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Neue digitale Musikindustrie: Musik als Strom ohne Eigentum?

von , 25.5.09


Für Berater und Kolumnist Jim Griffin war die Sache schon sehr früh klar: Mit der Musik würde es so werden wie mit dem elektrischen Strom. Denn der Strom lässt sich am besten nutzen, wenn jedes Haus an ein großes Netz angeschlossen ist. Diese Art der Zugangsregelung bedeutet aber noch lange nicht, dass Strom kostenlos verteilt wird. So ähnlich müsste es auch mit der Musik im Internet funktionieren, dachte sich Griffin schon in den 1990er Jahren. Heute zeichnet sich ab, dass er Recht hatte.

Dabei handelt das deutsche Startup Simfy ganz im Sinne von Griffin. Denn das vor knapp zwei Jahren gegründete Unternehmen vollzieht gerade einen bemerkenswerten Wandel. Bisher konnte man seine eigene Musik zu Simfy hochladen und von dort wieder zurückstreamen. Der Reiz daran war, dass man auf der Plattform auch Zugang zu den Musiksammlungen seiner Freunde bekam und man so auf ein entsprechend größeres Repertoire zugreifen konnte. Finanziert wurde der kostenlose Dienst über Werbung bzw. Affiliate-Marketing.

Im neuen Simfy (das jetzt schon als Closed Beta läuft) braucht man keine “Freunde” mehr, denn man kann auch so auf einen Pool an mehreren Millionen Titeln aller großen Musiklabels zugreifen. Dafür hat Simfy mit allen Major-Labels Verhandlungen geführt, die letzten Verträge stehen kurz vor dem Abschluss. Wer Werbeeinblendungen akzeptiert, darf kostenlos hören. Alternativ bezahlt man eine monatliche Pauschale (Flat) zum ungestörten Musik hören und kann  zudem einen größeren Funktionsumfang nutzen.

Damit für die User der Sprung in die “neue Welt” nicht zu hart ausfällt, behält Simfy sein bisheriges Konzept parallel bei. Man kann also weiter eigene Musik hochladen, etwa wenn diese nicht im Simfy-Pool vorhanden ist. Das ist auch gut so, denn ein erster Blick auf das Angebot offenbart, dass Simfy bei klassischer Musik oder Jazz noch kein überwältigend breites Angebot bieten kann.

Insgesamt aber zeigt Simfy, dass wir mitten in einem Paradigmenwechsel stehen, bei dem in Bezug auf Musik das Konzept des persönlichen Eigentums allmählich abgelöst wird. Die spannende Frage wird denn auch sein, wie die Konsumenten auf dieses Angebot reagieren werden: Ist der Markt dafür schon reif?

Dagegen könnten vorläufig noch praktische Gründe sprechen. Denn das Streaming funktioniert am besten am heimischen Rechner (mit DSL-Anschluss), während es unterwegs in den Mobilfunknetzen noch ein paar Hürden gibt, etwa die immer noch erstaunlich großen Funklöcher der UMTS-Netze.

Das könnte dazu führen, dass Simfy nicht in erster Linie von Jugendlichen und jungen Erwachsenen akzeptiert wird, weil diese noch sehr viel Musik “mobil” hören (also über MP3-Player), sondern von den nicht mehr ganz so jungen Musikfreunden, die sehr stark auf ein legales Angebot Wert legen und es schätzen, für wenig Geld einen fast unendlich großen Katalog an Musik nutzen zu können. Dazu freilich musss Simfy sein Angebot in qualitativ hochwertigen Nischen noch stark ausbauen und auch kleinere Labels einbeziehen.

Dass dieses Konzept echte Chancen hat, zeigt sich am Wettbewerb. Denn obschon das neue Simfy noch gar nicht richtig am Markt ist, hat es bereits einen recht prominenten Wettbewerber: steereo aus dem Hause Holtzbrinck. Unter einer optisch anders aufgebauten Oberfläche verbirgt sich mehr oder weniger die gleiche Idee.

Eine weitere Variante stellt das wieder auferstandene Napster dar, das sich in seinen häufigen Metamorphosen jetzt auch immer mehr dem hier diskutierten Modell nähert. Allen diesen Plattformen freilich ist gemeinsam, dass sie nur dann Erfolg haben werden, wenn sie über den großen Pool an Musik hinaus auch innovative Wege finden, wie sich ihre User in der Überfülle bestmöglich zurecht finden. Nicht die Menge der Titel, sondern die Qualität der Community dürfte erfolgsentscheidend sein.

Abschließend bleibt die Frage, ob diese Angebote auf Dauer die “Piratenbucht trocken legen“, d. h. das Problem der illegalen Downloads lösen können. Jim Griffin ist sich da ziemlich sicher. “Ideally, music will feel free” meinte er 2008 und setzt damit nach wie vor auf das Flatrate-Modell. Da ist etwas dran. Denn auch der elektrische Strom “fühlt” sich nicht so an, als ob er etwas kosten würde. Wer seine Stereoanlage oder den Fernseher einschaltet, denkt nämlich meistens nicht an die Stromrechnung.

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