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Aberglaube: Von der Korrelation zur Kausalität

von , 12.8.14

Es ist menschlich, die Dinge in einen Zusammenhang bringen zu wollen. Schließlich wünschen wir uns alle Klarheit, Nachvollziehbarkeit, letztlich: Ordnung in dieser chaotischen Welt. Kategorien wie “Zufall” sind ärgerlich, weil unkalkulierbar. Also weg damit!

Um es sich im Leben richtig flauschig und gemütlich zu machen, die Dinge in Ordnung zu bringen, die Zumutungen einer immer komplexer werdenden Welt auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, muss man keinen großen Aufwand betreiben. Es genügt, Korrelation und Kausalität zu verwechseln.

Ein Beispiel: Eine schwarze Katze kreuzt euren Weg. Kurz darauf stolpert ihr und brecht euch das Bein. Dumm gelaufen, sagen die einen. Ursache und Wirkung, sagen die anderen und verallgemeinern schnell: Schwarze Katzen bringen Unglück! In dieser kleinen Deutungsverschiebung gründet tatsächlich ein Großteil von Aberglaube und Unsinn in dieser Welt.

 

Es kann auch einfach nur Zufall sein

Schwarze Katze, Foto: © @teraeuro

Eine Korrelation, um das hier noch mal kurz auf den Punkt zu bringen, ist nichts weiter als ein Zusammenhang, eine Beziehung zwischen zwei Variablen – in unserem Beispiel: Katze und Unglück. Hätten wir über das einzelne Katzen-Ereignis hinaus mehr Daten zur Verfügung und würden feststellen, dass auffallend häufig dann ein Unglück passiert, wenn eine schwarze Katze den Weg kreuzt, hätten wir eine statistisch signifikante Korrelation. Und spätestens dann wird es sehr verführerisch, in die Korrelation Ursache und Wirkung hineinzudeuten.

Das wäre aber voreilig. Bei der Beziehung der beiden Variablen kann es sich um eine Ursache-Wirkungs-Beziehung handeln, dann spricht man von Kausalität. Wenn es eine Korrelation zwischen A und B gibt, kann A also Ursache von B sein, oder B kann Ursache von A sein.

Es kann aber auch sein, dass keines von beidem Ursache von irgendwas ist. Stattdessen kann es eine dritte Variable geben, die A und B beeinflusst hat. Manchmal kann man diese Variable ermitteln, manchmal nicht. Und manchmal handelt es sich einfach um Zufall – dann spricht man von Koinzidenz.

 

Scheinkorrelationen: Korrelationen ohne Kausalität

Solche Korrelationen, denen kein Kausalzusammenhang zu Grunde liegt, nennt man auch Scheinkorrelationen, und für sie gibt es viele wunderbare Beispiele. In manchen Regionen korreliert etwa die Anzahl der Störche mit der Geburtenrate. Erstaunlicherweise ist das eine aber nicht Ursache des anderen, stattdessen gibt es eine dritte Variable, die sich auf Störche und Geburtenrate auswirkt: die Ländlichkeit der Region. Je ländlicher die Region, desto mehr Störche und desto mehr Geburten.

Wie gesagt: Die dritte Variable kann auch verborgen bleiben – oder schlicht nicht existieren. Eine Korrelation kann, zumindest über einen bestimmten Zeitraum hinweg, rein zufällig bestehen, und je größere Mengen an Big Data wir auswerten können, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir Korrelationen finden, Zeitreihen, die sich ähneln, und doch gar nichts miteinander zu tun haben.

Die wunderbare Webseite Spurious Correlations sammelt solche Beispiele, um zu demonstrieren, wie unsinnig es ist, kausale Zusammenhänge in solche Korrelationen hinein zu interpretieren. Oder glaubt jemand, dass die Scheidungsrate in Maine in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Pro-Kopf-Verbrauch von Margarine in den USA steht? Oder noch besser: dass der Pro-Kopf-Verbrauch von Käse in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Zahl von Menschen steht, die gestorben sind, weil sie sich in ihrem Bettlaken verheddert haben? Auch, wenn in beiden Fällen die Korrelation zwischen den Variablen beeindruckend ist!

 

Aberglaube – das vorschnelle Annehmen kausaler Zusammenhänge

So viele kanns und so viel Komplexität sind offenbar für viele Menschen unbefriedigend, weil sie das Leben, das Universum und den ganzen Rest weniger kalkulierbar machen. Und deshalb blasen diese Menschen mit viel Elan und wenig Vernunft jede Koinzidenz und Korrelation zur Kausalität auf und machen sich die Welt, widewidewie sie ihnen gefällt.

Und so kommen wir ganz schnell zu einem sehr einfachen und wahren Satz, den der Wiener Biologe Erich Eder gesagt hat:
 

Aberglaube [ist] nichts anderes als das vorschnelle Annehmen kausaler Zusammenhänge.

 
Bei dem Beispiel mit der schwarzen Katze habt ihr sicher gelacht. Glaubt doch heute kein Mensch mehr! Also schön, wie wär’s damit: Zwei Drittel der Deutschen sind davon überzeugt, dass sie bei Vollmond schlechter schlafen. Erwischt, liebe Leser, bei diesen 66 Prozent sind sicher auch ein paar von euch dabei.

