#Algorithmen

Aufruhr und Biedermeier in der Bananenrepublik

von , 21.7.13

Macht hat ein Interesse am Selbsterhalt. So banal das klingt, so dramatisch verändert sich die Technik, mit der dieses Ziel heute verfolgt und realisiert wird. Sie schießt ins Kraut und kommt über die Krauts. Die Krauts reagieren auf die Machthaber und ihre Technik, wie ein ehemaliger amerikanischer Botschafter maliziös anmerkt, wie die Kinder. Veranstalten Tamtam, bedrängen die kühle Kanzlerin, verschlüsseln ihren Kram. Darüber diskutierten am Donnerstag bei Reinhold Beckmann Constanze Kurz, Hans Leyendecker, Frank Schirrmacher und Ranga Yogeshwar. Frank Lübberding schrieb die Frühkritik und brachte mich ins Grübeln.

Wir hinterlassen Spuren. Wir können das kulturanthropologisch interpretieren. Darüber entstehen große Ausstellungen, Filme, Bücher, Artefakte. Oder wir können es diskreter und zugleich umfassender interpretieren. In hinterlassenen Datenspuren, ihren möglichen Knotenpunkten, ihren Vernüpfungen, einer sich daraus formenden Berechenbarkeit, die im günstigen Fall zu erstaunlichen Angeboten führt. Im ungünstigeren Fall lenken diese Spuren das Geschoss einer Drohne auf ihr Ziel. Es gibt Mitwisser, die uns besser zu kennen scheinen als wir uns selbst.

Die Datenspuren, die wir in jeder Sekunde erzeugen und hinterlassen, formen nicht nur ein Bild von Mustern. Sie verändern technisch auch die Anthropologie, zumindest insoweit, als die Anthropotechniker des nächsten Menschen unsere Spuren und Knoten in Mustern von Präferenzbildungen interpretieren. Darüber gehen ganze Jahrtausende konkurrierender Anthropotechniken und Philosophien über den Jordan. Haben und Sein undsowas.

Ich werde darüber keinen Klagegesang anstimmen. Mich irritiert nicht die Genauigkeit der Angebote, die ich täglich von Amazon und anderen frei Haus geliefert bekomme. Mich ärgert ihre Naivität, ihre simple Extrapolation, ihre lineare Logik, ihre erzählerische Einfalt.

Ich halte mich jetzt nicht auf mit einer Abrechnung mit der rational choice-Theorie. Ich frage mich eher, was für ein Werk ein Autor wie Marcel Proust oder so ein vehementer Lunatiker wie Louis-Ferdinand Céline mit den heute verfügbaren Techniken geschrieben hätten. Die Suche nach der verlorenen Zeit und die Reise ans Ende der Nacht entwickelten sich zu never ending stories. Nicht, weil dem manischen Marcel in seinem korktapezierten Zimmer und dem Doktor in Meudon der Stoff nicht ausgegangen wäre, sondern weil der Strom der vielen Details, die sie zur Probe der eigenen Erinnerung heranziehen könnten, so unendlich wäre, so viele diskrete Änderungen ermöglichen würde. Jeder Aspekt der Geschichte trägt zu einer diskret oder dramatisch anderen Logik der Erzählung bei. Nicht mehr der Geruch oder der Geschmack einer Madeleine setzt den Strom der Erinnerung in Gang. Sie könnte sich angesichts dieses Reichtums von Details mit einer anderen Dramatik der gespeicherten Spuren annehmen.

Die Idee des Missbrauchs der Daten verdankt sich einem ehrenwerten Impuls. Der Impuls lebt von der Idee eines normgerechten richtigen Gebrauchs, von der Pönalisierung jeder Idee eines interessegeleiteten Missbrauchs. Mich erinnert die kritische Attitüde an einen Vortrag Bob Steins im letzten September, bei dem er beiläufig erwähnte, in der Digitalisierung unserer Kultur seien wir jetzt etwa, verglichen mit dem Gutenbergzeitalter, im Jahr 1547, als man erstmals in gedruckte Bücher Seitenzahlen einfügte, wieder auffindbare Adressen für die Ökonomie des Lesens. In diesen Tagen des wachsenden Zweifels an der eigenen Integrität wundere ich mich darüber, dass die Hochrechnungen des technischen Fortschritts die Gegenseite so naiv in den Blick rücken.

