#Freie Journalisten

“Der dritte Korb darf kein Maulkorb für Urheber werden”

von , 7.4.12

Der Dialog zwischen Urhebern und Netznutzern ist mit Vorurteilen gepflastert. „Contentmafia“ und „Raubkopierer“ sind noch die harmlosesten der gegenseitigen Beschimpfungen. Wie arrogant die Standpunkte bisweilen vorgetragen werden, bewies kürzlich ein Vertreter der Piratenpartei während eines informellen Treffens mit freien Journalisten in Berlin: “Ihr kippt euer Zeug in unser Netz” sagte er, und fügte hinzu, Urheber seien mit ihren Inhalten nur zu Gast im Internet und hätten sich zu fügen. Diese – in einer hitzigen Debatte gefallene – Äußerung darf man nicht überbewerten, sie zeigt aber den tief empfundenen Besitz-Anspruch, der bisweilen von Digital Natives gegenüber ‘Fremden’ (Digital Immigrants) an den Tag gelegt wird.

Um den Dialog zwischen den entfremdeten Gruppen in Gang zu bringen, veröffentlicht Carta in loser Reihenfolge Dokumente, die als Grundlage und Ausgangspunkt für einen Diskurs dienen können.

Heute dokumentieren wir das Positionspapier des Berufsverbands der freien Journalisten zur geplanten Urheberrechtsreform (dem so genannten Dritten Korb). Freischreiber e.V. vertritt etwa 500 hauptberuflich tätige freie Journalisten:

 

Das Freischreiber-Positionspapier zur Urheberrechtsreform

Die derzeit geplante Reform des Urheberrechts schmälert nach unserer Auffassung die Rechte der Urheber und ignoriert deren tatsächliche Probleme. Während die Ansprüche der Verwerter (Leistungsschutzrecht) und die Ansprüche der Nutzer (Ausweitung der Schrankenregelungen) ausführlich zur Sprache kommen, fallen die Interessen der Urheber bislang weitgehend unter den Tisch.

Um dieser Entwicklung zu begegnen, muss das Urheberpersönlichkeitsrecht in Teil 1, Abschnitt 4 des UrhG (§11-14) als Wesenskern des Urheberrechts wieder in den Mittelpunkt der Reformdebatten gerückt werden. Davon ausgehend definieren wir als Vertreter der freien Journalisten unsere Interessen wie folgt:

 

1. Unsere Interessen gegenüber den Verwertern

Durch den Versuch der Verwerter, sich in die Rolle der eigentlichen Urheber hineinzudrängen (siehe Heidelberger Appell, siehe Leistungsschutzrecht) ist es in der Debatte über einen vernünftigen Interessenausgleich zwischen Urhebern, Verwertern und Nutzern zu einem eklatanten Missverständnis gekommen. Denn die von den Verwertern behauptete Interessen-Identität von Urhebern und Verwertern gibt es nicht. Im Gegenteil, die Kluft zwischen Urheber- und Verwerter-Interessen ist gerade in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Beispielhaft zeigte sich dies an der Entwicklung des Urhebervertragsrechts und seiner praktischen Ausgestaltung (§31ff UrhG).

Immer öfter werden die Urheber heute mit „Rahmen-Verträgen“ konfrontiert, die ihnen nur noch die „Wahl“ lassen, entweder der Totalabtretung ihrer Rechte zuzustimmen oder jegliche Arbeitsmöglichkeit zu verlieren. Das Prinzip des freien Aushandelns von Nutzungsrechten und Vergütungen wurde durch einseitig diktierte „Verträge“ ausgehebelt, kollektive Vereinbarungen werden endlos verzögert und schließlich nicht eingehalten (siehe Vergütungsregeln, §36 UrhG).

Freischreiber e.V. fordert deshalb als dringendste Maßnahme eine Novellierung des Urhebervertragsrechts in Abschnitt 5 des UrhG (§28-44). Denn die im Jahr 2002 in Kraft getretene Reform hat nicht – wie beabsichtigt – zur Stärkung der Urheberposition beigetragen.

