#Hybridität

Adé Konvergenz, die Hybriden kommen

von , 14.8.09

Die großen Würfe sind gemacht, der persönliche Computer, das Internet, Google. Jetzt wird’s spannend. Wenn mich jemand fragt, wo denn nun der technische Fortschritt in der Gerätewelt virulent ist, würde ich sagen: bei den Hybriden. Bei Geräten, denen mehr als eine Funktionalität zuwächst. Dass das nicht immer und ganz selbstverständlich funktioniert, belegen der Kühlschrank mit Internetanschluß oder das Handy-TV – auch wenn Regisseure sich extra bemühen und in Krimis, die auf einem Handydisplay gesehen werden sollen, die Einschußlöcher in Opferkörper vom Maskenbildner extragroß machen lassen, damit man auf den kleinen Bildschirmchen überhaupt etwas sehen kann.

Vor ein paar Jahren war Konvergenz das ganz dicke Ding. Konvergenz ist eine Lieblingsidee von Leuten, die Angst haben, die Übersicht zu verlieren. Die alten Vorstellungen von Konvergenz liefen auf eine Elefantenhochzeit zwischen Telefon, Computer und Fernsehen hinaus. Selbstverständlich sollte das Fernsehen als Leitmedium die neuen Medien in sich aufnehmen. 1995 kam Bill Gates mit seiner Vision über die digitale Zukunft. Das Buch hieß “Der Weg nach vorn” und hätte den Microsoft-Prinzipien entsprechend besser “Weg da vorn” geheißen. In der ersten Auflage kam der Begriff Internet nicht vor. Gates eröffnete einen Blick auf ein Universum aus 500 Fernsehkanälen. Währenddessen zündete Netscape den Urknall.

Die gängige Vorstellung von Konvergenz war Microsoft-kompatibel: Ich bin die Macht und nehme alles in mich auf. Aber wo alles auf einen Punkt zuläuft, droht Totalitarismus, das ist das Gefährliche an der Idee von der Konvergenz. Schon dem Medienphilosophen Vilém Flusser sind die Gemeinsamkeiten zwischen Kabelsträngen und den altrömischen Rutenbündeln – den Fasces – aufgefallen, von denen die Faschisten ihren Namen herleiten.

Eines der wesentlichen Entwicklungsprinzipien der menschlichen Kultur ist die Zunahme an Unterschieden. Ähnlich der Evolution von Molekülen, bei der kleinere Einheiten sich zu größeren verbinden, zeigen nun elegante Mischformen den technischen Frontverlauf der tatsächlichen Entwicklung hybrider Konvergenzen an (die Mehrzahl, um deutlich zu machen, dass die Welt der Hybridgeräte ein Multiversum ist). Ein Telefon mit Display, um E-Mails zu lesen, so fing es vor ein paar Jahren an; heute haben wir das iPhone. Und ein Gadget wie das iPhone hat nicht nur wegen seiner Designqualitäten einen Ruf wie Donnerhall. Es ist ein ausgezeichnetes Beispiel für einen gelungenen Hybriden – eine Kreuzung zwischen Mobiltelefon und handlichem Rechner, die eine neue Qualität hervorbringt, welche über die beiden Grundbestandteile hinausgeht.

Von Epson gibt es Akkufestplatten mit eingebautem Display, mit denen Digitalkameras  direkt angesteuert werden können. Nikon kündigt eine Kamera mit einem eingebauten Projektor an. Und ein Hybrid-Klassiker, nämlich das Kamerahandy, ist spätestens seit der Proteste im Iran zum Symbol einer Kommunikationsrevolution im weiteren Sinn aufgestiegen.

Die meisten kulturpessimistischen Denkmodelle basieren auf dem Fehler eines scheinbaren Entweder-Oder – entweder Buch oder Fernsehen, entweder Couchpotatoe oder Mauspotatoe. Damit erfindet man ein Problem, das es nicht gibt. Es gibt nur das Viele.

Peter Glaserei bloggt auf Glaserei. Dieser Beitrag erschien zuerst im Blog der Technology Review.

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