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Das Unbehagen über den Verfassungsschutz kann kaum noch wachsen

von , 3.7.12

Zu den jüngsten Vorgängen beim Verfassungsschutz sind bei ZEIT online eine Reihe informativer Berichte erschienen, der letzte heute Morgen, betitelt “Das Unbehagen über den Verfassungsschutz wächst“. Den meisten Bundesbürgern ist der Gedanke an eine Behörde ohnehin schon unbehaglich, die nach Gutdünken schalten und walten kann, ohne dass sie einer nachvollziehbaren Kontrolle unterliegt. Wie würden sie sich erst fühlen, wenn sie abseits von Drehbuchfantasien weitere Einblicke erhielten? Ein kleines Stückchen eines solchen Szenarios wird gerade sichtbar.

Das liegt nicht nur an der verbreiteten Sehschwäche, sondern ist in der Verfassung der Sicherheitsbehörden in Deutschland begründet: Das Bundesamt für Verfassungsschutz, das BKA wie auch die Polizeibehörden unterstehen dem Bundesministerium des Innern, die jeweiligen Landesämter für Verfassungsschutz bzw. die Landespolizeibehörden den Innenministern der Bundesländer. Es gibt also die Bundesbehörde und jeweils 16 – damit insgesamt 32 – Landesbehörden. Dazu kommen noch einmal 15* Landeskriminalämter und die Bundespolizei (* das LKA Brandenburg gehört zum dortigen Polizeipräsidium). Ein Masterplan für die größtmögliche Verwirrung.

Alle sind zuständig – nur wofür?

Gut, das kann man so nicht sagen, denn wir haben ja das Trennungsgebot, das die Zuständigkeiten ganz klar regelt. Und selbst, falls einmal ein unangenehmes Versehen oder ein Interessenkonflikt vorkommen, es gibt ja immer noch Kontrollgremien. Für den Verfassungsschutz ist das der Parlamentarische Kontrollausschuss. Dessen Möglichkeiten sind allerdings so schwammig formuliert und eingeschränkt, dass seine Untersuchungen meist in Kompetenzstreitereien statt mit Aufklärung enden. Eine Pflicht zur Information der Öffentlichkeit besteht ebenfalls nicht. Das trübe Süppchen köchelt im Verborgenen.

Was das Trennungsgebot angeht: Es besteht zu einem großen Teil aus Kann-Bestimmungen. In Einrichtungen wie dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum – wo weitere Einsatzkräfte hinzukommen – oder dem Cyberabwehrzentrum arbeiten Angehörige der verschiedenen Dienste und Behörden zusammen. Wer Kollegen hat, weiß, dass sich Gespräche in der Teeküche hoher Beliebtheit erfreuen.

Dennoch ist der Austausch wichtiger Informationen auf wenige Dienststellen beschränkt und findet überwiegend halb privat statt. Denn in den Behörden herrscht bereits zwischen den verschiedenen Abteilungen Konkurrenzdenken – die Spinnefeindschaft zwischen den unterschiedlichen Behörden ist legendär und ausnahmsweise keine Erfindung von Drehbuchautoren. Die vielen Ämter sind Teil des Problems: Nicht nur sind die Kompetenzen eher nominell als tatsächlich festgelegt, vor allem möchte jeder Erfolge für sich und die eigene Dienststelle verbuchen. Einigkeit besteht nur beim Vertuschen von Misserfolgen und Ausgrenzen sogenannter Nestbeschmutzer. Operative Ergebnisse scheinen da eher unwichtig und darüber hinaus: unwahrscheinlich.

In verfassungsrechtlich relevanten Fällen sind Polizei, Kriminalämter und/oder Verfassungsschutz zumeist der Reihe nach zuständig. Die zur Zeit geläufige Version, der sächsische Verfassungsschutz habe sich darauf verlassen, die Thüringer Kollegen würden sich schon kümmern, ist eine Variante, wie man unklare Zuständigkeiten für die eigene Untätigkeit ausnutzen kann. Ebenso glaubhaft wäre die Ausrede, man habe nichts getan, weil die Polizei nicht – oder das LKA – Am Ende sind immer der Präsident oder der Minister schuld.

Wenn sich Behörden und Ämter schon über nahe liegende Ländergrenzen hinweg nicht verständigen können, ist es verwunderlich, dass überhaupt Fälle aufgeklärt werden. Diesen amtlichen Dschungel kann man nur als Dornröschenwirtschaft bezeichnen. Sie muss endlich gründlich ausgehackt und neu gestaltet werden.

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