von Tobias Schwarz, 27.1.15
Ende Januar 2014 verschärfte die Pressestelle des Bundestags die Akkreditierungsbedingungen – mit der Folge, dass es Bloggern nicht mehr gestattet war, als akkreditierte Pressevertreter den Bundestag zu besuchen. Ein Presseausweis war von nun an Bedingung für den Zutritt zum Parlament, doch diese Beschneidung der Pressefreiheit sorgte für Protest, dem die Verwaltung sich langsam beugt. Etwas mehr Transparenz verspricht die Verwaltung. Und wieder freien Zugang für Blogger.
Vor kurzem hat die Bundestagsverwaltung im Pressebereich von Bundestag.de die Zugangs- und Verhaltensregeln für den Bereich der Bundestagsliegenschaften veröffentlicht. Dort, wo vorher nur das Formular für die befristete Presse-Akkreditierung beim Deutschen Bundestag war, gibt es auf einmal einen Einblick in die Regeln, nach denen der Zugang zum Bundestag geregelt wird. Keine spannende Lektüre, aber eine, aus der vorher zwar gerne zitiert wurde, die man aber als betroffener Antragssteller nicht zu sehen bekommen hat. Dieses kleine bisschen mehr Transparenz könnte nur der Anfang sein. Doch allein bis zu diesem Punkt war es ein langer Weg. Angefangen hat alles vor einem Jahr, als mir der Zugang zum Bundestag als akkreditierter Medienvertreter verweigert wurde.
Die Mär von den vielen Bloggern
„Zu viele Blogger haben versucht sich zu akkreditieren“, mit dieser wirklich dreisten Lüge lehnte die Pressestelle des Bundestags am 29.01.2014 meinen Antrag auf Akkreditierung, wie ich ihn bis dahin einige Dutzend Male erfolgreich gestellt hatte, überraschend ab. Angeblich gebe es zu viele Blogger, die über den Bundestag berichteten, und der Sicherheitsbereich des Bundestags könnte deshalb überfüllt sein. Daraufhin seien die Akkreditierungsbedingungen verschärft worden. Eine schriftliche Kopie dieser neuen oder auch der alten Bedingungen konnte nicht vorgezeigt werden.
Wie mir erging es auch anderen Bloggern und es stellte sich die grundlegende Frage, ob den Vertretern der sogenannten neuen Medien nicht die gleichen Rechte eingeräumt werden, wie sie die traditionelle Presse besitzen. Viele Medien griffen den Vorfall auf und auch Vertreter der Politik, allen voran Abgeordnete aus dem Bundestag, stellten sich auf die Seite der Blogger. Der CDU-Abgeordneter Thomas Jarzombek forderte zum Beispiel, „dass der Bundestag offener werden muss“, denn „wer berichtet und Öffentlichkeit schafft, muss die gleichen Rechte wie die traditionelle Presse haben“. Petra Sitte von der Linkspartei brachte den Fall in den Ältestenrat des Bundestags.
Der Ältestenrat schaltet sich ein
Ändern konnte diesen Zustand nur die Verwaltung des Bundestags, die dem Bundestagspräsidenten untersteht, seit 2005 der Bochumer CDU-Politiker Norbert Lammert. Im Ältestenrat nahm sich die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion dem Problem an und schilderte in dem Gremium u.a. meinen Fall. Die Runde einigte sich darauf, dass die Bundestagsverwaltung zeitnah einen nachvollziehbaren Kriterienkatalog für die Vergabe von Presseakkreditierungen verfassen sollte, der journalistisch arbeitende Blogger nicht gegenüber Journalisten benachteiligt.
Der die Bundestagsverwaltung leitende Direktor Horst Risse stellte daraufhin in einem Brief an den Ältestenrat klar, „die Pressestelle des Bundestags unterscheidet bei der Vergabe lediglich zwischen hauptberuflichen Journalisten und Personen, die nicht hauptberuflich journalistisch tätig sind – und nicht etwa zwischen Internet-Medien und traditionellen Medien oder Bloggern und Nicht-Bloggern“. Mit dieser Unterscheidung war es den meisten Bloggern erst einmal wieder möglich, sich als Presse für den Bundestag akkreditieren zu lassen. Seitdem kam es auch zu keinen weiteren Vorfällen, die ähnlich gelagert waren.
