In unserer digitalen Ära erlebt der längst auf der Müllhalde der Geschichte entsorgt geglaubte Taylorismus seine Wiederkehr. Durch moderne Technologie laufen dessen Prinzipien zur Höchstform auf.
von Nora S. Stampfl, 30.4.19
Mit der Stoppuhr in der Hand meinte Frederick Winslow Taylor Anfang des 20. Jahrhunderts gegen die vermeintliche Ineffizienz der Industrie und die angebliche Faulheit und Drückebergerei von Arbeitern angehen zu können. Kerngedanke seiner Strategie war die strikte Trennung zwischen der planenden, überwachenden Kopfarbeit der Ingenieure einerseits sowie der ausführenden Tätigkeit der Arbeiter andererseits. Taylor ging davon aus, dass es für die Ausführung jeder Aufgabe einen »one best way« gäbe: Die ideale Art der Aufgabenerfüllung sei vom Management durch detaillierte Messung und Beobachtung zu ermitteln und den Arbeitern zur Durchführung vorzuschreiben. Als Wissenschaft wollte der »Father of Scientific Management«, wie auf Taylors Grabstein nachzulesen ist, seine Theorien verstanden wissen und eben darin lag wohl auch deren Reiz: Mit wissenschaftlicher Exaktheit sollten Arbeiter gesteuert werden können, um wie Rädchen im Getriebe zu funktionieren. Dabei hatte er keineswegs die Unterjochung der Arbeiterschaft im Sinne, alle sollten profitieren: die Unternehmer durch höhere Gewinne, die Arbeiter durch höhere Löhne und die Allgemeinheit durch billigere Produkte. Als Taylorismus sind diese Ideen der Arbeitssteuerung bekannt geworden, haben es zu großer Popularität gebracht, um schließlich ebenso viel Kritik einstecken zu müssen.
Obwohl Taylors Erkenntnisse lange Zeit enormen Einfluss auf die Organisation von Arbeit und Produktion ausübten und man darauf wetten darf, dass die Entwicklung des modernen Unternehmensmanagements ohne Taylors Bestseller »The Principles of Scientific Management« anders verlaufen wäre, regte sich schon früh Widerstand gegen seine als inhuman betrachteten Rationalisierungsmaßnahmen. Für den Arbeiter lasse die »Wissenschaftliche Betriebsführung«, die Produktionsarbeit ausschließlich nach Input, Output und Ausschuss bemisst, schlicht keinen Platz, weil nur der Arbeitsprozess, nicht aber die Person des Arbeiters im Zentrum des Interesses stünde. Dementsprechend formierten sich Gegenmeinungen, die eine höhere Produktivität mit einer menschlichen Behandlung der Arbeiter verknüpften. Paradigmatisch kann für die Kritik an Taylors streng mechanistischer Auffassung der Mitarbeiterführung Charlie Chaplins ikonische Satire »Modern Times« stehen. Darin zeichnet Chaplin eine zutiefst inhumane Arbeitswelt, in der der Einzelne in einem großen, nicht überschaubaren System Überblick und Halt verliert: Der kleine Tramp, Chaplins jahrelange Identifikationsfigur, wird am Fließband gezeigt, Werkstücke handhabend, jeweils zu einem einzigen Handgriff verdammt. Auch im weiteren Verlauf des Films wird nicht klar, worin die Arbeit eigentlich besteht, einzig sichtbar ist, dass der Arbeiter in ebenso geschwinder wie monotoner Weise große Schrauben festzurrt. Chaplin hätte es nicht glänzender darstellen können – bis heute steht Taylorismus für Fremdbestimmung und Autonomieverlust, gnadenlose Überwachung und Kontrolle sowie eine Verkürzung von Arbeit auf Tempo und Effizienz.