 

Von der Korrelation über die Kausalität zur selbsterfüllenden Prophezeiung

Lustiger Weise gibt es beim Thema Mondphasen und Schlaf (genauso wie beim Katzen-Beispiel) keine statistisch belegbare Korrelation, die über individuelles Meinen und Fühlen hinausgeht. Von einer Kausalität ganz zu schweigen.

Bleiben wir aber jenseits statistischer Messbarkeit und Relevanz beim Individuum: Dann kann es gut sein, dass ihr ein- oder zweimal in eurem Leben schlecht geschlafen und bei einem Blick aus dem Fenster festgestellt habt: Hoppla, Vollmond! Ich nenne das mal: gefühlte Korrelation. Und zack, wird aus der Korrelation eine Kausal-Beziehung (“Der Mond ist schuld, dass ich nicht schlafen kann!”), und in Nullkommanichts via selektiver Wahrnehmung (“Meinen Bekannten geht’s genauso”) eine selbsterfüllende Prophezeiung (“Ach, schon wieder Vollmond, da kann ich bestimmt wieder nicht gut schlafen!”).

Der Mond ist natürlich deshalb ein so großartiger Kausalitäts-Kandidat, weil er in anderen Zusammenhängen nachweislich in einer Ursache-Wirkungs-Beziehung zum Leben und Treiben auf dieser Erde steht – bei Ebbe und Flut etwa. Und wenn der Mond die Weltmeere in Bewegung setzen kann, muss er auch Auswirkungen auf unseren Schlaf, unsere Frisuren und werweißwasnochalles haben, ist klar.

 

Krank gewesen, Globuli genommen, gesund geworden

Nach demselben Muster funktioniert die von mir, wie ihr wisst, heiß geliebte Homöopathie. Krank gewesen, Globuli genommen, gesund geworden. Eine klassische Korrelation, wie sie jedes Jahr vermutlich millionenfach vorkommt. Noch deutlich übertroffen allerdings von der Korrelation krank gewesen, nichts genommen, gesund geworden. Denn der menschliche Körper verfügt nun mal glücklicherweise über Selbstheilungskräfte, die sich auch durch die Einnahme noch so vieler Globuli nicht aus dem Konzept bringen lassen.

Der Umstand, dass sich hier keine Kausalität nachweisen lässt, ist für Freunde der Homöopathie schwer zu verstehen und wird von ihnen daher in aller Regel großzügig ignoriert (wie ihr auch in den Kommentaren zu meinem letzten Blog-Beitrag über Homöopathie nachlesen könnt).

Damit könnten wir auch das alte “Wer heilt, hat Recht”-Argument endlich mal einmotten, denn schon die Annahme, dass der Heiler für die Heilung verantwortlich ist, macht aus einer Korrelation vorschnell eine Kausalität. Erst, wenn Ursache und Wirkung mit wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen sind, sieht die Sache anders aus.

Aber mit diesen Methoden tut sich die Alternativmedizin ja bekanntlich ein wenig schwer. Und die Floskel “Wer heilt, hat Recht” wird vermutlich genau so aus der Welt verschwinden, wie dieser lästige Löwenzahn aus dem Rasen meines kleinen Reihenhausgrundstücks: gar nicht.

 

Esoterik, Astrologie, Ernährungsratgeber: Ab in die Tonne

Hat man sich aber einmal zu der Erkenntnis durchgerungen, dass Korrelation nicht gleich Kausalität ist, kann man frohgemut die ganze Esoterik, Astrologie, Verschwörungstheoretik und alles sonstige Geschwurbel und Gedöns in die Tonne treten. Eine Korrelation zwischen Sternenkonstellationen und Charaktereigenschaften, selbst wenn sie nachweisbar wäre: egal. Erstaunliche Korrelationen zwischen irgendwelchen Maya-Kalendern und der Wirklichkeit, selbst wenn es sie gäbe: so bedeutend wie die Standfestigkeit eines Sacks Reis in China.

Extrem anfällig für Scheinkorrelationen ist übrigens auch die ganze, mir ohnehin suspekte Branche der Ernährungs- und Besser-Leben-Experten. Die Zahl der Ernährungs-Tipps, die auf einem Zusammenhang Lebensmittel/Verhaltensweise A und gesundheitlicher Auswirkung B basiert, ist schwindelerregend. Forscher der Uni Wuppertal haben festgestellt, das fünf Mal am Tag Obst und Gemüse essen die Krebsgefahr reduziert, spät abends essen dick macht oder viel Salz im Essen den Blutdruck erhöht? Vergesst es!

Erstens halten die meisten dieser “Erkenntnisse” einer genauen Betrachtung nicht stand. Und zweitens handelt es sich bestenfalls um Korrelationen. Das System Mensch ist viel zu komplex, um einfache Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen zwei Faktoren herstellen zu können.

Ach, ich könnte noch ewig weiterschreiben und Beispiele nennen. Aber ihr habt, glaube ich, verstanden. Wir merken uns also bitte ein für alle Mal: Korrelation impliziert nicht zwingend Kausalität. Oder für die Gelehrten unter uns: Cum hoc ergo propter hoc.

 

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Crosspost von Christian Buggischs Blog

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