Loveparade Duisburg: Schockierende Erfahrung

von , 25.7.10

Die vermutlich letzte Loveparade nahm ein tragisches Ende, 19 Menschen mussten dabei sterben. Ich möchte hier auf drei Texte zum Unglück hinweisen.

Frank Luebberding beschreibt auf Weissgarnix den Abend aus der Sicht eines Vaters, dessen Tochter an der Party teilnahm und über Stunden nicht erreichbar war. Sie hatte Glück und kam wohlbehalten zurück. Ihr Vater geht dennoch mit den Veranstaltern hart ins Gericht:

“Nun meinen die Verantwortlichen, ihr Sicherheitskonzept habe funktioniert. Bei 19 Toten und mehr als 300 Verletzten? Das Fehlverhalten Einzelner habe das Desaster zu verantworten? Wie kann man in einem Sicherheitskonzept mit dem korrekten Verhalten aller Teilnehmer rechnen – und zwar einem Verhalten, dass noch nicht einmal krimineller Natur ist wie etwa bei einem Amokläufer? Alle Umstände sprechen dafür, dass den Verantwortlichen schon vor dem Unglück die Problematik klar gewesen sein muss: Enge Zugänge zum Veranstaltungsgelände, ein für die erwartete Besucherzahl zu kleiner Veranstaltungsort, das Bemühen mehr als 1 Million Gäste aus der Stadt herauszuhalten. Man wollte ein Großereignis durchführen und gleichzeitig den Rasen vor der Mercatorhalle in der Innenstadt schützen. Letzteres ist auch gelungen.”

Lars Fischer befasst sich im Fischblog mit der Frage der Kapazitäten im Straßentunnel der Duisburger Karl-Lehr-Straße, dem einzigen Zugang zum Gelände, auf dem die Loveparade stattfand. In seiner Modell-Rechnung kommt er zum Ergebnis, dass der Zugang zu klein dimensioniert war:

“Simulationen und Videoanalysen zeigen denn auch, dass Gedränge in einer Situation wie dem Zugang zur Loveparade selbstverstärkend ist. Je enger die Menschen zusammenstehen, desto geringer wird der Fluss pro Zeiteinheit. Sobald von hinten mehr Menschen nachdrängen als durch den Tunnel passen, wird die Menge insgesamt langsamer und durch den Druck von hinten weiter verdichtet.

Wenn die lokale Dichte einen Wert von 6 Personen pro Quadratmeter überschreitet, bricht die geordnete Strömung von Menschenmassen zusammen und geht in nichtlineares Verhalten über – die Geschwindigkeit fällt abrupt um den Faktor 3 oder mehr ab (Quelle 11) und der Rückstau führt dazu, dass die Bewegung weiter stockt und die Menge noch dichter wird. Ab hier wird die Lage sehr schnell kritisch.”

Carta-Autor Andreas Grieß stellt in seinem Blog die Frage, ob Journalisten schon im Vorfeld solcher Ereignisse stärker auf mögliche Schwachstellen hinweisen müssen:

“Wo waren wir Journalisten, wenn es darum ging, vorher einen Blick in die Planung und Richtlinien zu werfen und den Mut zu haben, sich soweit aus dem Fenster zu lehnen, zu sagen: „Das geht nicht, das ist gefährlich!“?”

Zwei Eindrücke dieses tragischen Ereignisses bleiben. Die Veranstalter in Duisburg haben die Idee einer Loveparade überhaupt nicht verstanden, wenn sie diese anstatt in die Innenstadt, auf ein abgelegenes Betriebsgelände verlegen. Zudem wurde dort leichtfertig mit der Sicherheit und dem Leben der Besucher umgegangen, weil man ihre enorme Menge absolut nicht im Griff hatte. Wer Großveranstaltungen vom Kaliber einer Loveparade plant, sollte wissen, was da auf ihn zukommt. 19 Tote sind ein nicht zu akzeptierender Preis dafür.

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