A Townhall Meeting about nothing?

von , 15.10.08

Am Dienstag stand mit dem so genannten Townhall-Meeting in Nashville (Tennessee) ein neues Format auf dem Debattenkalender – diesmal herrschte keine kalte Studioatmosphäre, John McCain und Barack Obama begegneten sich im Kreise eines ausgesuchten Publikums aus demokratischen, republikanischen und unentschlossenen Wählerinnen und Wählern. Trotz des „Palin-Faktors“ hatte Barack Obama seit Beginn des Debattenzyklus die Führung in den Umfragen ausbauen können – damit war John McCain im Zugzwang: er hatte in den vergangenen Tagen eine „Verschärfung des Tones“ in seiner Wahlkampagne angekündigt, ein Vorhaben, das sich nicht gut mit dem „weicheren“ Gesprächsformat der Bürgerversammlung zu vertragen scheint.

Erstmals in der Debattengeschichte konnte Moderator Tom Brokaw (NBC) auch auf Fragen zugreifen, die vorab von Bürgern per E-Mail eingesendet wurden. Mit Blick auf gut sechs Millionen eingegangene Nachrichten hatte Sarah Lai Stirland dazu lakonisch für das Wired-Blog bemerkt: „Viel Erfolg beim Auswählen!“. (Update: die Zahl wurde von Nancy Scola für techpresident.com inzwischen deutlich korrigiert – auf “nur” 25.000 Einreichungen. Einen guten Artikel über die “Digitalisierung der Debatten” liefert auch Jose Antonio Vargas für die Washington Post).

Nur einen Tag vor der Diskussionsrunde hatten Statements aus beiden Lagern eine künftige Lockerung der Regeln und Stärkung der Online-Kommunikation befürwortet. Dabei antworteten McCain und Obama auf einen Vorschlag der Open Debate Coalition, die die Rolle der etablierten Medien bei der Organisation des Townhall-Meetings kritisiert und eine Digitalisierung der bisherigen TV-Domäne gefordert hatte: „Die Präsidentschaftsdebatten sollen der Öffentlichkeit nutzen. Daher sollte das Recht, über die Debatten zu sprechen auch der Öffentlichkeit „gehören“ und nicht von den Medien kontrolliert werden. Internet-Fragen beim „Townhall-Meeting“ sollen direkt von den Wählern ausgesucht werden und nicht allein durch Journalisten.“

Nach den ersten beiden Debatten hatte vor allem John McCain auf das Versammlungsformat gesetzt. Das expectation game, das Spiel mit den Erwartungen der Zuschauer, legte die Last auf die Schultern des republikanischen Kandidaten, während sein demokratischer Kontrahent als unerfahrener Teilnehmer weniger hohe Hürden zu nehmen hatte. In den ersten Reaktionen ist John McCain diese Rolle nicht allzugut bekommen: „Beim Umherlaufen auf der Bühne wirkte er alt, manchmal ein wenig zu steif“ bemerkt Aaron Zelinsky für das Presidential Debate Blog. Anders als in der ersten Debatte, waren die Kandidaten nicht auf ihre Position hinter einem Rednerpult festgelegt, so blieb auch während der Redezeit des Kontrahenten eine Möglichkeit für eine indirekte Beteiligung am Geschehen. Offenbar will John McCain seine aggressivere Haltung des Wahlkampfs auch hier verdeutlichen. Katharine Q. Seelye bezweifelt, dass ihm dies gelungen ist: „McCain steht angespannt an seinem Stuhl während Obama redet, bereit zum Sprung in den Ring. Und wenn er es tut, dann mit einem schlechten Scherz.”

