#Abgabensenkung

Der Klientelismus der Konjunkturprogramme: Yes, we pay

von , 12.1.09

Wenn Angela Merkel eine starke Kanzlerin wäre, hätte sie im November einfach folgendes getan: Sie hätte ihre Regierung  darauf eingeschworen, die Bürger in der Konjunkturkrise “umverteilungsneutral” zu entlasten. Das ist ein kruder Begriff, aber ein simples Prinzip: Alle Bürger sollen proportional gleich entlastet werden. In der Konjunkturkrise sollen keine Klassenkämpfe inszeniert werden.

Genau ein solches Umverteilungsgerassel war aber in den letzten Tagen zu vernehmen: Beim ganzen Gezerre um Abgaben und/oder Steuersenkungen zwischen Union und SPD geht es im Kern nur um die Frage, welche Bevölkerungs- (oder sagen wir gleich: Wähler-) Segmente besonders stark entlastet werden sollen. Das Konjunkturpaket wird zur schlecht getarnten Waffe für den Bundestagswahlkampf. Es werden schon mal strategisch Geschenke verteilt.

Die SPD ist dabei die große Lieberhaberin der Abgabensenkungen: Sie zielt damit ins Zentrum ihres neu umrissenen Klientels aus Kleinverdienern und abwanderungsgefährdeten Linkspartei-Sympathisanten. Die Abgabenlast ist bei kleinen Einkommen besonders hoch. Und: Rentner zahlen Abgaben, aber kaum Einkommenssteuer.

Das Schlüsselinstrument der Abgabenentlastung á la SPD ist dabei die Senkung des Krankenkassenbeitrags. Die SPD schlägt vor, den Zuschuss des Bundeshaushalts an den Gesundheitsfonds von 4 auf 14 Mrd. zu erhöhen. Damit sollen allein die Arbeitnehmerbeiträge gesenkt werden – von 8,2 auf 7,3 Prozent. Damit wäre zugleich das Prinzip wiederhergestellt, wonach Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen in die Krankenkasse einzahlen. So werden in der Konjunkturkrise hübsch mal eben die Systematiken der Sozialversicherung umgestellt.

Dass die SPD “vergisst”, die Konjunkturmaßnahme in Sachen Krankenversicherung zu befristen – muss man darauf überhaupt noch hinweisen? Allein die SPD-Vorschläge zur Erhöhung der Zuschüsse zum Gesundheitsfonds kosten bis 2014 38,5 Mrd. Euro.

Für die Harz VI-Empfänger hat die SPD noch eine Erhöhung der Kinderleistungen im Köcher. Für jedes Kind soll es 35 Euro mehr pro Monat geben. Auch die einmalige Sonderzahlung in Höhe von 200 Euro Kindergeld zielt auf die Bezieher kleiner Einkommen.

Kurzfristig  hat sich die SPD nun doch darauf eingelassen, über die Steuern zu reden. Eine von der CSU vorgeschlagene Erhöhung des Grundfreibetrages möchte sie mittragen – aber nur, wenn auch der Eingangssteuersatz gesenkt und die Reichensteuer spürbar erhöht wird. Letztere beiden Dinge werden nicht passieren.  Es handelt sich um rein wahltaktische Manöver Richtung Linkspartei.

Die CDU hingegen bevorzugt aus den gleichen taktischen Erwägungen heraus wie die SPD die anderen Mittel: Steuersenkungen. Sie will den “Mittelstandsbauch” abbauen – so jenen Buckel in der Steuerprogression, der die mittleren Einkommen stark belastet. Ihre  Bauchweg-Appelle zielen vor allem auf den Rückhalt in den westdeutschen und insbesondere bayrischen Mittelstandsweiten – ohne die die Union keine Bundestagswahl mehr gewinnen kann.

Dabei will auch die Merkel-CDU nicht kaltherzig dastehen. Sie will daher auch kleinere Einkommen durch einen höheren Grundfreibetrag von 7.664 auf 8,004 Euro pro Jahr entlasten. Auch die Union setzt auf Abgabensenkungen. So will sie  dem Gesundheitsfonds 7,5 Mrd. mehr Bundeszuschüsse gönnen und damit den Beitragssatz  auf 14,8 Prozent (SPD: 14,6 Prozent) senken. Auch die CDU braucht die 17 Mio. Rentner hierzulande als Wähler. Die Interessen der 8,6 Mio. Privatversicherten stören bei der “Wir sind die Mitte”-Inszenierung der Merkel-Union derzeit offenbar eben.

Das Drehen der Koalition an der Beitragsschraube der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hohn: Erst versäumt es die Regierung, die öffentliche Krankenversicherung effizienter zu machen. Und bezeichnet es als nun “Konjunkturmaßnahme”, mit Hilfe von 8 oder 10 Mrd. Euro den Beitragssatz auf das Niveau von vor vier Jahren zu senken. Der Gesundheitsfonds zeigt sich schneller als das, was er allein ist: Ein gigantischer Topf, um möglichst leicht die gesetzliche Krankenversicherung aus dem Bundeshaushalt zu bezuschussen.

Im Dunst des krisenschwangeren Vorwahlkampfs bestellen die Großparteien schon mal ihr Terrain. Überzeugendes Regieren sieht anders aus. Dabei gäbe es effiziente Mittel, die Bürger schnell, gleichmäßig und ohne Systemumstellungen zu entlasten: Die Senkung von Mehrwertsteuer und Solidaritätszuschlag, zum Beispiel.

In diesen Tagen Anfang Januar wird erneut sehr deutlich, dass es in der Politik um Machterhalt und nicht ums Allgemeinwohl geht. Der Klientelismus der Konjunkturprogramme zeigt, wie SPD und CDU ihre Mehrheiten organisieren wollen:

Die SPD gerät unter dem Druck der Linkspartei immer stärker zur Geringverdiener-Partei. Sie lässt sich zum aussichtslosen Kampf um die ostdeutschen Abstiegsmilieus verleiten. Dieser Anspruch bleibt weitgehend unbemerkt, weil der Frank-Walter Steinmeier nicht abzunehmen ist.

Die CDU setzt auf eine sozialverträgliche Mischung aus Mittelstandsbauch und neuer Mitte, die die Ideologiefestigkeit ihrer Spitzenkandidatin Angela Merkel nicht überfordert.

Begeistern kann dies alles nicht. Den ideologisch entleerten, ideenlosen Parteien bleibt derzeit nur, ihre Wähler als Abgaben- und Steuerbürger anzusprechen: Yes, we pay.

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