Ab den 1980ern galt der Taylorismus in Managementliteratur und Unternehmenspraxis als Anachronismus, als bevormundende, schikanöse Form externer Kontrollausübung längst vergangener Tage, die überdies zu Produktivitätseinbußen durch eine entfremdete Arbeiterschaft führt. Zumal dessen Prinzipien auf körperliche Arbeit zielten und die Produktivität wissensintensiver Tätigkeiten – so zumindest die vorherrschende Meinung – kaum mit derselben Akkuratesse vermessen werden könne. Doch nicht nur beginnt die Vorstellung von der Unmöglichkeit des betrieblichen Zugriffs auf Kopfarbeit zu bröckeln, auch steht heute ein Arsenal technischer Hilfsmittel zur Verfügung, das imstande ist, Arbeitsproduktivität so exakt zu vermessen wie nie zuvor. Kuam überraschend kehren daher tayloristische Prinzipien der Mitarbeiterführung zurück. Diese Renaissance des Taylorismus vereint die ursprünglichen Gedanken seines Urhebers mit digitaler Technologie. Dabei findet der digitale Taylorismus nicht nur in der Fabrikarbeit Einsatz, sondern auch im Servicebereich wie in der Wissensarbeit und selbst Manager, einst als Konstrukteure der Rationalisierungsmaßnahmen selbst nicht einbezogen, sind nicht länger davor gefeit, ins tayloristische Visier zu geraten.
Wenn in Amazons Logistikzentrum »Picker« Waren aus den Regalen suchen, um diese für den Versand vorzubereiten, ist ihr ständiger Begleiter ein elektronischer Scanner: Dieser errechnet die kürzeste Route, um alle Waren in einen Rollwagen zu legen, weist dann den Weg von Regalplatz zu Regalplatz und setzt dabei mittels Sekunden-Countdown ein Limit, bis zu dem das jeweils nächste Produkt eingesammelt sein muss. Lückenlos zeichnen die Geräte auf, wie schnell sich die Arbeiter fortbewegen und Aufträge ausführen und liefern Amazon damit exakte Angaben zur Produktivität jedes einzelnen »Pickers«. Zunehmend setzt der Versandhändler zwar auch auf Roboter in seinen Lägern, aber immer noch seien Menschen besser, mit der weiten Bandbreite verschiedenartig geformter Produkte umzugehen. Äußerlich betrachtet könnte der Unterschied marginaler nicht sein; so spricht man bei Amazon denn auch von »Amabots«, um die menschlichen Arbeitskräfte zu bezeichnen, die eins geworden sind mit dem System, das fortwährend Höchstleistungen fordert, an nichts als Effizienz orientiert ist und mit Hilfe von elektronischer Überwachung diese von jedem Einzelnen einfordert. Amazons Kultur ist extrem datengetrieben. Das Management nutzt die durch Daten hergestellte Transparenz, um Arbeitskräfte anzutreiben, immer mehr zu leisten. Dabei werden Lagerarbeiter auf ihre sensomotorischen Fähigkeiten reduziert, buchstäblich laufend halten sie die digitale Maschinerie am Laufen. Kenntnisse, geschweige denn Kontrolle über die vom Management in Gang gesetzten algorithmischen Abläufe haben sie hingegen nicht.
Weil heute der gesamte Arbeitsprozess technologisch »begleitet« ist, wird der Arbeitende in einem engen Korsett tätig, das ihm allenthalben in Echtzeit Rückmeldung zu etwaigen Fehlgriffen gibt. Sensorbasierte Feedbacksysteme eröffnen gänzlich neue Möglichkeiten in der Mensch-Maschine-Kommunikation: Technologie führt buchstäblich die Hand, wenn etwa mit Sensoren und Computereinheit ausgestattete Handschuhe dem Arbeitenden unmittelbar optisches, akustisches und haptisches Feedback im Arbeitsprozess geben. Ebenso können in Gewebefasern von Kleidung eingearbeitete Sensoren Bewegungen des Trägers erkennen oder mangelnde Aufmerksamkeit feststellen und durch entsprechende Warnungen zur Fehlervermeidung beitragen oder aber in Schuhe eingearbeitete Chips geben Vibrationssignale und regeln auf diese Weise etwa die Orientierung in einem Raum. Den Einsatzzwecken so genannter Wearables scheinen keine Grenzen gesetzt. Es ist zu erwarten ,dass solche am Körper getragenen, »mitdenkenden« Geräte in Arbeitsprozessen eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden. Sie werden menschliche Aktionen genauestens registrieren, um diese stets mit den jeweiligen Anforderungen abzugleichen. Auf diese Weise entsteht ein kybernetischer Regelkreislauf, der – ähnlich der Funktionsweise eines Thermostats – beständig eine entsprechende Angleichung zwischen Soll- und Ist-Zustand vornimmt – entweder indem der Arbeitende durch Feedback zu einer Korrektur veranlasst wird oder sogleich dadurch, dass nur bestimmte Handlungsmöglichkeiten zugelassen, andere jedoch beschränkt werden. Schon das Zusammenspiel aus Fließband und Taylorismus bildete ein äußerst schlagkräftiges Doppel; die heutige Technologie setzt Taylorismus par excellence um – oder hätte sich Frederick Winslow Taylor eine unmittelbarere Kontrolle des gewünschten Arbeitsablaufes, eine striktere Trennung von Management und Arbeiterschaft, von Kopfarbeit und Handarbeit ausmalen können?
