von Peter Piksa, 4.2.13
Deutschland macht jetzt also in Energiewende. Doch was versteht man in der Zivilgesellschaft eigentlich unter “Energiewende machen” – genau das fragte ich auf Twitter und bekam zahlreiche Antworten.
Bitte spontane Antworten! Was bedeutet für Euch “Energiewende”? (Eure Antworten dienen mir für einen Blogeintrag.)
— Peter Piksa (@peterpiksa) 2. Februar 2013
Nun fragte ich nicht, ohne eine bestimmte Absicht zu verfolgen. Im Bewusstsein der Zivilgesellschaft scheint mir eine aus meiner Sicht entscheidend wichtige Zielfunktion der Energiewende bislang viel zu gering wahrgenommen zu werden:
die Demokratisierung der Energieerzeugung.
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Misstraue Autoritäten …
Zurzeit sitzen wir in Deutschland auf einem aus vier Konzernen bestehenden Oligopol in der Erzeugung unserer elektrischen Energie. Vattenfall, RWE, EnBW und e.on teilen sich nicht bloß untereinander den Deutschlandkuchen auf, sie selbst sorgen beispielsweise durch Preisabsprachen dafür, dass der Kuchen appetitlich groß bleibt.
Ich vertraue solchen von reiner Profitmaximierung angetriebenen Unternehmen nicht. Keinen Meter. Und ich schreibe dem Ausspruch, dass Macht korrumpiert, einen hohen Wahrheitsgehalt zu. Dieses Energieoligopol verfügt über große Macht: 82 Millionen Bundesbürger mitsamt ihrer Wirtschaft hängen von ihm ab. Welchen Anreiz für marktwirtschaftlichen Wettbewerb hat man denn als Oligopolist, wenn man sich gewiss wähnt, dass die übrigen Oligopolisten ebenfalls davon profitieren, wenn sie sich untereinander keinen Wettbewerb machen, und so die Strompreise angenehm hoch halten können? Eben: keinen! Läuft doch.
Obgleich die Macht der Energieoligopolisten allmählich zu bröckeln beginnt, sitzen sie noch immer auf einer Position, die zum Missbrauch ihrer Macht einlädt. Dieser Umstand verleiht ihnen Autorität. Autorität gegenüber den Verbrauchern. Autorität gegenüber den Wettbewerbshütern. Autorität gegenüber Ministerien, in denen sie inzwischen sogar Personen installiert haben, die ehemals bei den Energieerzeugern selbst angeheuert waren bzw. inoffiziell noch immer sind, und dort im Sinn ihrer Auftraggeber wirken. “Drehtürprinzip“, Sie hörten vielleicht schon davon.
…fördere Dezentralisierung
Was wäre die Energiewende wert, wenn Energie eines Tages wirklich 100% regenerativ wäre, die Machtverhältnisse jedoch unverändert blieben; wenn die alten Herren der Energieerzeugung auch die neuen Herren der Energieerzeugung würden? Sie wäre dann zwar erneuerbar, aber das wär’s auch schon. Keines der gegenwärtigen Probleme wäre gelöst. 82 Millionen Bundesbürger wären den großen Vier noch immer Knecht. Nur eben ohne Kohle und Atom.
Erneuerbar erzeugte Energie kann günstiger als konventionell erzeugte hergestellt werden. Eines der großen Versprechen der Energiewende, nämlich, dass mittelfristig die Strompreise sinken, basiert auf diesem Umstand. Doch sollte eines Tages der Großteil aller Windräder, Wasser- und Photovoltaikkraftwerke in den Händen der Oligopolisten liegen, würden diese schon aufgrund ihrer seit Jahrzehnten einstudierten Choreographie aus Preisabsprachen und Korruption weiter zu den Tönen fortgeführten Marktversagens tanzen, wie bisher.
Die deutsche Zivilgesellschaft steht gerade vor einer Gabelung, wie sie sie noch nie zuvor gesehen hat. Bitte rechts abbiegen, wenn Sie es bequem haben wollen und den Wettlauf um die erneuerbaren Erzeugungskapazitäten den Oligopolisten überlassen wollen. Rechts herum zu gehen, wird Ihnen keinerlei Anstrengung abverlangen. Doch das wird seinen Preis haben: Fortgeführte Knechtschaft, bis vielleicht eines Tages erneut die Möglichkeit offen steht, die Mittel der Energieerzeugung neu zu verteilen und das Oligopol zu durchbrechen. Nur: wann soll dieser Tag kommen?
Bitte links abbiegen, wenn Sie die Karten neu verteilt sehen wollen; wenn Sie Kommunen sehen wollen, die eigene regenerative Kraftwerke betreiben und echten Wettbewerb überhaupt erst möglich machen. Wenn Genossenschaften und auch einzelne Vermögende um die Gunst des Kunden werben, und pure Gewinnerwartung nicht immer zum Leitmotiv allen Handelns wird. Bitte links abbiegen, wenn Sie – wie ich – an die Demokratisierung der Energieerzeugung und die dafür notwendige Dezentralisierung glauben. Biegen Sie links ab, wenn Sie nicht länger Knecht, sondern Souverän sein wollen.
Zurück zu meiner Eingangsfrage
Einige, das lässt sich an den Antworten ablesen, haben das mit der Demokratisierung bereits verstanden. Für den überwiegenden Großteil jedoch bedeutet Energiewende bloß Ausstieg aus der Kernkraft und weg von den Fossilen. Ich müsste zufrieden sein, begegnen mir doch auch heute noch vereinzelt Menschen, die das mit dem Atom noch immer dufte finden. Bin ich aber nicht. Nicht, solange in der Zivilgesellschaft nicht klar geworden ist, dass es links abzubiegen gilt. Nicht, solange ich fürchten muss, dass man sich mit einem steigendem Anteil der Erneuerbaren in Deutschland offenbar bereits zufrieden gibt. Nicht, solange Deutschlands Zivilgesellschaft sich in selbstverschuldeter Knechtschaft einzurichten gewillt ist, solange nur die Sitzbezüge angenehm weich sind.
Was wir alle noch *viel* stärker ins Bewusstsein der Menschen rücken müssen, ist das Konzept “Demokratisierung der Energieerzeugung”.
— Peter Piksa (@peterpiksa) 2. Februar 2013
Aus diesen Gründen werbe ich für ein vollständiges Verständnis dieser Energiewende, und ich wünsche mir, dass jeder, der ebenfalls daran glaubt, hilft, diese Idee bekannt zu machen. Die Karten werden bereits neu verteilt. Neue Mitspieler sind am Tisch noch zugelassen. Sorgt dafür, dass die freien Plätze von den richtigen Menschen belegt werden. Ich will nicht gezwungen sein, eines Tages rechts abbiegen zu müssen.
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