Wir fordern insbesondere klare Aussagen zur angemessenen Beteiligung der Urheber an den Erlösen aus sämtlichen Verwertungsarten („Jede Nutzung eines Textes muss honoriert werden“). Wir fordern eine Informationspflicht der Verwerter gegenüber den Urhebern über alle tatsächlich erfolgten Werknutzungen. Wir fordern die Pflicht der Verwerter, bei Nutzungen durch Dritte das Einverständnis der Urheber einzuholen, und wir verlangen eine Begrenzung der Nutzungsdauer.

Um das gegenwärtige Urhebervertragsrecht aus seiner Wirkungslosigkeit zu befreien, fordern wir darüber hinaus die Festlegung einer angemessenen Frist für den Abschluss gemeinsamer Vergütungsregeln (§36 UrhG), einen zeitnahen und zwingenden Schlichtungsprozess nach Fristüberschreitung sowie die Möglichkeit der Verbandsklage bei Nichteinhaltung der gemeinsamen Vergütungsregeln. Ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage lehnen wir ab, da insbesondere die freien Journalisten durch ein derartiges Recht unzumutbar in ihren Urheberrechten beschnitten werden. Erste Rahmenverträge fordern die Urheber bereits auf, auch sämtliche Leistungsschutzrechte an die Verwerter abzutreten.

 

2. Unsere Interessen gegenüber den Nutzern

Nicht nur die Verwerter, auch die Nutzer wollen das Urheberrecht zu ihren Gunsten verändern (Stichwort: „Die Interessen der Allgemeinheit am unbeschränkten Zugang zu Informationen sind höher zu bewerten als das Recht der einzelnen Schöpfer an ihrem geistigen Eigentum“). Die Organisationen der Nutzer fordern vor allem eine Ausweitung der Schrankenregelungen im Urheberrecht, also jener Bereiche, die Nutzungen auch ohne Zustimmung der Urheber bzw. ohne Vergütung der Urheber ermöglichen sollen (Stichworte: Privatkopie, Remix-Kultur).

Nutzer-Vertreter behaupten, nur durch größtmögliche Freiheit im Umgang mit den Werken anderer könne sich die Gesellschaft geistig entfalten und werde in ihrer Entwicklung nicht unzumutbar durch antiquierte Vorstellungen von geistigem Eigentum gebremst.

In der Praxis hat diese Haltung dazu geführt, dass massenhafte Urheberrechtsverletzungen und eine weit verbreitete Kostenlos-Mentalität die Geschäftsmodelle nicht nur mancher Verwerter gefährdeten, sondern auch die Existenzgrundlage vieler selbstständiger Urheber, da diese weder bei den Verwertern noch bei den Nutzern eine angemessene Honorierung ihrer Arbeit erzielen können.

Freischreiber e.V. fordert deshalb, in Abschnitt 6 des UrhG (§44a-63a) die Ermöglichung der nicht-gewerblichen Privatkopie an die Einführung einer pauschalen Urheber-Abgabe zu binden. Die Erhebung und Verteilung einer solchen Abgabe muss unabhängig, nachvollziehbar, transparent und gesellschaftlich gerecht gestaltet werden. Eine Urheber-Abgabe würde Millionen von Abmahnungen überflüssig machen, die massenhafte Kriminalisierung von Jugendlichen vermeiden und den Urhebern den erforderlichen Ausgleich in Form einer gesellschaftlichen Tantieme eröffnen.

So genannte transformative Werknutzungen (Remix, Mashup, Appropriation Art, Plagiate) lehnen wir ab, insbesondere, wenn sie zu Gewinnerzielungszwecken bzw. auf Kosten anderer vorgenommen werden. Einer Verkürzung der Schutzfristen in Abschnitt 7 des UrhG (§64-69) zugunsten einer rascheren Gemeinfreiheit stimmen wir dagegen zu, sofern ein Ausgleich an anderer Stelle erreicht werden kann.

 

3. Fazit

Die bisherige Debatte zur Reform des Urheberrechts ist unzureichend, weil sie die Interessen der eigentlichen Urheber größtenteils unberücksichtigt lässt.“

 

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