Dass die technischen Möglichkeiten heute immens und die Mittel vorhanden sind, Verhaltenssteuerung à la Taylor bis ins kleinste Detail zu realisieren, davon ist auch der Informatiker Alex Pentland überzeugt. Denn die Masse an Verhaltensdaten, zu der technische Mittel Zugang eröffnen, erlaube es, soziale Phänomene nicht nur zu beschreiben, sondern eine »kausale Theorie der Sozialstruktur« zu entwickeln, so der MIT-Professor. Im Zeitalter von »Big Data«, meint Pentland, könne einfach der alles und jeden abbildende Datenstrom angezapft werden, um in Echtzeit ein akkurates Bild über das Verhalten von Milliarden von Individuen zu gewinnen. Veranschaulicht hat Pentland seine Idee in einem Unternehmen, in dem Mitarbeiter mit einem so genannten »sociometric badge« ausgestattet wurden. Bestückt mit Mikrophon, Positions- und Beschleunigungssensor zeichnen die Karten ein exaktes Bewegungs- und Kommunikationsmuster jedes einzelnen Mitarbeiters auf. Zudem sind die Badges imstande, Tonfall und Körpersprache zu registrieren. Mittels der kleinen Karten werden nicht nur Einsichten in Kommunikationsnetze und den Einfluss von Individuen innerhalb der Organisation gewonnen, es werden auch »persönliche Energieniveaus« und Charaktereigenschaften wie Extrovertiertheit oder Empathie abgeleitet. Unternehmen sollen durch solche Erkenntnisse etwa Interaktionsmuster besser verstehen und durch entsprechende Eingriffe verbessern lernen oder beispielsweise Büroflächen unternehmenszielfördernd anpassen können – alles im Dienste höherer Produktivität.
Wie der Taylorismus geht auch Pentland von einem streng mechanistischen Weltbild aus. »Social Physics« nennt er seinen Ansatz, bei dem wie eine Maschine auch soziale Interaktionen konstruiert werden sollen. Die aus der Technisierung der Arbeitswelt gewonnenen Daten sind der Schlüssel zum Erkennen menschlichen Verhaltens, um dieses hernach in gewünschte Bahnen zu lenken. Und weil ein ständig dichter werdendes Netz aus verschiedensten Technologien um den Arbeitsalltag gewoben ist, vervollständigt sich das Bild jedes einzelnen Mitarbeiters fortwährend. Tendenziell bedeutet dies, dass man sich nicht mit der Optimierung standardisierter Prozesse zufrieden geben muss, sondern jeden einzelnen Mitarbeiter ins Visier nehmen kann. Zusätzlich erlaubt Technologie, nicht nur körperliche Bewegungen, sondern den Mensch in seiner Gesamtheit bis hin zu seiner Gedankenwelt im Griff zu behalten und in enge Schranken zu verweisen. Von einer derartigen Personalprogrammierung konnte Taylor nur träumen!
