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Trumps Sieg. Alleserklärformel Big Data Psychogramm?

von , 5.12.16

Alle teilen wie wild diesen Artikel über diese super Profiling-Methode. Vor allem Leute, von denen ich denke, sie müssten es eigentlich besser wissen, aber nein: irgendwas mit Big Data, wissenschaftlichem Geruch („OCEAN-Modell“? Das gibt es gar nicht) ein bisschen Verschwörung und dem Wunsch, dass es vielleicht doch einen elaborierten Plan oder ein Mastermind hinter Trumps Sieg oder dem Erfolg der Brexit-Kampagne gibt, scheint kurzsichtig zu machen.

Sei´s drum. Da nun also dieser Artikel dennoch gerade wie (Anti-)Werbung für Social Profiling rumgeht, möchte ich ein bisschen mäßigend drauf eingehen: Profil-Modelle dieser Art sind nicht neu – aus der Psychometrie kommt quasi jedes Jahr ein neues populärwissenschaftlich vereinfachtes Modell, das vor allem Führungskräftetrainer nutzen, um ihren Klienten ein paar nicht allzu tiefgehende Selbsterkenntnisse zu ermöglichen – noch ist die Erkenntnis neu, dass Menschen mit festem Konsum- und Weltbild leicht zu aktivieren sind, sei es zum Kauf von Produkten oder zur Wahl eines Kandidaten (ist ja fast das selbe).

Auch bekannt ist, dass Facebook als Verstärker der eigenen Meinung fungiert, weil die Profilalgorithmen – darauf aus, die Facebook-Erfahrung möglichst angenehm, also selbstbestätigend zu gestalten – eine Echokammer herstellen können. Allerdings geht auch das wieder nur bei Personen, deren Weltbild gefestigt ist. Die anderen wundern sich weiterhin, warum die getargetete Werbung so gar nicht passt.

Was also schon mal eine wichtige Einschränkung ist, wenn man über Psychometrie-Modelle Profile erstellt und diese über Facebook zu einem Kauf oder einer Handlung bringen will: Aktivieren kann ich nur, wofür die Bereitschaft schon da ist. Ich erreiche nicht, dass sich die Meinung ändert.

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Was hat die Brexit-Kampagne und Trumps Wahlkampfkampagne also wirklich anders gemacht als andere? Letztendlich doch nur, dass man die Erkenntnis aus der Verhaltensforschung, dass es besser ist, Stärken zu fördern statt zu versuchen, Schwächen zu verbessern (das man z.B. auch aus der Mitarbeiterntwicklung kennt), konsequent für Wahlaktivierung angewendet hat und exakt und ausschließlich auf die eigene ideologische Zielgruppe zielte. Dann brauchte man nämlich in seiner Kommunikation keinerlei Zurückhaltung mehr üben, um zu verhindern, diejenigen zu verprellen, die mein „Produkt” eh nicht wählen.

Das ist der eigentliche – und der wichtige – Trick hier, denn er immunisiert das, was ich sage, erfolgreich gegen Kritik – weshalb Trump mit jeder noch so wilden Aussage, mit Affronts, platten Lügen und schlichten Wiederholungen derselben unbeschadet durch den Wahlkampf kam.

Das war nicht etwa ein besonders ausgeklügeltes Scoring-Modell. Wenn es um derart klar definierte Zielgruppen geht, brauche ich doch keine ultrakomplexen Profile. Das heißt, also: Ja klar ist das hilfreich, die Zielgruppen targeten zu können, aber die Methoden um die richtige Zielgruppe zu adressieren ist bei Menschen mit festem Weltbild nicht schwer, dafür brauch ich keine komplexen neuen Erkenntnisse.

Interessant wäre es erst dann, wenn ich volatile Profile besser einschätzen können müsste: Zum Beispiel, wenn ich herausfände, unter welchen Umständen ein unentschlossener Mensch einen Entschluss fasst und genau diesen Moment treffen könnte. Das ist aber mit statischen Daten nicht möglich und dass ich ihn dann auch noch ausgerechnet in die Richtung nudge, in die ich ihn gerne hätte, ist noch mal unwahrscheinlicher. Maximal könnte ich ihn dazu bringen, dass er eine Entscheidung trifft statt nichts zu tun, aber ob die für oder gegen meine Intention ausfällt, ist wahrscheinlich reiner Zufall. Außerdem bin ich dann an einem Punkt, an dem ich so individuell reagieren müsste, dass ich den dazugehörige Content gar nicht zur Verfügung hätte.

