#Atriumtalk

Die selbstbewussten Führungsleitlinien der Bochumer Stadtwerke

von , 11.11.12

Unternehmensethisch gesehen ist es äußerst wertvoll, wenn man eine hohe Meinung von sich hat. Die Bochumer Stadtwerke z.B. sind nicht Goldman Sachs, aber nach eigener Einschätzung „ein unabhängiges und selbstbewusstes Unternehmen“.

Das muss man auch sein, wenn man den Teilnehmern an einer lokal begrenzten Talkrunde 25.000 Euro Honorar hinblättern kann. So geschehen in den Fällen Joachim Gauck und Peer Steinbrück. Für den Abgeordneten Steinbrück war es das höchste Honorar, das er im Verlauf seiner Vortragstätigkeit zwischen 2009 und 2012 erhalten hat. Er musste sein Honorar auch nicht, wie von den Stadtwerken anfangs behauptet, für karitative Zwecke spenden – er durfte es behalten*. Denn im „Unternehmensleitbild“ der Bochumer Stadtwerke heißt es:

„Zur Erreichung unserer strategischen Ziele gehen wir aus Überzeugung Kooperationen ein. Wir sind bereit, dafür auch Bewährtes loszulassen.“

In diesem Fall wurden 250 giftgrüne 100-Euro-Scheine losgelassen. Peanuts für die Bochumer Stadtwerke, die sich an der Gelsenwasser-Beteiligung dumm und dämlich verdienen und in der nordrhein-westfälischen Energiewirtschaft eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielen.

Schauen wir uns deshalb die „Führungsleitlinien“ der selbstbewussten Bochumer Stadtwerke etwas genauer an. Es sind acht an der Zahl – und jede einzelne Leitlinie verdeutlicht auf ihre Weise, warum Bochum in der karitativen Landschaftspflege führend ist:

Leitlinie Nr.1: „Wir, die Führungskräfte der Stadtwerke Bochum GmbH, sind Vorbild. Unser Verhalten, sowohl im Guten wie im Schlechten (sic! siehe Screenshot), ist Orientierung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind uns unserer Wirkung bewusst.“

Das stimmt! Die Wirkung ist sogar phänomenal. Im Guten wie im Schlechten. Konzentrieren wir uns zunächst auf das Gute:

Leitlinie Nr.2: „Wir begegnen unserem Gegenüber auf Augenhöhe und gehen wertschätzend und verständnisvoll miteinander um.“

Das kann im Ernst niemand bestreiten. Im ganzen Land wird man keine höhere Wertschätzung finden als in Bochum. Jedem Mitarbeiter der Stadtwerke muss das bekannt gewesen sein, denn:

Leitlinie Nr.3: „Wir gehen mit vertraulichen Informationen vertrauensvoll um. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen unternehmenswichtige Informationen von uns und nicht aus der Zeitung.“

Okay, ist dumm gelaufen, aber dafür gibt es ja:

Leitlinie Nr.4: „Wir erkennen unsere Fehler und lernen daraus. Wir denken und handeln so, als wären wir der Eigentümer des Unternehmens.“

Selbstbewusster kann man es nicht ausdrücken. Deshalb ist die kleinliche Unterscheidung zwischen Spende und Honorar auch nicht besonders hilfreich. Beckmesserische Kritik kratzt die Bochumer Stadtwerke jedenfalls nicht. Dafür gibt es:

Leitlinie Nr.5: “Wir halten das Treffen von klaren Entscheidungen für eine unserer wichtigsten Aufgaben…Wir stehen zu unseren Entscheidungen.“

Und das sollte man auch so akzeptieren. Schließlich gilt:

Leitbild Nr.6: „In jedem Team gibt es einen Kapitän, der ohne Mannschaft aber nichts bewegen kann…Wir sind Teamspieler.“

Das heißt, im Team waren wohl alle mit der Höhe der Honorare einverstanden. Und deshalb werden die Bochumer Stadtwerke auch keine weitere Stellungnahme zu irgendwelchen Anfragen abgeben. Dafür steht:

Leitbild Nr.7: „Wir erkennen Konflikte und sprechen sie offen an. Das direkte Gespräch ist die Basis für die Konfliktbewältigung.“

Die Bochumer Stadtwerke haben keine Minute gezögert, als es darum ging, offen und direkt eine 180-Grad-Wende zu vollziehen. Ein selbstbewusstes Unternehmen ist dadurch nicht zu erschüttern. Im Gegenteil. Es gilt deshalb weiterhin:

Leitbild Nr.8: „Besonders talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen wir durch spezielle Maßnahmen.“


*Zu den bislang bekannt gewordenen Teilnehmern des (inzwischen ausgesetzten) „Atrium-Talks“ gehörten: Richard von Weizsäcker, Joschka Fischer, Dietrich Grönemeyer, Uli Hoeneß und Peter Maffay. Peer Steinbrück spendet sein Honorar nun doch an soziale Einrichtungen. Joachim Gauck will sich zu seinem Honorar nicht äußern.

Zustimmung, Kritik oder Anmerkungen? Kommentare und Diskussionen zu den Beiträgen auf CARTA finden sich auf Twitter und auf Facebook.