Zu viele Hausausweise sind im Umlauf
Das eigentliche Problem der Bundestagsverwaltung, der Anlass die Pressefreiheit überhaupt einzuschränken, war die hohe Anzahl an sich im Umlauf befindlichen Hausausweisen. Risse bestand deshalb darauf, dass es „ohne die gängige Praxis des Kriteriums der Hauptberuflichkeit (…) quantitativ nicht mehr kontrollierbar“ wäre, wer als Medienvertreter Zugang zum Deutschen Bundestag hat und wer nicht. Und das aus gutem Grund, denn die Verwaltung hat offensichtlich wirklich die Kontrolle darüber verloren, wer in den Bundestag darf und wer nicht.
Zum Teil ist das Problem selbstverschuldet, aber auch die Fraktionen von CDU/CSU und SPD tragen eine Mitschuld. Neben den ungefähr 2.000 Jahresakkreditierungen für Medienvertreter, werden noch Tagesakkreditierungen vergeben, im Wahljahr 2013 waren das z.B. genau 2.567 Stück. Laut Mitarbeitern des Bundestags werden manche dieser Tagesakkreditierungen von der Verwaltung für die Zeiträume 01.01.bis 30.06. und 01.07. bis 31.12. eines Kalenderjahres ausgestellt und nicht nur für einen oder wenige Tage. Dazu kommen über 2.000 Hausausweise für Lobbyisten, davon 900 allein durch die Fraktionen der Großen Koalition (zum Vergleich: Der Bundestag hat zur Zeit 613 Abgeordnete). Es sind also unter Umständen wirklich zu viele Menschen im Bundestag unterwegs, Blogger sind das allerdings nicht.
Blogfreundlichere Akkreditierungsregeln?
Seit Risses Brief an den Ältestenrat legt die Bundestagsverwaltung die Akkreditierungsbedingungen wieder offener aus. Für Petra Sitte stellt die Einhaltung der genannten Kriterien einen wichtigen Schritt dar, sie wies im Ältestenrat aber darauf hin, dass diese grundsätzlich problematisch sind, da sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 5 des Grundgesetzes verstoßen.
Wie könnten dann blogfreundlichere Akkreditierungsregeln aussehen? Meiner Vorstellung nach müsste es anstatt des Presseausweises vollkommen ausreichen, wenn Blogger entweder einen Redaktionsnachweis besitzen oder ihr Blog die „Allgemeine Informationspflichten“ nach Paragraph 5 des Telemediengesetzes erfüllt. Zu irgend etwas muss dieser Paragraph ja mal nützlich sein. Des Weiteren sollten Tagesakkreditierungen höchstens für bis zu drei Tage ausgestellt werden, unabhängig davon, ob die den Antrag stellende Person hauptberuflich Journalist oder Blogger ist. Damit würde die Verwaltung auch das selbstverschuldete Problem mit den Hausausweisen in den Griff bekommen. Und Tagesakkreditierungen sollten sich bis zum Vorabend beantragen lassen, da manche Tagesordnungen erst wenige Tage vor den Sitzungsterminen veröffentlicht werden. Das ermöglicht auch eine zu organisierende Anreise zu Sitzungsterminen.
Etwas mehr Transparenz
Mit der Rückkehr zu den bisherigen Akkreditierungsbedingungen, die wieder wesentlich offener ausgelegt werden, und der Veröffentlichung der Zugangs- und Verhaltensregeln wagt die Bundestagsverwaltung zaghaft etwas mehr Transparenz. Es ist sicher noch ein weiter Weg, bis es auch im Bundestag eine den heutigen Realitäten angepasste Informationspolitik gibt, die ersten Schritte sind aber bereits geschafft.
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