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Alan Rusbridger: Der Frontmann unter den Chefredakteuren

von , 9.7.12

Alan Rusbridger ist seit vielen Jahren Chefredakteur der britischen Tageszeitung Guardian, und er ist weltberühmt als Frontmann und Leitwolf des „open journalism“, des ungehinderten Zugangs zu allen journalistischen Inhalten im Netz.

Peter Wilbys Porträt ist aber keine weitere Eloge auf den Mut und die Weitsichtigkeit Alan Rusbridgers, sondern eine kritische Befragung seines angeblichen Erfolgsmodells. Ausgehend von der Erkenntnis, dass der gedruckte Guardian (Auflage Februar 2012: 216.000 Exemplare; 2006: fast 400.000 Exemplare) schneller Geld verliere, als der Online-Guardian es wieder hereinholen könne, stellt Wilby, Ex-Chefredakteur des New Statesman, die despektierliche Frage, ob Rusbridger nicht vielleicht der letzte große Chefredakteur in einer Reihe großartiger Chefredakteure sein könnte.

“Andrew Miller, chief executive of the paper’s parent company, Guar­dian Media Group, warned staff in 2011 that the company ‘could run out of cash in three to five years’ and repeated in February this year that the financial position was ‘not sustainable’.”

Vier Kritikpunkte sind es, die Wilby in sein Rusbridger-Porträt einflicht:

  • Das hohe Gehalt und die großzügigen Pensionsansprüche, die sich Rusbridger mitten in der Finanz-Krise geleistet habe (fast eine halbe Million Pfund Jahresgehalt);
  • Die zeitweise Mitarbeit seiner Tochter Isabella unter einem anderen Namen;
  • Die teure Umstellung auf das Berliner Format, das in Großbritannien bis dahin nicht üblich gewesen sei und deshalb hohe Investitionskosten in Druckmaschinen erfordert habe, die nun nicht mehr voll ausgelastet seien;
  • Die völlige Freigabe des Online-Journalismus. Seit Juni 2006 gilt beim Guardian die Devise „Online First“, was die Website zwar zur fünftgrößten aller Tageszeitungen weltweit gemacht habe, dem gedruckten Guardian aber nicht wirklich weiter helfe.

Zwischen den Zeilen wird Rusbridger außerdem vorgeworfen, er habe aus der einst politischen Tageszeitung Guardian ein weitgehend unpolitisches kulturelles Zeitgeist-Magazin gemacht.

Wilbys Porträt erschien im New Statesman, einer linken britischen Wochenzeitung, die selber eine sehr bewegte Vergangenheit hinter sich hat.

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