#Abonnement

Warum zahlen LeserInnen (nicht) für Journalismus im Netz?

von , 15.4.18

Ich habe ein zwiegespaltenes Verhältnis zu Bezahlschranken. piqd ist eine Kuratierungsplattform und daher abhängig von Verlagen und Menschen, die für Journalismus bezahlen. Was wir empfehlen, muss schließlich irgendwer vorher produziert haben. Wir beschränken uns daher nicht nur auf frei zugängliche Inhalte, in der Hoffnung den Verlagen gelegentlich ein paar Euro Umsatz zu bescheren. Gleichzeitig verstehen wir aber den Frust unserer LeserInnen, die sich zuletzt fast täglich über Bezahlschranken beschwerten.

 

Das Problem wird sehr wahrscheinlich noch zunehmen, denn hiesige Verlage bauen ihr Abo-Geschäft gerade massiv aus. Sie folgen damit Vorbildern aus den USA. Die New York Times zum Beispiel hat alleine im letzten Quartal über 150.000 Digitalabos verkauft. Insgesamt setzt die “Grey Old Lady” mit Abos über eine Milliarde Dollar im Jahr um und macht sich damit zunehmend unabhängig von Werbeeinnahmen. Mitgliederfinanzierung (in den meisten Fällen=Abos) ist der Hoffnungsschimmer der Stunde.

 

Ich habe daher aus Neugierde unseren LeserInnen folgende zwei Fragen gestellt:

  1. Warum zahlst du bislang nicht für Journalismus im Netz?
  2. Falls du für journalistische Inhalte im Netz bezahlst: Aus welchen Gründen tust du dies? Was genau hat dich überzeugt?

 

Die Ergebnisse sind natürlich kein bisschen repräsentativ, aber fassen doch ganz gut einige weit verbreitete Ansichten zusammen. Ich teile weiter unten einige Zitate. Hier vorab die Ergebnisse in Kurzform.

 

 

Der Geist ist willig, doch die Geduld ist rar

Am häufigsten (ca. 50 Prozent) beklagten LeserInnen komplizierte Registrierungs- und Bezahlvorgänge, bzw. den Umstand, dass es keine einheitlichen Lösungen gibt. Man kann aus den Antworten klar ablesen, dass Flatrate-Dienste wie Spotify und Netflix hinsichtlich der Nutzerfreundlichkeit und der Breite des Angebots, aber auch beim Preis Standards gesetzt haben, an denen andere Medienangebote gemessen werden. Die Idee, sich alleine einer Zeitungsmarke anzuvertrauen, wirkt aus der Zeit gefallen. NutzerInnen wollen nicht nur aus verschiedenen Ressorts wählen, sie wollen auch weltanschauliche Vielfalt. Vor allem aber sehnen sie sich nach einer zentralen Anlaufstelle, beziehungsweise einem einheitlichen Login-Verfahren.

 

Überraschend viele LeserInnen schilderten offen ihre Armut und beschrieben in fast schon intimen Details, warum sie sich kein Digital-Abonnement leisten können. Die Preise selbst werden insbesondere im Vergleich zu Print-Abos häufig als unverhältnismäßig hoch bewertet.

 

Ein dritter großer Block gab offen zu, dass sie nicht zahlen solange es noch Inhalte umsonst gibt. Viele LeserInnen haben ohnehin wenig Zeit. Einige sind sogar regelrecht dankbar für die fortschreitende Verknappung kostenloser Inhalte. Bezahlschranken fungieren für sie als Filter, der die Auswahl erleichtert.

 

 

Geld ohne Gegenleistung

Die Antworten hier waren bittersüß. Unter denjenigen, die angaben für Journalismus zu zahlen, herrschte überwiegende Einigkeit: Für Qualität(sjournalismus) zahlen sie gerne. Das ist erfreulich. Ernüchternd ist jedoch, dass kaum jemand zahlt um konkrete Mehrwerte zu nutzen. Die Zahlung wirkt eher wie eine Spende. Der gesellschaftliche Wert von Journalismus wird erkannt, aber der konkrete Nutzwert für das eigene Leben ist für viele nicht ersichtlich.

