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Rückblick: Carta-Diskurs zu Politikberatung

von , 12.3.13

Wie kommt das Wissen in die Politik? Und ist dieses Wissen, selbst wenn es aus der Wissenschaft kommt, überhaupt frei von (eigenen) Interessen?
 

Carta-Diskurs am 7. März 2013

von l. nach r.: Peter Ruhenstroth-Bauer, Birgit Wentzien, Leonard Novy und Volker Riegger

Diese Frage, aber auch die inflationäre Entwicklung eines in großen Teilen unüberschaubaren Beratungsmarkts hat breites gesellschaftliches Unbehagen ausgelöst. Gleichzeitig ist aber bei den politischen Akteuren wie auch beim Wahlvolk unbestritten, dass Politik externe Expertise braucht.

Carta hat daher Auftraggeber, Anbieter und Beobachter eingeladen zu erörtern, wie Politikberatung konkret umgesetzt werden kann, ohne dass der gefürchteten „Beraterrepublik“ Tür und Tor geöffnet wird.

Die fortlaufende Artikelserie zu diesem Thema wurde am 7. März dieses Jahres durch einen Gedankenaustausch beim dritten Carta-Diskurs ergänzt.

Zu Gast waren

  • Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks
  • Volker Riegger, Unternehmens- und Politikberater sowie Honorarprofessor an der Universität der Künste
  • Peter Ruhenstroth-Bauer, Kommunikations- und Strategieberater, ehemals stellvertretender Chef des Bundespresseamts und Staatssekretär im Bundesfamilienministerium

Moderiert wurde die Veranstaltung von Carta-Herausgeber Leonard Novy.

Zum Auftakt verwies Volker Riegger auf die Eurokrise als  „Test- und Ernstfall für den Wert von Politikberatung bei der Beratung der Gesellschaft“, der berechtigte Zweifel am wissenschaftlichen Beratungsangebot, aber auch an der Beratungsfähigkeit von Politik und Wirtschaft durch die Wissenschaft generiert habe.

Er kritisierte die in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung entwickelte „Fiktion und Suggestion der Alternativlosigkeit“ als „Verengung der Politik auf den jeweils nächsten Schritt“, der nur dadurch als richtig erscheine, weil er als „alternativlos“ und die öffentliche Diskussion über seine Folgen, insbesondere mit Blick auf anstehende Wahlen, als überflüssig vermittelt werde.

Die langfristige Folge solchen Verhaltens sei eine drastische Verarmung der politischen „Ideenpopulation“, die eine Gesellschaft jedoch insbesondere beim Heraufziehen unvorhergesehener, folgenschwerer und krisenhafter Ereignisse („black swans“) dringend benötige.

Birgit Wentzien sprach hingegen von einer „Holschuld“ der mündigen Bürgerinnen und Bürger: Vor dem Hintergrund sich verschlechternder Arbeitsbedingungen in den Medien sei es unrealistisch, die Verantwortung für Transparenz politischer (Beratungs-)Vorgänge allein hier zu verorten. Stattdessen sei jede und jeder Einzelne gefordert, sich die notwendigen Informationen für eine entsprechende, am Gemeinwohl orientierte Diskussion selbst anzueignen.

Allerdings verwehrte sich die Chefredakteurin des Deutschlandfunks sich vehement gegen den Vorwurf vonseiten Prof. Rieggers, die Medien seien in dieser Hinsicht „impotent“. Als Gegenbeispiel führte sie die neuen interaktiven Formate an, mit denen der Deutschlandfunk geeignete Plattformen für eine breite Debatte gesellschaftlich relevanter Themen schaffen will.

Peter Ruhenstroth-Bauer nannte die Unübersichtlichkeit der Beratungslandschaft und Grenzüberschreitungen wie den von Carta dokumentierten Fall des ausspionierten Gesundheitsministeriums als Ursachen für die Imageprobleme der Branche.  Dies sei nicht zuletzt dem Mangel an Transparenz und nachvollziehbaren Bewertungskriterien sowohl bei Lobby-Arbeit als auch bei wissenschaftlicher Politikberatung geschuldet. Neben den Akteuren aus Politik und Beratung  seinen auch die Medien gefordert, viel differenzierter die Beratung der Politik und die eigene Rolle zu beleuchten.

In Reaktion auf diese Feststellung plädierten Birgit Wentzien und Volker Riegger für eine Demokratisierung von Beratung und nannten hierfür eine Reihe von Gründen:

Die Verbreiterung der politischen Ideenpopulation erfordere neue Formate für die „Beratung der Gesellschaft“, nicht zuletzt, wie Riegger betonte, durch Projekte wie Carta. Rein expertenbasierte Beratung sei nicht mehr in der Lage, die Vielfalt politischer Optionen und relevanter Interessen umfassend abzubilden. Zudem könnten sich politische Akteure heute nicht mehr nur durch den Verweis auf ihr „proprietäres“ Wissen legitimieren.

Das Publikum der Veranstaltung zeigte sich unter anderem besorgt über eine offenbar massive Erhöhung des Beratungsbedarfs öffentlicher Bürokratien, die zu einer ungesunden Abhängigkeit von externen Beratungsleistungen geführt habe. Zudem werde wissenschaftlicher Rat dadurch diskreditiert, dass Anschein entsteht, Politiker könnten sich die ihnen genehme Meinung aussuchen. Als besonders fatal wurde die augenscheinliche Unfähigkeit von politischen Akteuren und ihren Beratern beurteilt, junge Menschen für ihre Arbeit zu interessieren und in diese einzubeziehen.

Zwecks Erzeugung von mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit wurden allerseits verbindliche und anerkannte Standards sowie fundierte und überzeugende Bewertungsparameter für politische Beratungsleistungen gefordert.

Ansätze für die konkrete Umsetzung dieser Forderung wurden beim anschließenden geselligen Umtrunk äußerst angeregt diskutiert.

Zum Thema “Politikberatung zwischen Mythos, Macht und Machbarkeitsglaube” veröffentlicht Carta eine Artikelserie mit Gastbeiträgen von Auftraggebern, Anbietern und Beobachtern. Nach der Veranstaltung werden noch weitere Beiträge folgen. Bereits erschienen:

 

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