In inhaltlicher Perspektive hatte die dritte Debatte des Jahres 2008 nicht viel neues zu bieten, bisweilen wurden auch schon erprobte Zeilen aus dem ersten Aufeinandertreffen wiederholt – dabei kalkulierten die Kampagenteams wohl damit, dass mehr und andere Zuschauer eingeschalten würden. Denn während die Debattenpremiere 52,4 Millionen Menschen vor die Fernsehschirme gelockt hatten, setzte die Gesprächsrunde der Vizekandidaten mit Joe Biden und Sarah Palin eine neue Rekordmarke: deutlich mehr als 70 Millionen Zuschauer hatten sich die mit Spannung erwartete Runde nicht entgehen lassen. Das ist die zweithöchste je gemessene Reichweite einer Präsidentschaftsdebatte. Und Sarah Palin mischte sich während der Debatte tatsächlich auch unter die Zuschauer, wie der Caucus Blog der New York Times notiert: “Unsere Kollegin Julie Bosman, die den Wahlkampf von Gouverneurin Palin begleitet, berichtet gerade, dass die komplette Palin-Entourage in einer Pizzeria in Greenville, (North Carolina) Halt machen. Sie mischen sich unter die Einheimischen und schauen dort die Debatte. Sarah Palin gibt Autogramme und lässt sich mit den überraschten Gästen fotografieren. Die hohen Schuhe und die weiße Jackett hat sie gegen Jeans und Trainingsjacke getauscht.”

Doch für Palin war diesmal nur eine ganz kleine Nebenrolle vorgesehen. Angesichts der Finanzkrise konnte die Dominanz dieser Thematik nicht überraschen – ebensowenig wie die Schwierigkeiten für McCain, sich von George W. Bush zu distanzieren: „Und wieder hörten Millionen Amerikaner kein klares Gegenargument von John McCain, warum die Demokraten den Einbruch der Wall Street nicht den acht Jahren republikanischer Herrschaft im Weißen Haus anlasten können“, berichten Carrie Budoff Brown und Bill Nichol für Politico. David Gergen (CNN) stellt beiden Teilnehmern ein mittelmäßiges Zeugnis aus, immerhin hat für ihn Barack Obama einmal mehr bewiesen, dass er der „elegantere und bessere Redner ist. Aber er hat den Funken nicht zum überspringen gebracht und er hat uns auch keine neuen Einsichten – oder Ideen – vermittelt, wie wir aus der Umklammerung der Finanzkrise herauskommen.“

Für eine neue Art der Debattenrezension sorgt der New Yorker Journalistikprofessor Jay Rosen (pressthink.org): über den Sofortnachrichtendienst Twitter listet er die aus seiner Sicht wichtigsten Anmerkungen zur Debatte in knappen Info-Happen auf. Auch hier schneidet John McCain schlechter ab, vor allem gemessen an seinen Ansprüchen: „Nummer Neun: Ich dachte, McCain hat seine stärkste Karte überhaupt nicht ausgespielt. Er war er es, der im Vorfeld nach mehreren solcher Veranstaltungen gefragt hatte – Obama wollte nicht.“ Auch der offensichtliche Versuch, Schärfe auf die Bühne der Bürgerversammlung zu bringen, schlägt in Rosens Augen fehl: „Nummer Sieben: McCain´s Versuch, Angst vor „dem anderen Kerl“ zu säen musste in einer Townhall-Debatte fehlschlagen – denn der andere Kerl steht gleich gegenüber, und er macht uns keine Angst.“ Auf der anderen Seite des Kontinents antwortet ihm Software-Entwickler und Blog-Legende Dave Winer (scripting.com), ebenfalls via Twitter: „Ich habe das Gefühl, das Stück mit „dem anderen Kerl“ werden wir wieder und wieder und wieder hören.“ Winer verweist auf YouTube, wo der entsprechende Debattenausschnitt natürlich längst angekommen ist. Schon bei der ersten Debatte war vielen Beobachtern aufgefallen, dass John McCain seinen Kontrahenten nicht direkt adressierte. McCains vage Ansprache von Barack Obama als „der andere“ ist nun auch für Michael Calderone (Politico) „der vielleicht merkwürdigste Einzelmoment der Debatte“.

Überhaupt keinen schönen Abend hatte Tom Bevan – für RealClearPolitics wettert er: „Nichts, es ging um gar nichts!“ Die Kandidaten „schlafwandelten durch eine der langweiligsten, am wenigsten informativen, am schwächsten moderierten Debatten der jüngeren Zeit. Es scheint, als sei das Händeschütteln noch der inspirierteste Moment gewesen.“

Die dritte und letzte Debatte der beiden Präsidentschaftskandidaten findet am 15. Oktober an der Hofstra University in Hempstead (New York) statt.

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