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ARD/ZDF-Onlinestudie: Interesse an “Mitmach-Netz” sinkt [Update]

von , 12.8.10

ARD und ZDF stellen in ihrer jüngsten Online-Erhebung fest, dass sich das Internet endgültig zum Massenmedium entwickelt habe (Pressemitteilung). Von über der Hälfte der Bundesbürger würde das Internet inzwischen “gewohnheitsmäßig (fast) täglich eingeschaltet”.

Dass “eingeschaltet” nach Fernseher klingt, ist kein Zufall. Das Netz entwickelte sich nämlich laut Studie immer mehr zum Bewegtbildmedium. 60 Prozent der Nutzer würden im Internet Videos schauen, wodurch der klassische TV-Konsum aber nicht sinke. Das Netz werde also quasi zur zweiten Glotze, wie ARD und ZDF erfreut konstatieren: Das “Anschauen von Onlinevideos [ist] für die meisten Nutzer weitaus wichtiger als viele Web-2.0-Aktivitäten.”

Zu Web-2.0-Aktivitäten zählt die Studie Pressemitteilung allerdings vor allem Blogs und Twitter. Soziale Netzwerke, wie Facebook oder StudiVZ, gelten nicht als Plattform der “aktiven Teilhabe”, sondern eher als Communities (vgl. auch Frage von Markus Beckedahl hier).

Betrachtet man die Ergebnisse im Detail, so sind laut Studie im vergangenen Jahr zumindest vier Segmente des Mitmach-Netzes spürbar gewachsen: Wikipedia, YouTube&Co., Facebook&Co. – auch Twitter steigt mit drei Prozent in die Charts ein. Blogs und berufliche Netzwerke stagnieren hingegen. Zeichen für einen Strukturwandel und Verschiebungen innerhalb des Mitmach-Netzes sind also durchaus erkennbar.  Die Studie Pressemitteilung leitet hieraus ein “sinkendes Interesse an aktiver Teilnahme” ab.

Auszug aus der ARD/ZDF-Online-Studie (Busemann/Gscheidle, Seite 367 Mediaperspektiven 2010)

Gemessen wurde hier wohlgemerkt der Nutzerkreis, nicht die Nutzungsintensität oder Nutzungsdauer. Die Vorjahreswerte sind zudem “nur sehr bedingt interpretierbar” (Studientext), da die Grundgesamtheit durch die Erweiterung auf “die deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren” von 64,8 auf 70,6 Millionen stieg.

Mehr zur Studie:

Update 1: Ich hatte in dem Text zunächst geschrieben, die Studie würde Facebook nicht als Teil des “Mitmach-Netzes” zählen – richtig ist hingegen, dass dies in der Pressemitteilung so nahe gelegt wird.

Update 2: Ich habe jetzt noch einmal zwei Zitate aus der Studie selbst herausgesucht, die ein deutlich differenziertes Bild bieten, als es die Pressemitteilung mit dem “sinkenden Interesse an aktiver Teilnahme” tut. Dementsprechend zeichne sich eine “Zwei-Klassen-Gesellschaftder Mitmachanwendungen” ab: mit Facebook&Co. als “massenattraktive Web 2.0-Formen”  auf der einen und einer relativ elitären Blog-, Xing- und Twitter-Anwenderschaft auf der anderen Seite.

Seit der letzten Erhebung ist die Nutzung einiger Web-2.0-Angebote deutlich gestiegen. Allerdings sind erstmals auch rückläufige Nutzungszahlen erkennbar. Es festigt sich das Bild einer Zwei-Klassen-Gesellschaft der Mitmachanwendungen. So zieht die Nachfrage nach Videoportalen, Wikipedia und privatenNetzwerken nochmals deutlich an und vergrößert damit die Kluft zwischen massenattraktiven Web-2.0-Formen und solchen, die relativ kleine Zielgruppen bedienen. Zu Letzteren zählen Fotocommunitys,Lesezeichensammlungen, berufliche Netzwerke, Weblogs und Twitter (vgl. Tabelle 3).

Eine Ausnahme im Konzert der Web-2.0-Angebote bilden die privaten Communitys. Innerhalb dieser Netzwerke funktioniert der Mitmachgedanke. Profile werden angelegt, man partizipiert aktiv – chattet, verschickt Nachrichten, teilt mit, was man gerade tut oder postet Links. Kurz: Communitys sind für ihre Mitglieder eine zentrale Online-Anlaufstelle, quasi eine netzbasierte Kommunikationszentrale, die um verschiedenste Dienste erweiterbar ist und die zudem andere Web-2.0-Anwendungen, wie beispielsweise Blogs oder Videoportale, in sich vereint. Die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Web-2.0-Angeboten werden damit fließend, immer mehr Dienste werden an verschiedenen Stellen angeboten. Ein Bild beispielsweise muss nicht mehr ausschließlich per Flickr ins Netz gelangen, es kann ebenso gut in die Galerie der eigenen privaten Community hochgeladen werden. Gerade bei der Internetnutzung der jüngeren Onliner haben die Netzwerke einen wichtigen Stellenwert. Außerhalb von Communitys bleibt die Idee des Mitmachnetzes jedoch für den Durchschnittsonliner  2010 ohne große Bedeutung.

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