von Redaktion Carta, 4.7.12
Markus Beckedahl auf netzpolitik.org:
„Dieser Sieg ist auch psychologisch wichtig: Vielleicht ist ACTA der Wendepunkt in der Debatte um das Urheberrecht: Bis hier und nicht weiter! Aufhören mit der Repressionsspirale, die immer nur zu mehr Überwachung, mehr Kontrolle und mehr Einschränkung unserer Grundrechte führt…
Was diese Proteste auch so einzigartig machte: Neben einer sich entwickelnden transnationalen Öffentlichkeit gingen tausende junge Menschen zum ersten Mal auf die Straße und betätigten sich zum ersten Mal in ihrem Leben politisch: um sich gemeinsam mit vielen anderen für einen digitalen Umweltschutz einzusetzen und unseren Kommunikations- und Lebensraum im Netz zu erhalten.“
Marcel Weiß auf neunetz.com:
„Das ist eine historische Zäsur: Zum ersten Mal ist ein internationaler Vertrag gescheitert, der exklusive Rechte stärken soll, die vor allem zugunsten der solche Vorhaben vorantreibenden Entertainment-Konzerne wirken…
Die ständige Ausweitung der Monopolisierung des Wissens und der Kultur wurde erstmals seit über hundert Jahren tatsächlich gestoppt. Möglich wurde das, weil die Zivilgesellschaft für ihre Diskurse und ihre Organisation nicht mehr allein auf industrielle Massenmedien angewiesen ist.“
Dirk von Gehlen bei süddeutsche.de:
„Spätestens mit dem heutigen Tag betritt ein Spieler die europäische Bühne, auf den sich die Politik erst einstellen muss: Die digitale Zivilgesellschaft hat in den vergangenen Monaten bewiesen, dass sie eine gewichtige Stimme in der Debatte um die Folgen der Digitalisierung ist.“
Adrian Schneider bei Telemedicus:
“Wer hätte vor wenigen Jahren gedacht, dass ein völkerrechtliches Abkommen über das Urheberrecht die Menschen zu tausenden auf die Straßen treiben könnte? Dann wurde ACTA der breiten Masse bekannt und es entbrannte ein Protest, wie man ihn bei einem medienrechtlichen Thema nie gesehen hat.”
Thomas Knüwer auf indiskretionehrensache.de:
„Dies ist der Sieg einer Generation, die unpolitisch erschien. Die viele verloren glaubten für altmodische Dinge wie Wahlen, Parteien oder überhaupt Interesse an Politik…
Wo kamen all die jungen Leute her? Brutal gesprochen: von Youtube. Einige der wichtigsten deutschen Youtuber hatten in einer konzertierten Aktion und jeder auf seine Weise ihre Fans aktiviert. Sie schafften, was kaum noch möglich schien, eine unpolitische Teenager-Generation politisierte sich.“
Ruth Reichstein und Meike Laaff in der taz:
Plötzlich entstand, was der Europäischen Union sonst meistens fehlt: eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit. Acta-Gegner aus halb Europa wandten sich an das einzige tatsächlich demokratisch gewählte Gremium der EU – das Parlament.
Patrick Beuth auf ZEIT online:
Das Ende von Acta ist ein Erfolg, den sich vor allem Bürgerrechtsorganisationen wie EDRi (European Digital Rights), die Digitale Gesellschaft oder La Quadrature du Net auf die Fahnen schreiben dürfen.
[..]
Die große Leistung der Bürgerrechtler bestand darin, das Momentum dieser Bewegung [SOPA] zu nutzen und viele Menschen dazu zu bringen, sich mit einem sperrigen, drögen Vertragswerk zu befassen. Damit konnte der Protest bis zuletzt am Leben und in den Medien gehalten werden.
Stefan Krempl bei Heise:
Für die Demonstranten ist der Vertrag zu einem Symbol für eine ständige Ausweitung des Systems des “geistigen Eigentums” geworden, das eine Anpassung des Urheberrechts an die Belange der digitalen Gesellschaft verhindert.
[..]
Parallel zur ACTA-Abstimmung steckten die EU-Volksvertreter auch ihre Linie zur “Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden” anhand eines entsprechenden Richtlinienentwurfs ab. Dieser sieht klare Vorgaben für das Konfiszieren und Einbehalten beziehungsweise die Zerstörung von Fälschungen an den Grenzen vor sowie für zu erbringende Nachweise über Raubkopien.
Guter Überblick bei Deutschlandradio:
EU-Parlament lehnt ACTA ab in Das war der Tag vom 04.07.2012 23:40, Autor: Wolfgang Landmesser, Audio 3:14 Min.
Wer hat wie abgestimmt? (via)
Die wichtigsten Reaktionen aus österreichischer Sicht hat futurezone zusammengefasst.
Ole Reißmann bei Spiegel online
Für die Film- und Musiklobby ist die Acta-Ablehnung ein kleiner Rückschritt. In der Europäischen Union steht aber zum Beispiel eine Neuauflage der Richtlinie zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum (Ipred) an. Der Kampf geht weiter, und die Hardliner und Internetkontrolleure haben viel Geld und Personal. Gegen massenhafte Downloads und die öffentliche Stimmung könnten sie aber letztlich trotzdem verlieren.
ADC-Chef Rädeker auf Horizont.net:
Das “Nein” zu ACTA kommt einem “Ja” zu Produktpiraterie, Ideenklau und illegaler Weiterverbreitung von Inhalten gleich: Ein Pyrrhussieg für die digitale Generation in den Industrieländern, die in ihrer eigenen Wertschöpfung immer mehr auf das Internet angewiesen sein wird. Allerdings hat nicht sie ACTA zu Grabe getragen, sondern die Politik selbst: Viel zu lange hat die EU-Kommission die Proteste von Netzaktivisten, Verbänden und die Interessen der Schwellen- und Entwicklungsländer nicht ernst genommen und unsägliche Geheimniskrämerei betrieben.
Jasper von Altenbockum in der FAZ:
„Die Meute ist über „Acta“ hergefallen und hat gewonnen. Dagegen war der Widerstand gegen „Zensursula“ und gegen das Gesetz, das Kinderpornographie entweder löschen oder sperren sollte, nur ein laues Lüftchen. Damals wie heute will die sakralisierend als „Netzgemeinde“ verherrlichte Schwarmarroganz der Internetfetischisten einen Präzedenzfall verhindern, der bedeutete, dass endlich auch hier staatlich gewährleistet wird, was nur der Staat gewährleisten kann: Recht.“
Weitere Stimmen folgen…