Das liegt vielleicht auch daran, dass die methodischen Grundlagen der Gegenseite mehr oder weniger implizit übernommen und hochgerechnet werden, die ehrwürdige Idee des vernunft- und interessegeleiteten Menschen. Ließe ich nun aber einer anderen Phantasie freien Lauf, sähe die Geschichte auch anders aus.

Zu diesem Zweck erinnere ich an die deutschen Emigranten, die für die amerikanische OSS während des Kriegs und nach dem Krieg tätig waren. Ich versuche mir vorzustellen, wie die nächste Stufe der Dateninterpretation aussehen könnte, wenn sie nicht nach Maßgabe eines naiven Konzepts interpretiert würden, sondern psychoanalytisch einer anderen Dramaturgie den Weg bahnten. Aus diesem Blickwinkel gewänne die Idee des Verrats eine neue Dramatik, nicht mehr im Sinn der alten Spionsgeschichten, nicht mehr als Landesverrat, sondern als Abgrund eines anthropologischen Selbstverrats. In dessen Folge würden die weiterhin autonomen Menschen nicht mehr, wie in der seligen DDR, auf eine Schiene gesetzt, sondern ritten eine Achterbahn oder wie Dr. Strangelove eine Rakete, also sich selbst, ins Ziel.

Noch mal zurück: Die bisherige Interpretation der PRISM-Story erzählt etwas vom geheimen Abschnorcheln von Daten aller Art. Diese Leseweise insinuiert den einfachen Gewinn und Missbrauch geheimer Ware (Privatheit, Kompromate, usw). Die psychoanalytische Interpretation hält einen narrativ reichhaltigeren Begriff von Geheimnis und Verrat bereit, dem die Algorithmen zwar irgendwie nacheifern, ohne jedoch an die Macht und Tiefe des Geheimnisses zu gelangen, das wir für uns selbst zu sein scheinen. So begäben wir uns auf die Suche nach der umgeschriebenen, genauer: nach der umschreibbaren Zeit.

Aus diesem Blickwinkel wirkt die Idee der Vorhersagbarkeit (was willst Du als nächstes machen, kaufen, usw.) völlig banal. Was würde aus der Geschichte, wenn wir Verläufe, Handlungsketten, retrospektiv ändern können, wenn wir jeder gegebenen Situation infolge einer dichteren Dateninterpretation eine höchst volatil wechselbare Bedeutung geben könnten? Wenn wir also all die neumodischen psychiatrischen Diagnosen einer aufmerksamkeitsgestörten Kultur als diskrete Zeichen der nächsten Stufe von Aufmerksamkeit zu lesen beginnen.

Höre ich die Diskussion bei Beckmann als ein nachgeborener Leser Prousts und Freuds und Marcuses,  dann stelle ich mir vor, wie es gelingen kann, eine banale Episode des Lebens einer Zielperson mit neuem Sinn aufzuladen. Ungefähr so können wir uns die Keimzelle der Homeland-Serie deuten. Ein banales Detail gewinnt plötzlich monströse Bedeutung.  In den psychiatrischen Diagnosen werden für solche Ideen die Aufmerksamkeitsgestörten, die Traumatisierten, die Autisten, die Aspergers und Tourette-Leute, von den Borderlinern ganz zu schweigen, ungeheuer interessant.

Wie können wir, weitab von den klinischen Regimes, die Eigentümlichkeiten dieser randständigen Zeitgenossen fungibel machen? Was kannst Du mit einem Menschen anstellen, der infolge unglücklicher Umstände über ein leibhaftiges lückenloses Gedächtnis jeder einzelnen Sekunde seines 51-jährigen Lebens gebietet, in der Bewertung dieser 1,6 Milliarden Sekunden jedem Ereignis infolge fast unvorhersagbarer Umstände immer wieder eine andere Bedeutung geben kann?