 

Wer an der Umfrage teilnehmen und damit die Ergebnisse auf etwas solidere Füße stellen möchte: Hier könnt ihr mir diesen Gefallen tun. Dauert auch keine fünf Minuten.

 

 

Die Zahlungsverweigerer

 

Aus den rund 300 Antworten lassen sich grob drei Cluster bilden.

  • Kein Geld
  • Kein Grund
  • Keine Lust

 

 

Keine Lust

“Abos für eine einzige Zeitung im Internet — also nach klassischem Printmodell — finde ich einfach unangemessen. Das Internet ist eben etwas anderes als eine Printzeitung. Das Internet ermöglicht mir einen einfachen Zugriff auf alle möglichen Medien. Ich kann aber nicht für jeden Artikel, der mich interessiert, gleich ein Abo abschließen.”

 

“Weil ich mich nicht auf einen Dienst festlegen möchte und die Bezahlungen für Einzelinhalte zu kompliziert oder zu teuer sind. Es müsste sowas wie Spotify für journalistische Inhalte geben: ich zahle eine Flat und davon werden die Angebote je nach Aufrufen finanziert. Das könnte piqd sein.”

 

“Ich zahle ja piqd und das mache ich 1x pro Jahr. Wenn ich jetzt die von euch ausgesuchten Artikel lese, stoße ich auf so und so viele, wo ich zahlen soll. Es geht gar nicht um Geld sondern um den Vorgang. Ich will lesen, bin interessiert. Dann muss ich einen technischen Vorgang durchführen, obwohl ich grade lesen will. Okay das mache ich und dann will ich den nächsten von euch vorgeschlagenen Artikel lesen und wieder muss ich diesen Vorgang durchführen. Wenn ich ein Zeitung kaufe, zahle ich die Zeitung und dann kann ich sie lesen. Der Vorgang ist genau das was nervt. Am liebsten würde ich eine Pauschale zahlen und könnte dann einfach lesen.”

 

“Weil ich meine Informationen nicht nur aus einer Hand haben möchte. Deshalb finde ich piqd auch so toll. Oder auch die “12 App”. Wenn ich alle Zeitungen bezahlen müsste, wäre es viel zu teuer. Eine Redaktion, die mir täglich eine gute Mischung und lesbare Menge an Informationen aus ganz unterschiedlichen Quellen zur Verfügung stellt, würde ich vielleicht sogar zahlen.”

 

“Es ist leider wirklich das “abgelutschte” Argument: es ist mir häufig zu mühsam. Ich möchte nicht bei 1593 Anbietern meine Adress- und Kreditkartendaten hinterlegen müssen (immer mit dem Risiko, dass die Daten nicht ordentlich geschützt in irgendwelchen Datenbanken schlummern). Ausserdem habe ich grad bei “grossen” Zeitungen (Die ZEIT, FAZ…) das Problem, dass ich vielleicht ein oder zweimal im Monat dort einen Artikel interessant finde und dafür möchte ich kein umfassendes Abo lösen.”

 

“Ich zahle nicht, wenn ich das Gefühl habe, dass es zu kompliziert ist. Ich gebe nicht gerne meine Kreditkarten-Daten in irgendwelche dubiosen Formulare ein und ich zahle nicht, bevor ich weiß, wen ich damit finanziere. Ich zahle nicht, wenn ich mich für einen einzigen Artikel in ein Monats-Jahres-Abo-Verhältnis begebe. Ich zahle nicht, wenn ich finde, dass ich schon genug bezahlt habe (das ist sehr subjektiv). Ich zahle nicht, wenn ich nur “zum Spaß” lese und herumsurfe/-scrolle.”