Hinlänglich Möglichkeiten, Arbeitenden derart datentechnisch auf den Leib zu rücken, bestehen auch im Rahmen digitaler Arbeit auf Internetplattformen. Auch hier bestimmt die Plattformarchitektur jeden Aspekt der Arbeit. Wie Aufgaben auszuführen sind, auf welche Weise kommuniziert, ja, ob überhaupt kommuniziert wird – jeder Schritt ist nur innerhalb der codierten Grenzen möglich. Allerdings weist die programmierte Bevormundung in der Plattformökonomie einen entscheidenden Unterschied auf: Denn die Plattformen sind nicht interessiert an der Reglementierung des Verhaltens Einzelner, es geht ihnen bei der datenmäßigen Erfassung auch noch so winziger Datenspuren – von Mausklicks über getippte Textschnipsel bis hin zu gesetzten Häkchen in Auswahlboxen – nicht um Überwachung und Verhaltenssteuerung einzelner Crowdworker. Die eingesammelten Daten sollen einzig dazu dienen, das Gesamtsystem zu optimieren. Nichtsdestoweniger ist das Vorgehen tayloristisch zu nennen: Macht und Entscheidungsgewalt sind vollständig zentralisiert; dezentral wird lediglich nach exakten Vorgaben ausgeführt. Die Freiheit unter alternativen Wegen einen beliebigen zum Ziel zu wählen, ist nicht gegeben und oftmals gar nicht möglich, wissen die Arbeitenden beim Crowdworking ja oftmals nicht einmal um die Beschaffenheit des Endprodukts. Was einst der tayloristische Manager war, ist in Settings des Crowdworkings der Architekt des Systems. Die Infrastruktur drängt Mitarbeiter in ein denkbar enges Korsett, das keine Wahlmöglichkeiten und Alternativen zulässt, mehr als den exakt abgegrenzten Beitrag als winziges Mosaiksteinchen zum Gesamtziel beizutragen, ist nicht vorgesehen.
Man muss heute also gar nicht in der Fabrik stehen, um dennoch in ein tayloristisches Arbeitsregime eingebunden zu sein. Im Rückgriff auf Lewis Mumfords Megamaschine mit ihrem subtilen Zwang spricht Jathan Sadowski daher vom »Mega-Algorithmus«, um das algorithmische System der Vereinnahmung von Menschen im vernetzten Informationszeitalter auf den Punkt zu bringen: »Smarte Technologien« und digitale Plattformen treten an die Stelle der Fabrikhalle mit ihren Maschinen, Datenströme ersetzen stoffliche Ströme, Code und Algorithmen anstelle des Fließbands geben den Takt vor. Die Metapher des »Mega-Algorithmus« beschreibt Menschen nicht als Rädchen im Getriebe, sondern als Informationsknoten. Als solche sind sie vereinzelt, gedrängt in die Rolle des Unternehmers seines Selbst. Es ist kein repressives System, das Sadowski im »Mega-Algorithmus« am Werk sieht, vielmehr ist es ein verlockender Narrativ, der den Crowdworkern ihre Beiträge abringt: Eine Rhetorik der Solidarität, von Gemeinsinn und Ermächtigung des Einzelnen verführt zu freiwilliger Arbeit und verbrämt Clickwork als soziales Engagement; Teil eines größeren Ganzen zu sein, das Bedeutung hat, wird in Aussicht gestellt; von der Weisheit der Vielen, gemeinschaftlicher und dezentraler Produktion, kollaborativem Konsum ist die Rede. Mitmachen heißt die Devise, Hauptsache dabei sein!
Diese Erzählung kann – kaum überraschend – nicht nachhaltig sein, als sie doch in diametralem Gegensatz zu Entfremdungstendenzen steht, wie sie die tayloristische Arbeitsorganisation nach sich zieht. Dass Arbeitende in den beschriebenen Kontexten heute wenig aktive Kontrolle über ihre Arbeit haben, vielmehr als passives Objekt in einem Produktionsapparat funktionieren, knüpft unmittelbar an die bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Karl Marx geübte Kritik an den damaligen Produktionsbedingungen an. Auch für diesen Autonomieverlust kann paradigmatisch die berühmte Eröffnungsszene aus Chaplins Film stehen, die den menschlichen Arbeiter als Teil einer übermächtigen Maschinerie darstellt. Und nichts hat die Szene als Metapher für entfremdete Arbeit in der Digitalsphäre an Prägnanz eingebüßt: Denn Depersonalisierung betraf nicht nur den Marxschen Industriearbeiter, ebenso ist der moderne Digitalarbeiter oftmals nicht anderen Menschen zu Diensten, kümmert sich nicht um Belange anderer, ist tätig ohne Kontrolle über Produkt und Gang der Produktion. Dabei mache die Arbeit, so Marx, den Arbeiter zu einem »Teil der Maschine«.
