#Andreas Voßkuhle

„C’est la vie!“ Alltag in der Polit-Bäckerei

von , 27.4.13

Es war einmal ein Bäcker, der eines Tages sein frisches Brot aus dem Ofen nahm, es ins Regal legte und ein Schild mit der Aufschrift „Sesambrot“ dazu stellte. Kurz darauf kam ein Mann von der Lebensmittelkontrolle, ließ sich das Brot geben, schaute es von oben und unten an und legte schon dabei seine Stirn in Falten. Als er es jedoch aufschnitt, dabei „Sesam öffne Dich!“ murmelte, ein kleines Stück abschnitt und dieses aß, sagte er zum Bäcker: „Junger Mann“, das war aber nur seine Art von Humor, jung war der Bäcker nicht mehr. „Junger Mann“, sagte er also, „das ist kein Sesambrot, denn es ist kein Sesam darin.“

Der Bäcker schaute ertappt, weil ihm das schon ein paar Mal passiert war. Aber der Lebensmittelkontrolleur war ein weiser Mann, viel herumgekommen, und hatte sich ein baden-württembergisches Gemüt zugelegt. Er befahl dem Bäcker eine Extra-Runde Kehrwoche: „Das Brot musst Du noch mal backen. Aber diesmal richtig.“ Am liebsten hätte er, leicht genervt, noch gesagt: „Sonst mache ich Dir die Bude dicht.“

Aber das konnte er in so einem Fall gar nicht. Im Kollegenkreis moserte er schon mal über die Brotqualität des einen oder anderen Bäckers, und ja, auch im etwas größeren Kreis rutschte ihm einmal heraus, dass er sich ja hüten würde, so was zu machen, wenn er Bäcker wäre. War er aber nicht.

Beaujolais-Brot? “Besonnenheit!”, rief da der Lebensmittelkontrolleur

Der Bäcker aber tat mit dem Sesambrot, wie ihm geheißen. Alles hätte gut werden können. Doch dann kam er im November auf die Idee, ein Brot mit dem frischen Beaujolais Primeur zu backen, im nächsten Jahr. Er erzählte das fröhlich herum. Da dem Lebensmittelkontrolleur ein Brot mit Beaujolais-Geschmack widerlich erschien, sagte er jedem, der es hören wollte, was er davon hielt: „Ich reiße mich nicht darum, etwas zu diesem Brot-Plan zu sagen. Aber es muss doch sein: Bei der Umsetzung dieser Idee sollte der Bäcker doch sehr viel Besonnenheit walten lassen.“

Der Bäcker war außer sich, als er davon hörte: „Soll er doch selbst Bäcker werden! Immer nur rummäkeln kann ja jeder. Täglich schon vor dem Frühstücksfernsehen diesen faden Teig zu kneten“, er rang sich ein schiefes Lächeln ab, als er das sagte, und fuhr fort: „Immer wieder zu versuchen, wenigstens ein bisschen Geschmack drunterzukriegen, danach hübsch lächelnd hinter der Theke zu stehen und den missgelaunten Leuten anzusehen, dass sie keine Ahnung von Broten haben, das soll er doch mal machen! Dieser Lebensmittelkontrolleur!“

Es wuchs dann wieder Gras über die Sache, als der November vorbei war. Dem Lebensmittelkontrolleur bot man an, Ehrenpräsident der Bäckerinnung zu werden, doch blieb der bei seinem Leisten. „Ein schöneres Amt als meines kann es gar nicht geben“, sagte er, wenn man ihn danach fragte. Aber niemand wusste genau, was er tief im Innern dachte, wenn er abends seinen Salat ohne Dressing mümmelte – was natürlich auch gut war: Die Gedanken sind frei, und so!

Der Bäcker backte weiter sein Brot, und weil er war, wie er war, vergaß er gelegentlich hier mal ein paar Körner und dort ein Gewürz, worauf der Lebensmittelkontrolleur meist geduldig, aber doch ernst und bestimmt darum bat, das noch mal ordentlich zu machen.

Immer aber, wenn im November der Beaujolais Primeur entkorkt wurde, dachte der Bäcker noch mal an sein Beaujolais-Brot und murmelte: „Ich rede jetzt so lange davon, bis keiner es mehr hören kann und dann backe ich’s einfach.“ Der Lebensmittelkontrolleur ahnte, was in dem Bäcker vorging: „C’est la vie!“, sagte er und dachte an das Märchen von Hase und Igel.

Wenn Sie, liebe Leser, der Meinung zuneigen, dieser Lebensmittelkontrolleur sei ja wohl völlig unverschämt, dann heißen sie vermutlich Hans-Peter Friedrich, sind Mitglied der CSU und von Beruf Bundesinnenminister.

Wenn Sie dagegen denken: Was gesagt werden muss, muss gesagt werden, und am Ende bin ja doch ich der Schiedsrichter, bätsch, dann heißen Sie wohl Andreas Voßkuhle und haben den Job des Bundesverfassungsgerichts-Präsidenten.

Wenn Sie aber, liebe Leserinnen und Leser, mit uns einen Abzug in der B-Note für Innenminister Friedrich für rechtens halten – weil es ja wohl frech ist, bei der steuerlichen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften gerade nicht in der Politik zu entscheiden, um ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, sich aber sonst gleichzeitig die Einmischung in die Politik zu verbitten: Dann sind Sie für die Schizophrenie der praktischen Politik wohl nicht zu gebrauchen.
 
Crosspost von B-Note, Marcus Müllers Kolumne im debattiersalon

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.