#PolitischeKommunikation

Facebooks weichgespülte »Feelgood«-Kampagne

Das Ärgerliche an diesen Aktivtäten ist vielmehr die weichgespült-kalifornische Deutung dessen, was Zivilgesellschaft oder Ehrenamt eigentlich ausmachen. Denn natürlich kommen nicht etwa Initiativen zu Wort, die ertrinkende Geflüchtete im Mittelmeer retten, sich gegen rechte Gewalt in Sachsen stellen oder auf sonstige Weise für den Erhalt einer starken und offenen Zivilgesellschaft eintreten.

von , 31.3.19


Ob ein Kopfsalat wohl Gefühle hat? Florian, ein junger Idealist mit Schnauzer, dürfte sich hier nicht ganz sicher sein. Denn »Florian rettet Lebensmittel vor dem Müll«, wie derzeit auf Plakaten in Bahnhöfen und Fußgängerzonen zu lesen ist. Das Motiv ist Teil einer Werbekampagne, mit der Facebook ein weiteres Mal so tut, als sei sein eigentlicher Geschäftszweck weniger das Sammeln und Verkaufen von Daten als vielmehr die Stärkung, gar Initiierung, ehrenamtlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements. Die Charme-Offensive des nach zahlreichen Skandalen in die Kritik geratenen Unternehmens begann schon im vergangenen Sommer, als Facebook an drei Tagen nacheinander Nichtregierungsorganisationen, Mittelständler und Schulen in den Berliner Postbahnhof lud, um deren »digitale Kompetenzen« zu stärken, worunter der Konzern in erster Linie die Anwendung der eigenen Produkte versteht. Natürlich unter steter Einhaltung schwer nachvollziehbarer »Gemeinschafts-Standards«, nach denen weibliche Brüste noch immer strenger zensiert werden als rassistische Äußerungen. 

Nun ist schwer zu bestreiten, dass die Kommunikation über Soziale Medien für politische und zivilgesellschaftliche Initiativen wie für alle sonstigen gesellschaftlichen Akteure unverzichtbar geworden ist, und zwar aus dem einfachen Grund, weil alle anderen auch dort sind und die Abwesenheit folglich einer Nicht-Sichtbarkeit gleichkäme. Und es wäre grundsätzlich auch wenig daran auszusetzen, wenn Unternehmen, zumal so mächtige wie Facebook, tatsächlich gesellschaftliche Verantwortung übernehmen würden, wie es etwa bei der finanziellen Unterstützung von Kulturveranstaltungen oder auf regionaler Ebene auch vielfach geschieht. 

Das Ärgerliche an diesen Aktivitäten ist vielmehr die weichgespült-kalifornische Deutung dessen, was Zivilgesellschaft oder Ehrenamt eigentlich ausmachen. Denn natürlich kommen in der eingangs genannten, von Facebook gemeinsam mit AOL Deutschland, dem spanischen Telekommunikationsanbieter Telefónica, dem Consulting-Konzern Accenture, der Hubert Burda Stiftung und weiteren Akteuren gestarteten Kampagne nicht etwa Initiativen zu Wort, die ertrinkende Geflüchtete im Mittelmeer retten, sich gegen rechte Gewalt in Sachsen stellen oder auf sonstige Weise für den Erhalt einer starken und offenen Zivilgesellschaft eintreten. Stattdessen wird an eine Feelgood-Moral appelliert und eine gesellschaftliche Situation gezeichnet, in der es keine drängenderen Probleme gibt, als Lebensmittel »vor dem Müll zu retten« oder den »Dialog zwischen den Generationen« zu stärken. Auch auf dem Berliner »NGO-Tag« ging es nicht etwa darum, grassierenden autoritären Ideologien entgegenzutreten oder die mehrfache Spaltung der Gesellschaft zum Gegenstand einer ernsthaften Debatte werden zu lassen. 

Was Facebook ebenso wie andere Großunternehmen mit ähnlichen Whitewashing-Kampagnen stattdessen immer wieder versuchen, ist nicht nur, Politik und Zivilgesellschaft als Geschäftsfeld zu erschließen. Facebook und andere Konzerne betrachten sich allem Anschein nach selbst als Instanzen, die die Regeln für gesellschaftliche Auseinandersetzung bestimmen und politische Debatten »framen« können. 

Wirklich problematisch daran ist nicht nur das Selbstverständnis machtvoller privater Akteure, die offenkundig keinen Bedarf an demokratischer Legitimierung für das eigene Handeln sehen. Die eigentliche Herausforderung dürfte darin liegen, dass diese Selbsteinschätzung zutreffen könnte. Denn internationale Konzerne wie Facebook füllen in der Tat eine Lücke, die der technologische Wandel der letzten Jahrzehnte ebenso wie der Rückzug der öffentlichen Hand eröffnet hat. Sie übernehmen zusehends hoheitliche Aufgaben und beanspruchen so die Vertretung des Souveräns. 

Es liegt nahe, diese Entwicklungen als Teil einer Entnationalisierung und Entstaatlichung zu betrachten, die von Autoren wie Joseph Vogl oder Georg Seeßlen beschrieben wurde. Ohne Zweifel hat die globale Vernetzung der Kommunikation und die Herausbildung gigantischer multinationaler Unternehmen Auswirkungen auf Nationalstaaten und ihre Gesellschaften. Es ist aber von zentraler Bedeutung für künftige Gesellschaftsordnungen, die weltweiten wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen zum Gegenstand einer demokratischen Debatte zu machen, wenn Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erhalten werden sollen.  

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