Technik ist heute derart präsent und durchzieht das menschliche Leben in einem solchen Maße, dass es wohl niemals angemessener war als heute, mit Günther Anders von Technik als »Weltzustand« zu sprechen. Die Macht, die technologische Entwicklungen eingenommen haben – oder die ihnen zumindest zugeschrieben wird – war Anstoß eines Aushandlungsprozesses um die Stellung des Menschen in seinem technologischen Umfeld, der sich unübersehbar medial niederschlägt: Wie ein Lauffeuer ziehen sich seit geraumer Zeit Listen von angeblich bald ausgestorbenen Berufen durch die Medienlandschaft. Fortschritte auf dem Feld der Robotik und der Künstlichen Intelligenz ließen nicht nur manuelle, sondern ebenso kognitive Tätigkeiten der Automatisierung zum Opfer fallen. Die alte Angst vor der Verdrängung des Menschen aus seinem angestammten Arbeitsumfeld ist zurück! Abgesehen davon, dass Maschinen immer noch die einfachsten Dinge nicht können – bereits das Einräumen einer Spülmaschine stellt einen Roboter vor allergrößte Probleme –, ignorieren die Befunde vom Überflüssigwerden des Menschen angesichts der Maschinenkonkurrenz auch die Wiederkehr der tayloristischen Prinzipien. Diese beruhen gerade nicht darauf, den Menschen zu ersetzen, sondern ihn untrennbar und unersetzlich zum »Teil der Maschine« zu machen.
Natürlich war der Taylorismus nie nur ein Instrument der Rationalisierung der Betriebsorganisation, immer auch diente die Praxis der Herrschaftsausübung: Subjektivität und Widerständigkeit sollten gebrochen, Spielräume eingeschränkt und die Stör- und Fehlerquelle Mensch ausgeschaltet werden. Wenn Technologie immer öfter menschliche Autonomie herausfordert und in Zweifel zieht, dann gewinnt die Frage nach den Zielen des modernen digitalen Taylorismus zunehmend an Gewicht. Wie lange lässt das organisatorische Streben nach Effizienz die Autonomie des Einzelnen unberührt und ab wann kippt das tayloristische System zu Ungunsten des Einzelnen? Oder anders gefragt: Hilft dem Lagerarbeiter bei Amazon sein Handheld-Big-Brother lediglich dabei, sich die Füße nicht wund zu laufen oder verliert er jegliche Freiheit, sich auch einmal gegen die »vorgeschlagene« Route zu entscheiden und anders zu laufen? Werden die gesammelten Daten dann am Ende nicht doch gegen ihn verwendet, wenn die Produktivität nicht stimmt? Es steht außer Frage, dass heute die technischen Mittel existieren, um einen Taylorismus in Extremform umzusetzen. Allein schon, weil uns – anders als zu Frederick W. Taylors Zeiten – die bevormundenden Techniken ja nicht nur am Arbeitsplatz umgeben. In der digitalen Welt reglementiert der »Mega-Algorithmus« den Menschen von früh bis spät. Als »Tyrannei der Bequemlichkeit« hat Tim Wu die neue Antriebskraft menschlicher Handlungen bezeichnet, weil uns Mühelosigkeit, wie sie uns all unsere technischen Gadgets versprechen, zum obersten Prinzip geworden ist. Für ein Quäntchen Komfort überantworten wir unsere Entscheidungsmacht an unsere digitalen Helfer. Immer öfter geben Smartphones und Wearables, Siri und Alexa den Ton an, wenn das technisch Machbare zur Demarkationslinie des menschlichen Möglichkeitsraums wird.