Nicht der Mainstream, nicht die durch die ungeheure Menge an Daten erzeugten Neonormalisierungsbefunde sind interessant. Im Heuhaufen suchen sie nicht nur nach den mutmaßlich Verdächtigen (das sind wir im Prinzip alle), sondern nach diskreten anders nutzbaren Ausnahmen. Ihre  Unruhe, ihre Volatilität, die Kräfte, die aus solchen wechselhaften Zuständen entstehen (oder missbraucht werden könnten), die scheinen mir mindestens genau so interessant zu sein wie die trivialen Berechnungsoperationen.

Wer den Quants soviel zutraut, könnte auf die Idee kommen, nicht den Herrn Žižek oder ausgeflippte Lacanenkel nach Kalifornien zu holen. In den Regiestühlen des nächsten Menschentheaters sitzen Leute, die die Macht und Beeinflussbarkeit der Gefühle besser kennen, sie mit anderer Potenz aufladen, die die Idee eines Reformatierungsbefehls aus der Physik einer Festplatte auf die Biographie von Menschen übertragen. Dann wäre nicht so sehr die gentechnische Vorhersage der Gesundheitsgeschichte interessant, sondern die dramatische Reprogrammierung ganzer Episoden des eigenen Lebens.

Auch davon erzählt Homeland und fesselt die Zuschauer. Sie erkennen in der Geschichte etwas, das über den Plot weit hinausreicht. Sie erkennen die eigene Reinterpretierbarkeit. Sie sind soweit.

Ja, es wird flächendeckend  und dauerhaft gespeichert. Das ist der Sachverhalt, den es neu zu verstehen gilt. Die Allmachtsphantasien der Datenschnüffler, der Auswerter, beginnt über diesem Material zu blühen. Sie erweisen sich als Psychodrama-Agenten und gestalten mit bescheidenen Mitteln Prototypen des nächsten Menschen. Nutzen bisher missachtete special needs für neue Karrieren, erkennen in dem, was man bisher für zwanghaft hielt, eine neue Ausbeutbarkeit, setzen sie auf eine Schiene, die nicht linear von Scheremetjewo nach Wladiwostok führt, sondern auf die Schienen der Achterbahn in Dir selbst.

Die Bürgerrechte der informationallen Selbstbestimmung sind weg. Die Speicher in Utah wissen mehr über Dich, als Du je an jenem fernen Tag, so Gott will, an Dir vorbeiziehen siehst. Gut, dass die Verfassungsrichter an die Idee der Information nicht mit der fallanalytischen Expertise eines Psychoanalytikers herangegangen sind. Dann hätten sie schon vor ihrem Urteil erstens die Zweifel besser formuliert und zweitens die Vorkehrungen ins Auge gefasst, die zur Verteidigung dieser persönlichen Ressourcen erforderlich sind, und über die eine Einzelperson auch in unserem Rechtsstaat kaum je gebietet. Das Urteil war noch nicht ausgefertigt, als ganz woanders die nächsten Angriffe vorbereitet worden sein mögen.

Deine Geschichte ist reprogrammierbar. Ihr Verlauf, Deine Zukunft sind infolge einer mächtigen Rekonfiguration ausgelagert. Diese Geschichten werden unter den Laborbedingungen der Allmachtsphantasie zum feuchten Traum von Regisseuren, die kein Stadttheater je betreten haben, die keine dramaturgische Ausbidung im Schatten Dieter Sturms genossen haben, die auf keinen komparativen Leseschatz der Weltliteratur zurückgreifen.

Ihr Ziel ist so grandios wie banal: der planmäßige Missbrauch von Biographien. Yogeshwar hat völlig recht mit seiner Feststellung, dass wir uns in dieser Minute der Weltgeschichte an einer tektonischen Schwelle befinden. Das ökonomische Modell der algorithmisch gesicherten Allmachtsphantasien verwandelt belebte und unbelebte Natur ohne Rest in disponible Ressource und nimmt jedes Hindernis, das unter dem altväterlich klingenden Verweis auf Rechte dagegen antritt, unter Beschuss.

