#Bundestagswahl

Tagungen zur Energiepolitik: Willkommen in der Gerontologie

von , 28.5.09


Das Energie-Thema ist momentan hip. Der drohende Klimawandel, der neue Kalte Krieg mit Russland, für jeden ist etwas dabei. Land auf, Land ab finden daher Konferenzen, Workshops, Tagungen und eine Vielzahl anderer Veranstaltungen statt. Und meistens bietet sich dort das selbe Bild: Fast immer sind ältere Herren jenseits der Sechzig in der Mehrheit, was an und für sich keinen Nachteil darstellt. Denkt man aber genauer darüber nach, ist der Mangel an jüngeren Interessenten durchaus problematisch.

Das erste Problem liegt darin, dass aufgrund der sehr ähnlichen Zusammensetzung des Publikums auch die Debatten zumeist gleich verlaufen. Das gemeinsame Credo lautet: Weiter so! Stark verkürzt lassen sich drei immer wiederkehrende Argumentationsstränge erkennen. Erstens die Kernenergie ist sicher und billig, ein Ausstieg wie ihn die Bundesrepublik derzeit praktiziert ist folglich ein energiepolitischer Fehler. Zweitens steht die Fusionsenergie kurz vor der großtechnischen Realisierung und damit ist das Energieproblem für immer gelöst. Drittens sind erneuerbare Energien ohnehin zu teuer, zu aufwendig und irgendwie unnötig.

Kritisch ist dabei insbesondere, dass in der Altherrenriege große Einigkeit herrscht. Eine energiepolitische Debatte ist ergo überflüssig. Der Umstand, dass die Zusammenhänge zwischen einer sicheren Energieversorgung, Nachhaltigkeit und günstigen Preisen vielleicht doch etwas komplexer sind, wird dabei locker unter den Tisch gekehrt. Richtig ist, dass die Erneuerbaren zum Teil noch unter Kinderkrankheiten leiden, dass sie zum Teil teurer sind als bereits bestehende (und abgeschriebene) Kraftwerke, und dass Sonne und Wind alleine nach heutigem Stand der Technologie noch nicht die Gesamtenergienachfrage befriedigen können. Aber auch die fossilen Energieträger bergen etliche Probleme. Neben der generellen Verfügbarkeit und dem möglichen Einfluss geopolitischer Verwerfungen ist es heute vor allem die globale Erwärmung, die in diesem Kontext kontrovers diskutiert wird. In Bezug auf die Kernenergie verhindert zum einen das Trauma Tschernobyl und zum anderen die bis heute weder technisch noch politisch geklärte Frage der Atommülllagerung eine sachliche Auseinandersetzung.

Dabei ist der Strukturwandel im Bereich Energieerzeugung und -verwendung bereits in vollem Gange, mit allen technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen die damit einhergehen. Und damit wären wir beim zweiten Problem. Da vor allem die jüngere Generation von den Folgen der bisherigen Ressourcennutzung und in gleichem Maße vom Umbau des Energiesystems betroffen sein werden, ist es erschreckend wie gering die Beteiligung dieser Altersgruppe an öffentlichen Auseinandersetzungen zur Energiethematik ist. Wenn man bedenkt, dass die Planung, Realisierung und der Betrieb von Kraftwerken und sonstigen Energieinfrastrukturen einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten umfasst, sollte doch gerade die Generation der unter 30-Jährigen ein besonderes Interesse an einer klaren Weichenstellung haben. Hat sie wohl auch, allerdings macht sie zu wenig daraus.

Dabei würden gerade das Aufeinandertreffen von Alt und Jung der notwendigen Energiedebatte das bislang fehlende Moment verleihen. Die bevorstehende Bundestagswahl könnte genau dafür eine Chance bieten, die Gelegenheit die Europawahl als Auslöser einer energiepolitischen Kontroverse zu nutzen ist leider schon vertan. Da die politischen Impulse sich bislang als unzureichend herausgestellt haben, obliegt es den Interessierten aller Altersschichten die Bundestagswahl 2009 zu einer Energiewahl zu machen. Deshalb ist vor allem die jüngere Generation gefordert, die Energiedebatte endlich aus dem Pausenhof und den Studenten-WGs in die Öffentlichtkeit zu tragen und die Auseinandersetzung mit der Generation „Weiter so!“ zu suchen.

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