Wie kommen Menschen immer wieder auf die irgendwie religiös mathematikhörige Idee, dass man menschliches Verhalten derart leicht kategorisieren, vorhersagen und dann sogar steuern könnte? Selbst auf dem Finanzmarkt, der viel mathematischer und in weniger Dimensionen funktioniert hat man bewiesen, dass eine egal mit wie vielen Daten unterfütterte Vorhersage kein bisschen genauer ist, als eine Vorhersage, die auf reinen Zufallszahlen basiert. Man braucht ein magisches Weltbild, um an eine Formel zu glauben, die mathematisch das Wort errechnet, das man einem Menschen sagen muss, damit er plötzlich und willenlos seine Meinung ändert. Viele B-Movies der Fünfziger leben von diesem Gedanken, denn man glaubte schon mal daran, dass eine extreme politische Idee irgendwelche Zauberkräfte hatte, die Menschen zu willenlosen Anhängern macht. Damals war´s der Kommunismus.

In einer Diskussion auf Facebook tauchte die Frage auf, ob auch Gruppen mit volatilen Profilen auf eine Handlung wie „wählen gehen“ motiviert oder demotiviert werden können. Ja, sicher. Das ist aber nicht, was die gemacht haben bei der Brexit- und der Trump-Kampagne. Das was volatile Menschen an Kommunikation brauchen, ist halt die klassische politische Überzeugungsarbeit – das mit Argumenten und Versprechen und Diskussionen – , da komm ich nicht mit plattem Marketing und Claims an. Das Problem dabei ist außerdem, es dauert lange, ist aufwändig, sehr teuer und es erreicht dennoch immer nur den einen Menschen, den man vielleicht am Ende überzeugt hat. Diese Arbeit haben die sich nicht gemacht.

Wenn ich mich auf die Verstärker meiner Botschaft konzentriere, mit der ständigen Wiederholung von „Make America great again” und „Build a wall!“ und „Drain the swamp!“ auf einen Streich Millionen erreiche und aktiviere, dann sorgen diese Leute für eine enorme zusätzliche Reichweite und Lautstärke. Übrigens: Was bisher noch niemand erklärt hat, warum diese Lautstärke wichtig ist, denn sie motiviert und bestärkt nicht nur die Gleichgesinnten sondern demotiviert auch die Gegner. Das ist so einfach wie effektiv. Und wie gesagt, um diese Zielgruppe zu finden, brauche ich keine teuren Big Data Auswertungen mit irgendwelchen geheimen Algorithmen. Da reichen die einfachsten gemeinsamen Nenner, denn das sind die mit dem gefestigten Weltbild, bei denen Werbung und Targeting schon immer funktioniert hat. Die kennen wir, ganz ohne Profil-Modelle.

Was Trump und die Brexiter gemacht haben war, wie gesagt, mit der Kommunikation auf bereits Überzeugte zu zielen, weil man die ja nicht mehr mit Inhalten überzeugen muss. Diese so emotional und einfach wie möglich zu formulieren, um sie von ihrem Publikum extrem lautstark verbreitet zu bekommen, was dazu führt dass die Botschaft alles übertönt und gegen Kritik immunisiert. Und die Botschaft hat keinen Inhalt sondern eine Funktion: Aktivierung. Brexit wählen! Trump wählen! Dazu brauche ich keine Psycho-Algorithmen.

Die sind einfach wieder nur die Berater-Astrologie, um den hohen Preis zu rechtfertigen.

Siehe auch:
PREPARING FOR THE CAMPAIGN TECH BULLSHIT SEASON
In D.C., Cambridge Analytica Not Exactly Toast of the Town
Hat wirklich der große Big-Data-Zauber Trump zum Präsidenten gemacht?

P.S.: Nur zur Klärung, falls das anders rüberkommt. Ich schreibe hier nicht darüber, dass Targeting in Werbung nicht funktioniert. Das tut sie durchaus und ist auch ein wichtiges Werkzeug für sowohl Trumps als auch der Brexit-Kampagne, denn die wollten ja ihre Zielgruppen erreichen und haben das auch geschafft. Man hätte diese Kommunikationsstrategie gar nicht so erfolgreich fahren können, gäbe es die Möglichkeit nicht, Zielgruppen für Social Ads gezielt anzusteuern. Es ist aber nicht schwer, die zu finden, dafür brauch ich keine Scoring-Modelle, die am Ende auch noch zur Ursache des Erfolgs hochgeschrieben werden.

 

Der Beitrag wurde zuerst veröffentlicht auf jensscholz.com.

 


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