Datenhygiene, Bürgerrechte und Verbraucherschutz wirken im Kontrast zu dieser Dystopie wie ein zahnloses Ammenmärchen. Es geht längst nicht mehr um die hausbackene Idee (Bekämpfung) des Verrats von Geheimnissen oder um Landesverrat. Es geht um den planmäßigen Verrat des Menschen an sich selbst. Die Regisseure dieses Verrats schreiben in demiurgischer Potenz die Geschichte neu. Den Zugriff auf die Metadaten können wir wie die Werkzeuge der alten Kosmographen interpretieren, die überall da, wo die Alten “hic sunt leones” in die weißen Flecken der Landkarten schrieben, neue Funktionen in das informatorische Skript des neuen Menschen einfügen.

Die Projektion, ihr Datengebrauch ermögliche den Finsterlingen wettbewerbswidrige Spekulationsgewinne, übersieht eine andere Potenz des Datenzugriffs, die es ihnen erlaubt, auch retrospektiv Geschichte umzuschreiben, die Vergangenheit der gesamten Welt zum Gegenstand einer planmäßigen Gewinn- und Verlustrechnung zu machen. Diese Potenz zu verharmlosen, betrügt nicht nur die aufregbare Öffentlichkeit. Die Verharmlosung können wir auch als Selbstbetrug der politischen Klasse lesen, die sich nicht eingesteht, die Kontrolle über diesen Apparat verloren zu haben.

Nichts zu sagen, Merkels Geheimrezept gegen politische Angreifbarkeit, heißt, tatsächlich nichts mehr sagen zu können. So nackt waren unsere Kaiser schon lange nicht mehr.

Wenn Snowden etwas passiert, könnte das Amerikas schlimmster Albtraum werden, hören wir. Das ist gut möglich. Die Projektion auf den großen Bruder im Westen übersieht ein Detail, das politisch phantasiebegabte Spieler auch auf einen näherliegenden Schauplatz projizieren können. Wie sähe Snowdens Geschichte aus, wenn sie, sagen wir, vor fünf Monaten in Virginia ausgekocht wurde, nachdem man dort zu dem Ergebnis gekommen war, dass Angela Merkel die nächsten Wahlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gewinnen würde?

Wie sehen die Dispositionen von Leuten aus, die einen anderen Wahlausgang in der europäischen Zentralmacht für wünschenswert halten, egal aus welchen Gründen? Wie würden sie ihre Instrumente so platzieren, dass Gegenwehr auf der Zielgeraden im September nicht mehr möglich scheint? Wie sähe der größtmögliche Schaden aus, den sie der deutschen Regierung zufügen könnten?

Die Einsilbigkeit der Bundeskanzlerin in ihrer freitäglichen Pressekonferenz deutet an, dass sie diesen möglichen Storyverlauf antizipiert und Edward Snowden als dem mutmaßlichen Urheber dieses größtmöglichen Unglücks für ihre politische Karriere keine Sekunde ihres kalten Mitgefühls widmet. Die Physikerin hat zwar den Beruf gewechselt, aber genau verstanden, welchen Nutzen eine kalte Entdramatisierung der Geschichte für das eigene politische Überleben hat. Verfassungsrechtliche Kollateralschäden scheint sie dafür in Kauf zu nehmen.

Das nicht kooperative Spiel der bisher bekannten Akteure (ihr eigenes Überleben zu sichern; den Schaden für die Gegenseite entsprechend zu begrenzen, bei maximaler Drohung im Falle des Zuwiderhandelns) scheint erst einmal wie eine Lebensversicherung des Staatenlosen von Scheremetjewo zu funktionieren. NSA und FGB-Agenten als erster und zweiter Ring um Snowden könnten ihn liquidieren oder ihn im September zusammengeschnürt als Paket in Obamas Air Force One packen. Erst einmal aber müssen alle seine Unversehrtheit garantieren.

Wie sieht die Akteursebene in den USA aus? Der greise Präsident Carter sagt: Es gibt keine funktionierende Demokratie mehr in den USA. Ein amerikanischer Beobachter fragte, warum diese Nachricht zwar in Deutschland die Runde macht, in Amerika aber irgendwie unterm Teppich gehalten wird.

