#Atomstrom

Der Geheimvereinbarung mit den Energiekonzernen – Chronologie einer Veröffentlichung

von , 13.9.10

Sonntag, 05. September 2010

Ab 14 Uhr wird im Bundeskanzleramt über das neue Energiekonzept verhandelt. Es wird nicht veröffentlicht, wer zu welchem Zeitpunkt an den Gesprächen teilnimmt. Erst in der Nacht wird ein Ergebnis erreicht.

Montag, 06. September 2010

Vormittags wird das neue Energiekonzept der Bundesregierung vorgestellt. Die schriftliche Vereinbarung mit den Energiekonzernen wird nicht erwähnt. Merkel beschränkt sich in ihrem Statement: „Es ist auch sehr gut, dass die Elektrizitätsversorgungsunternehmen ihrer Verantwortung gerecht werden und von den Gewinnen, die aus der Laufzeitverlängerung erwachsen, einen substantiellen Beitrag in einen Fonds einspeisen, der dann für die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen wird.“

Dienstag, 07. September 2010

Foto: Carta / Illustration im Foyer der Böll-Stiftung

In einer Veranstaltung in München fragt Tobias Münchmeyer von Greenpeace den RWE-Vorstand Schmitz, wer denn garantiere, dass die Konzerne wirklich ihre Zusatzgewinne aus längeren Atomlaufzeiten abgeben. Dieser verweist auf die Vereinbarung mit der Bundesregierung, die in der Nacht von Sonntag auf Montag um 5.23 Uhr paragraphiert worden sei. Damit wird erstmals öffentlich, dass es eine schriftliche Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Energiekonzernen gibt.

Ohne Not ist die Bundesregierung also eine schriftliche Verpflichtung eingegangen – gegenüber normalen Bürgern wird dies über Steuern und Abgaben geregelt.

Mittwoch, 08. September 2010

Am nächsten Tag ist es allein die Financial Times Deutschland, die von dieser Äußerung berichtet und die ominöse Vereinbarung als „Geheimvertrag“ bezeichnet. Im Verlauf des Tages wird die Nachricht online kaum von anderen Medien aufgegriffen; vielleicht bemüht sich jeder, an das Papier zu kommen.

Donnerstag, 09. September 2010

Dies gelingt der Financial Times Deutschland und der Süddeutschen Zeitung, die am Donnerstag darüber berichten, beide mit recht positiven Tenor: „Bund schöpft höhere Atomstrompreise ab“ (FTD) bzw. „Höhere Lasten für Atomkonzerne“ (SZ). Jetzt läuft die Medienmaschine an und mehr Journalisten fragen nach.

Transparency Deutschland stellt am Morgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz einen Antrag auf Akteneinsicht in die Geheimvereinbarung, die Teilnehmerliste der Gespräche von Sonntag und in das Protokoll der Teile der Sitzung, an der Externe beteiligt waren [Disclaimer: Der Autor ist Geschäftsführer von Transparency Deutschland].

Gleichzeitig ist die Vorankündigung der Monitor-Sendung im Umlauf, wonach Monitor Dokumente vorlägen, die zeigten, dass entscheidene Massnahmen für Sicherheit bei AKWs verschoben oder als nachrangig eingestuft würden.

Nachmittags kündigt Regierungssprecher Seibert an, der Vertrag werde selbstverständlich veröffentlicht. Sofern keine Geschäftsgeheimnisse betroffen sind, schränkt Unionsfraktionschef Kauder ein. Es ist schleierhaft, wie man in der Abwägung zwischen Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutzbedürftnis des Geschäftsgeheimnisses in dieser wichtigen politischen Frage die Möglichkeit einer Einschränkung in Betracht ziehen kann. Davon abgesehen hätte man sich ohne die unselige Vertragsgestaltung erst gar nicht in diese Abwägungsnotwendigkeit hineinmanövriert.

Am Abend wird die Vereinbarung online gestellt. Das eingescannte Dokument, 5 Seiten Vereinbarung und 5 Seiten Anlagen, hat den schönen Dokumentennamen „2010-09-09-foerderfondsvertrag,property=publicationFile“. Die entsprechende Website der Bundesregierung ist mit „Eckpunktevereinbarung mit den Energieversorgungsunternehmen“ überschrieben. Der pdf-Dokument selbst heißt „Förderfondsvertrag“. Es bleibt der Eindruck, man könne sich nicht einigen, ob es sich um einen Vertrag oder doch „nur“ um eine Eckpunktevereinbarung handelt.

In der Sendung um 21.45 Uhr sendet Monitor den Beitrag „Etikettenschwindel Laufzeitverlängerung – Weniger Sicherheit für Altreaktoren“.

Freitag, 10. September 2010

Fast alle großen Medien berichten über den Förderfondsvertrag respektive die Eckpunktevereinbarung. Die Süddeutsche Zeitung hat inzwischen wohl auch das Dokument, über das Monitor am Vorabend berichtet hat, was nun zu der Bewertung führt: „Bund verschont Stromkonzerne“.

Regierungssprecher Steffen Seibert sagt in der Bundespressekonferenz: „Sie [Die Bundesregierung] legt […] alles offen, was die Bürger wissen wollen zu diesem Konzept. Transparenz war immer unsere Absicht und Transparenz wird auch weiterhin unsere Devise in dieser Sache sein“.

Sonntag, 12. September 2010

Transparency Deutschland hat noch immer nicht die erbetene Eingangsbestätigung des Bundeskanzleramtes auf seinen Antrag erhalten.

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