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Berlin vor der Landtagswahl: Die CDU auf der Suche nach einer grünen Sommerliebe

von , 9.8.10

Der Sommer ist eine herrliche Zeit für Flirts. Wer noch keine Sommerliebe hat, der sucht sich schnell eine. Diese Verwirrung der Gefühle macht auch vor Unionspolitikern nicht halt. Selbst aus dem Urlaub dient sich deshalb Thomas Heilmann den grünen Damen Pop und Künast an. Gerne auch als Junior-Partner möchte er ab September 2011 mit ihnen in Berlin regieren, lässt der CDU-Vize die erstaunte Öffentlichkeit aus den Ferien wissen. Welt und Morgenpost machten daraus große Schlagzeilen.

Wir sind früher mit unseren InterRail-Tickets immer zuerst nach Lloret de Mar gefahren. Nicht weil der Ort so schön war: Es lockten dort die britischen Touristinnen, die es auf den Tanzflächen zu erobern galt. Sonderlich schwer war das nicht. Sie wollten auch nicht am nächsten Tag am Strand auf ihrem Badelaken allein den Rausch ausschlafen. Es gab also maßgebliche Gemeinsamkeiten.

Weit mehr als zwischen CDU und Grünen. Am nächsten Tag mussten wir uns nicht streiten über grundsätzlich unterschiedliche Positionen in der Bildungspolitik, oder bei Fragen der Energie und der Privatisierung. Wenn es die Englischkenntnisse hergaben ging es bestenfalls um gemeinsame Planung des nächsten Abends – und halten musste die Beziehung keine Legislaturperiode, sondern nur bis zur baldigen Weiterreise.

Zudem waren die britischen Touristinnen auch nicht das, was zurzeit die Grünen sind. Aus gutem Grund haben wir verschüchterten, hanseatischen Gymnasiasten uns nicht an die eleganten Französinnen, die kühlen Skandinavierinnen oder die rassigen Spanierinnen getraut. Britinnen waren ein sehr realistisches und uns scheinbar ebenbürtiges Ziel unserer Begierde.

Eine von ständigen Führungswechseln und Richtungskämpfen gebeutelte Berliner CDU ist heute sicher auch nicht viel attraktiver als wir verpickelten Rucksackreisenden es damals waren. Die in der Opposition brillierenden, in den Umfragewerten triumphierenden Grünen sind hingegen momentan die Super-Modells der Berliner Politik. An denen verhebt man sich, selbst wenn man wie Thomas Heilmann anbietet, von vornherein in die zweite Reihe zu gehen.

Wichtig war vor den Sommerreisen mit den besten Freunden auch immer die eigene Grunderneuerung. Das Sparschwein wurde geknackt, die Oma angeschnorrt und zur Vorbereitung ging es dann neue Jeans kaufen (die Schlaghosen von C&A waren untragbar geworden), ein Imitat einer Rayban Sonnenbrille musste her und der Friseur behob die Folgen des letzten, mütterlichen Haarschnitts. Eine solche Grundüberholung haben in Berlin aber sowohl CDU als auch FDP verpasst. Sie bleiben, wie alle Wahlergebnisse der letzten 20 Jahre zeigen, reine West-Berliner Parteien. Köpfe wie Steffel, Löning oder Henkel sind jenseits der Mauer und Neu-Berlinern wie mir nicht vermittelbar. Die Zeit ist für sie stehen geblieben, so wie es damals das Modeverständnis meiner Mutter war.

Die CDU hätte mit der profilierten Kulturpolitikerin Monika Grütters und mit einem angesehenen Unternehmer aus der Kreativwirtschaft wie Thomas Heilmann das Potential zur Wende ins Berliner Hier und Jetzt. Diese kann aber nur vollzogen werden, wenn solche Persönlichkeiten auch gezielt der Partei voran gestellt werden und die anderen im Glied verschwinden. Einer Spitzenkandidatin Künast wird man aber keine Frau wie Grütters entgegen setzen und nach einer Koalitionsaussage für die Grünen die konservative Basis nicht noch weiter mit einem modernen Politiker wie Heilmann verunsichern.

Ohne eine solche Konsequenz scheitert jedoch zwangsläufig die Erneuerung. Eine FDP, die Martin Lindner als quer denkenden Neuberliner die Berliner Fraktion managen ließ, holte fast acht Prozent. Nun, nachdem er sich in die Bundespolitik verabschiedet hat, weil der frühere Vorsitzende Löning am Amt und die Partei an Löning klebte, ringt man mit der Fünf-Prozent-Hürde. Erneuerung muss mit Personen langfristig verfestigt werden.

Ich kann Thomas Heilmann verstehen. Es ist Sommer und die Grünen scheinen verdammt sexy zu sein. Seine Partei hat aber noch nicht einmal den Rucksack gepackt, um überhaupt den Aufbruch per InterRail zu wagen. Man hängt an der Vergangenheit und somit an Mutters Rockzipfel. Im Urlaub geht es mit den Eltern bestenfalls nach Damp 2000 und dort früh ins Bett. Auf der Tanzfläche der Berliner Zukunft schieben derweil Wowereit, Künast und Wolf aneinander lächelnd vorbei, deren Parteien den Aufbruch ins neue Berlin wagten – oder wie die Linken aus historischen Gründen wagen mussten.

Dieser Text von Tim Renner erscheint gekürzt auch in der Morgenpost. Thomas Heilmann ist dort ebenfalls Kolumnist.

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