Aus die Maus: Mit SZ-WISSEN verschwindet ein Stück “public interest”

von , 21.5.09


„Das stärkste Argument für Süddeutsche Zeitung WISSEN ist seine Herkunft.“  Weil das Internet unsterblich macht, steht er da jetzt immer noch, dieser Satz aus Gründerzeiten, und macht uns nachdenklich. Heißt das, die Süddeutsche Zeitung sieht ein ähnliches Schicksal für sich wie für das gerade versenkte WISSEN-Magazin? Hat doch das SZ-Freitags-Magazin gerade mit „Wozu Zeitung?“ eine ebenso bleilastige wie selbstkritische Nabelschau abgeliefert, aus der Unsicherheit und Pessimismus sprach.

animg_0_1239978000_image_teasergross_0_181“Verstärkt durch die Wirtschaftskrise zeichnet sich ab, dass aufgrund sinkender Anzeigenerlöse und einer nicht den Erwartungen entsprechenden Auflagenentwicklung kurz- und mittelfristig keine realistische Aussicht auf einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg des Titels besteht.” So die magere Presseerklärung. Das Team unter  Chefredakteur Christian Weber wusste seit ein paar Monaten, dass das Magazin nur einen Galgenfrist bis Juni hatte und kämpfte beharrlich um eine Steigerung der Auflage. Doch von 200 000 Exemplaren, mit denen SZ-WISSEN 2004 gestartet war,  blieben laut Kress am Schluss nur noch 63.558 durchschnittlich verkaufte Exemplaren (IVW I/2009), die harte Auflage betrug weniger als die Hälfte. Zwar ging der Trend im 2. Quartal wieder bergauf, doch die Verlagsgruppe besann sich auf ihre Kernkompetenzen, das Druckgeschäft, und hielt die Pressen an. Aus.

„Unser Geschäft waren immer nur die Zahlen“, sagte einer der Verleger, Eberhard Ebner, vor Monaten in einem privaten Gespräch, und gestand ein, dass der Umgang mit einer selbstbewussten Redaktion gewöhnungsbedürftig war. Fehlt deshalb die Blattmacher-Kompetenz? Hektisch wirkten Versuche wie mit dem Elternmagazin WIR, das (mit nicht mal 50 000 verkauften Exemplaren) schon nach einer Nummer eingestellt wurde. Denn dass Magazine in der Krise sind und besonderes Durchhaltevermögen erfordern, sollte sich doch schon herumgesprochen haben. Immerhin hält sich das mit SZ-WISSEN konkurrierende Zwei-Monats-Heft Zeit Wissen recht konstant mit 80.000 Exemplaren verkaufter Auflage. Und das Wissenschaftsressort im Mutterblatt SZ ist durchaus renommiert.

Was jetzt? Wissenschaftsjournalismus liegt laut Leserforschung mit dem Readerscan-Verfahren im Trend, doch in der Summe dominieren die Geschichten mit der Maus –nach dem Motto „Wie funktioniert…“, „Gefahr durch…“ oder „Die Zukunft des…“ Aktuell-kritische Debatten und gut recherchierte Hintergrundberichte verschwinden aus den Blättern, einfach, weil sie sich nicht an einem Tag erzählen lassen, sondern für ihr Für und Wider Kontinuität der Aufmerksamkeit brauchen. Das Internet fraktioniert das vorhandene Interesse in Spezialthemen, denen wir „followen“.

Es fehlt an Überblicken, Interpretationen, Debatten und Analysen –  da Wissenschaft eben nicht die eine Sicht der Dinge ist, sondern das unterschiedliche und häufig gegensätzliche Interesse vieler. Es muss deshalb einen Wissenschaftsjournalismus geben, der keine Spezialinteressen bedient, sondern die Berichterstattung in allen Ressorts ergänzt, bereichert, verändert. Diese Kompetenz zu finanzieren muss in unserer Wissensgesellschaft eine Selbstverständlichkeit sein. Politiker, Sportler, Schlagersänger, Wirtschaftsbosse, das Wetter kommen und gehen. Die Suche nach Antworten bleibt.

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