#Bundesparteitag

Antrag auf Umbenennung der Piratenpartei

von , 10.5.10

Der Antrag möge dem Bundesparteitag in Bingen zur Entscheidung vorgelegt werden.

Begründung:

Ihrem Selbstverständnis nach ist die Piratenpartei liberal. Sie verteidigt die bürgerlichen Freiheiten gegen staatliche Regulierung, Bevormundung, Überwachung und Kontrolle. Sie setzt auf gesellschaftliche Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Die Piratenpartei ist überzeugt, dass die digitale Technik Freiheitsrechte sowohl vertiefen und erweitern als auch einschränken und beseitigen kann. Als politischer Zusammenschluss alter Prägung (= Partei) steht sie – seien wir großzügig! – auch in den Traditionen des Vormärz (1815 ff.).

Der Name der Piraten führt jedoch zu falschen Assoziationen (und zu einer naiven Selbsteinschätzung). Ursprünglich war der Name ein spöttischer Reflex auf den Vorwurf, Internet-Nutzer würden kostspielige Inhalte im Netz räuberisch „entern“ – so wie einst die Piraten die Handelsschiffe auf den sieben Weltmeeren.

Doch wir leben nicht mehr im 14. Jahrhundert. Die heutigen Piraten sind nicht die Nachfahren des Klaus Störtebeker (der mit seinen Aktionen die hanseatischen Pfeffersäcke beunruhigte). Die heutigen Piraten sind keine Freibeuter der Meere und keine „Angreifer“. Sie sind (in ihrer großen Mehrzahl) Verteidiger individueller Freiheiten. Sie setzen sich ein für Informationsfreiheit und den Schutz vor Datenmissbrauch. Ihre Politik ist gerade nicht (wie bei Piraten) auf den eigenen Vorteil bedacht.

Dennoch löst die Piratenpartei bei vielen noch immer ein breites Grinsen aus. Man hält sie für eine Faschingspartei, deren Aufgabe es ist, dem alten Parteiensystem eine Nase zu drehen. Man sieht in den Piraten willkommene Provokateure – eine Saison lang gewählt, um den anderen Parteien eins auszuwischen. Solche Wähler bleiben nie lange.

Zugegeben: Ein exotischer Name weckt Neugier. Er verleiht schüchternen Nerds und frechen Erstwählern übernatürliche Kräfte. Das Emblem der Piraten hat die Wirkung eines gallischen Zaubertranks. Doch solche Drogen helfen nicht ewig. Eines Tages wird sich der spektakuläre Name gegen seine Träger wenden. Eines Tages haben sich die Vokabeln „entern“ und „Volle Fahrt voraus“ als Kampfrufe der Playmobil-Generation verbraucht. Irgendwann Schon heute werden erste Piratenwitze gerissen (und sie erinnern nicht zufällig an schlichte Ostfriesen- oder Blondinenwitze).

Dabei wird die „Piraten“-Partei dringend gebraucht. Die Mehrzahl der Altparteien hat den disruptiven Charakter der digitalen Technik noch nicht ausreichend begriffen. Fast allen Altparteien fehlt es an Technik- und Ingenieurs-Verstand.

Wollen die 12.000 Mitglieder der Piraten den Status der Protestpartei also überwinden, brauchen sie einen Namen, der ihren Mitgliedern und ihren potentiellen Wählern gerecht wird. Wollen die Piraten mehr sein als das Symbol für die Vernachlässigung der Internet-Generation in der gegenwärtigen Politik, müssen sie das kokette Lavieren zwischen rechts und links und die bisweilen aufblitzende Anti-Haltung zu den sozialen Emanzipations-Bewegungen der siebziger und achtziger Jahre überwinden.

Es wäre für das Land von Vorteil, wenn die siebtgrößte deutsche Partei endlich wahrgenommen würde als eine Gruppierung, welche die Chancen und Risiken der Digitalisierung mit einem noch viel wichtigeren Thema zu verknüpfen weiß: der Entwicklung und Gefährdung demokratischer Gesellschaften.

Eine Änderung des Namens wäre das richtige Signal dafür. Schaffen die Piraten die Digitalen Demokraten* diese Öffnung nicht, werden sie mit Mann und Maus im toten Meer der „Altparteien“ untergehen.

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*Das stilisierte „P“ der geblähten Piratenflagge könnte im Übrigen auch als „D“ interpretiert und durchaus weiter verwendet werden.


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