelingen, wenn sie das in Artikel 17 des Grundgesetzes garantierte Petitionsrecht zu unterlaufen versuchen.