Al Gore sieht alle Instrumente eines Polizeistaats implementiert. Die EFF klagt vor Bundesgerichten gegen das flächendeckende Datenschnüffeln. Es wirkt auf den außenstehenden Beobachter wie eine in Echtzeit beschleunigte Wiederholung der von Lutz Hachmeister meisterhaft dokumentierten McCarthy-Geschichte. Der Apparat scheint sogar seinen bisherigen Nutznießern zu mächtig geworden zu sein. Das alte Spiel von Checks und Balances könnte tatsächlich nicht nur kosmetisch erneut zu greifen beginnen. Von allein kommt das allerdings nicht in Gang.

Nach den Ankündigungen Glenn Greenwalds sieht es eher danach aus, als sei Deutschland der Hauptkriegsschauplatz der Geschichte. Als versuchten ein paar Leute in Nachfolge des Admirals Poindexter, auf Angela Merkels politische Zukunft mit gezinkten Karten auf short zu gehen. Ihre Einschätzung der Bundesrepublik wirkt gänzlich unsentimental. Eine ökonomisch in Unwucht gekommene Riesenbananenrepublik mit ausgeprägtem Hang zu einer politischen Gemütlichkeit, die ihre Bürger als Supergrundrecht missverstehen. Sie spielen Aufruhr und Biedermeier in der Bananenrepubik Deutschland.

Ich will nicht in die ladegehemmte Stopftrompete Jan Fleischhauers blasen und den Heldenstatus Snowdens in Zweifel ziehen. Er braucht keine Sophie Scholl zu sein. Auch kein Oppenheimer. Er ist auch kein Werkzeug. Aber es scheint Leute zu geben, die ihn als Instrument seinen Part einer Geschichte spielen lassen, deren Ausgang sie unter Kontrolle zu bekommen versuchen.

Frank Schirrmachers spielerische Idee, hätte Snowden eine CD mit Steuerdaten verkauft, hätten wir ihn zum Millionär gemacht, zieht die gleiche Geschichte aus einem anderen Blickwinkel aus ihrem bisherigen Frame. Es gibt unentwegt, das ist meine These, Versuche, Snowdens Geschichte in Echtzeit umzuschreiben. Daran arbeiten viele Regisseure in Konkurrenz zu einander mit allen Tricks. Die Isolation des Snowden-Virus in Scheremetjewo scheint ihn unter Kontrolle zu halten, wobei unausgemacht ist, wer dadurch welchen Schaden für sich selbst oder Dritte zu minimieren versucht.

Snowden verkörpert eine Systemkrise, mit der wir noch nicht richtig umgehen können. Als Kollateralschäden besichtigen wir eine politische Klasse, die sich wortreich aus ihrer Verantwortung zu mogeln versucht.

Weitere Kollateralschäden wollen die Industriegiganten begrenzen. Ihre globalen Märkte wollen sie nicht verlieren. Sie erweisen sich in später marxistischer Ironie als noch vaterlandsloser als ihre einstigen proletarischen Gegenspieler. Ihre nationale Herkunft allein kann keine belastbare Loyalität mit der Macht erzwingen, wenn das ihre Geschäfte abroad gefährden könnte. Nebenbei erinnert der enge erste Zirkel der Spooks (USA, Kanada, Neuseeland, Australien und UK) an einen Schundroman aus dem Jahr 2003. So lange die Skripte dieser Spooks so sinister geschrieben sind, gibt es noch die Aussicht auf gegenläufige Erzählungen, rückgekoppelt an überlebensfähigere kulturelle Konstrukte und Traditionen.

Frank Schirrmacher sieht in der Snowdenenthüllung den zweiten Fall nach der Eurokrise, in dem die Sprache des Rechts nicht mehr funktoniert, einer Krise, der sich die Politik bisher so wortreich wie sprachlos entzieht. Auf dem Spiel steht die Idee der Demokratie selbst. Wer Wahlergebnisse angebotsökonomisch bis auf die zweite Stelle nach dem Komma erst berechnen und sodann herbeiführen kann, lässt sich davon kaum beeindrucken. Die Idee Ranga Yogeshwars klingt dagegen dramaturgisch interessant: als Verteidigung des alten Menschen und seiner Demokratie gehe es darum, für den Fortschritt eine Betriebsanleitung zu schreiben.

So lange der Fortschritt sich dran hält, wäre dagegen nichts einzuwenden.
 
Crosspost vom Rhetorikblog

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