#Geschäftsmodell

Das Kindle als Kuckucksei

von , 11.5.09


Viele Verleger verstärken derzeit die Anstrengungen, Zeitungen auf ein elektronisches Lesegerät zu beamen. Mit einem solchen Gerät (einem Kindle oder Smartphone) verbinden sie die Chance, ihr Abo-Modell im Netz zu etablieren.

Doch möglicherweise laufen sie damit in eine Falle.

Denn kein ordentlicher Pirat wird sich die Mühe machen, eine Papierzeitung zu scannen und ins Netz zu stellen. Aber wenn die Verlage diesen Arbeitsschritt netterweise selbst übernehmen, lohnt sich eine Raubkopie schon eher (Piraten sind ja – wie wir alle – kostenbewusste Schnäppchenjäger). Also: Nicht analog konkurriert künftig mit digital, sondern digital konkurriert mit digital.

Nicht das gedruckte Buch wird mit dem E-Book konkurrieren, sondern das legale E-Book mit dem illegalen. Nicht das gedruckte Abo wird künftig mit dem Online-Abo konkurrieren, sondern das legale Online-Abo mit dem illegalen.

Mittlerweile kostet das gedruckte Jahres-Abo der Süddeutschen Zeitung fast 500 Euro (womit die Grenze des Zumutbaren für viele erreicht ist). Auf dem Lesegerät kostet das SZ-Jahres-Abo vielleicht ein Fünftel. Das Abo aus der Piratenbucht kostet gar nichts.

Doch: Es kostet einen winzigen Teil jener Flatrate, die an den Provider für den Internetzugang bezahlt werden muss. Es kostet ein bisschen Strom, ein bisschen Betriebssystem und einen winzigen Teil der Geräte, die man fürs Downloaden benötigt.

Das heißt: Das Geld, das die Schnäppchenjäger für ihre Online-Zeitung ausgeben müssen, fließt nicht an die Süddeutsche (und Amazon), sondern an die Telekom, an E.ON, an Dell und an Microsoft. Oder an Vodafone, Apple und die Stadtwerke. Und die erhofften Werbeanzeigen werden wohl auch nicht an die Süddeutsche gehen, sondern an Suchmaschinen und Netz-Community-Betreiber, die ohne störenden Journalismus viel besser zueinander finden.

Es könnte also sein, dass die Zeitungsverlage schon bald den Telekommunikations-, den Strom- und den Computerkonzernen gehören.

An denen kommen auch Schnäppchenjäger nicht so einfach vorbei.

Lesen Sie hierzu auch den Text von Matthias Schwenk: “Paid Content bei der New York Times: Der Times Reader 2.0”

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