von Carmen Epp, 18.1.13
Lang ist’s her, als ich meinen letzten Blogbeitrag hier verfasste. Zwar habe ich mir meinen Publikationsrhythmus bewusst offen gelassen. Doch mangelte es mir nicht an Lust und Laune zu bloggen. Auch sind mir die Ideen nicht ausgegangen – im Gegenteil: die Liste möglicher Blogthemen wächst wöchentlich.
Was mich bisher hinderte, war das, was man wohl als Gretchenfrage eines jeden (privat) bloggenden Journalisten bezeichnen könnte: Was darf ich? Wie viel darf ich? Und wie weit darf ich gehen?
Denn, auch wenn ich es bisher nicht wahrhaben wollte und mir erst durch den Blog so richtig bewusst wurde: Ich habe einen Ruf zu verlieren. Nicht als Privatperson – was ich aus meinem Privatleben blogge, muss einzig und allein ich verantworten. Es geht um den Ruf von mir als Medienschaffende, und damit auch immer um den Ruf des Medienunternehmens, für das ich arbeite. Insofern trage ich als bloggende Journalistin immer auch Verantwortung für meinen Arbeitgeber und meine Arbeitskollegen.
Das Dilemma liegt auf der Hand: Als Journalistin bin ich zwar in der privilegierten Lage, bei Themen stets am Ball zu sein. Ich kenne die Dossiers, verfüge über Informationen, über Hintergrundwissen, über Wissen «off the record», bin quasi im Zentrum der Information – eine ideale Voraussetzung also, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können.
Doch darin liegt gerade die Krux: Ein guter Journalist nämlich berichtet neutral, unvoreingenommen, quasi «meinungslos». Gefärbte Texte sind allenfalls in Leitartikeln, Meinungen nur in Kommentaren erwünscht. Alles andere wäre «unlauter». So sieht zumindest mein persönliches Berufsethos aus. Dass sich das nie zu 100 Prozent umsetzen lässt, ist mir klar. Ich bin ein Mensch, und als solcher filtere ich Informationen, suche aus, formuliere – alles Prozesse subjektiver Färbung, da mache ich mir nichts vor.
Doch was darf ich nun ausserhalb des Mediums – beispielsweise in einem Blog – von mir als Mensch mit Meinung und Haltung preisgeben? Oder besser: Was hätte es zur Folge, wenn ich – zwar ausserhalb des Mediums, aber dennoch publik – mich zu Themen äussere, mit denen ich mich innerhalb des Mediums möglichst neutral auseinandersetze? Disqualifiziere ich mich dann als Journalistin für kommende Berichterstattungen über eben diese Themen? Ich fürchte: Ja.
Klar, es gibt zahlreiche bloggende Journalisten, die ganz dezidiert Meinung beziehen, sich über dieses und jenes auslassen, was sie in ihrem Medium selber nicht können, nicht dürfen, nicht wollen. Einige behaupten gar, dass nur ein Journalist mit eigener Meinung ein guter Journalist sei, ja, man als Medienschaffender gar Stellung beziehen muss. Eine selbstbewusste Einstellung, die bei nationalen Medien gangbar sein mag. Im engmaschigen Gebiet des Lokaljournalismus hingegen kann man sich diesen emanzipatorischen Luxus eher weniger leisten.
Denn: Gehen wir davon aus, ich schreibe Blogbeiträge über meine Meinung zur zweiten Gotthardröhre, zur Neat, zum Tourismusresort Andermatt, zur politischen Situation in Uri, zu Gemeindefusionen, Skigebietserweiterungen und zur Schächenspange. Säße ich dann wenig später an Medienkonferenzen zu eben diesen Themen, läge der Vorwurf der unausgewogenen Berichterstattung nahe. Oder zumindest näher. Egal, wie neutral die Berichterstattung dann auch ausfallen würde – ich wäre auf jeden Fall angreifbar.
Nun stellt sich die Frage, was mir wichtiger ist: Mein Ruf als (idealerweise) neutrale Berichterstatterin, oder der Drang, mir als Mensch mit Meinung und Haltung durch den Blog eine Plattform zu geben?
Diese Frage stelle ich mir, und werde ich mir auch jedes Mal stellen müssen, bevor ich einen Blogbeitrag verfasse. Insofern bitte ich meine Leserinnen und Leser um Nachsicht und um Geduld, sollten die Beiträge weiterhin auf sich warten lassen. Zumindest die Politischen; über Banalitäten und Unverfängliches darf ich ja auch als Journalistin weiter bloggen. Zum Glück!
Crosspost von das eigenwach bloggt