 

Kein Geld

“Lange Zeit: Kein Geld. Wirklich keins. Münchner Mieten sind absurd teuer. Oft auch nicht heute, weil nur extrem aufwändige (Account einrichten, kein Bankeinzug oder Paypal, nur Monatsabo, kein Einzelartikel zum fairen Preis, absurde Preise, vgl. z.B. FAZ-Abo digital vs. New Yorker digital).”

 

“Wenn ich mir mein Kontostand anschaue, gibt es eine klare Antwort: kein Geld. Klar kann man immer sagen: “Ein paar Euro wirst du doch übrig haben? Du hast doch bestimmt ein Netflix Account.?” Und ja, den habe ich. Doch für zwei Abos reicht es bei mir nicht. Und da ziehe ich Netflix vor (wobei ich mir das Abo mit jemanden teile).”

 

“Ich gestehe, dass ich ein Gebirge schlechten Gewissens auf meinen Schultern spüre, weil ich nicht zahle. Allerdings möchte ich Euch auch anvertrauen, warum ich momentan dazu gezwungen bin. Ich promoviere für Gottes Lohn im Bereich der Palliativmedizin, aus purem Interesse und dem Bewusstsein, dass es ein zukunftsweisender Bereich ist. Nur leben kann man von diesen externen Scheinanstellungen als Promotionstudent nicht. Unter diesen Umständen ist ein Vollzeitjob leider nicht machbar. Prekäre Verhältnisse in der Wissenschaft in einem reichen Land. Allerdings hat alles ein Ende und ich freue mich auf meine Zukunft, in der ich mit Stolz guten Journalismus finanzieren können werde.”

 

“Ich bezahle nicht 1,00 Euro für einen Bericht, wenn die gesamte Ausgabe der Zeitung rund 2,00 Euro kostet. Das ist für mich Wucher. Im übrigen bezahle ich auch dann, wenn ich kein Geld bezahle — nämlich mit Aufmerksamkeit für Werbung alles Art.”

 

“Die Kosten für den einzelnen Artikel sind viel zu hoch angesetzt. Beispiel FAZ: hier bekommt man einen Tagespass für 1,99€ und will dabei doch nur einen Artikel. “

 

“Weil ich nur 700 € im Monat zur Verfügung habe. Da bleibt nach Miete & Co nicht mehr so viel übrig für kostenpflichtig Inhalte. Leider.”

 

“Weil ich deutlich weniger als den Hartz-IV-Satz im Monat zum leben habe und mir das nicht leisten kann. Ich bin sehr froh, mich kostenlos auch in guter Qualität informieren zu können.”

 

“Ganz einfach: Ich bin arm und meine Interessen sind sehr ausdifferenziert, — meine Quellen sind breit gestreut, — jedesmal bezahlen geht nicht, — gerade die Armen und Hellwachen sollten durch die ewige Verkaufe nicht so getroffen werden.”

 

“Wenn mein monatliches Einkommen höher wäre, würde ich für Journalismus im Netz zahlen. Doch nicht für diese Plus-Modelle. Ich unterstütze eher Kreative und Journalist*innen, die für eine gute Sache kämpfen und diese mit der Welt teilen möchte, als einen größeren Konzern. Denn Konzerne können leichter Investoren finden. Und ich denke, nicht nur die Leser*innen haben die Verantwortung, für die Bezahlung der Journalist*innen, sondern die Konzerne, die Arbeitgeber. Ich bin kein Fan von Werbung, doch hat es einen Vorteil, es nimmt die Zahllast von den Konsument*innen. Und ermöglicht auch Geringverdiener*innen und Erwerbslose den Zugang zu Information. Glücklicherweise haben wir ja noch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.”

 

Keinen Grund

“Weil es kostenlose Inhalte einfach angeboten werden. Ich denke, erst wenn Medien unter Verschluss stehen, werde ich etwas an meinem Verhalten ändern.”

 

“Es gibt einfach zu viele Informationsmöglichkeiten, die auch kostenlos sind. Selbst diese kann man nicht schaffen.”

 

“Weil es im Internet gut recherchierte Artikel auch gratis gibt. Zeitungen finanzieren sich ja größtenteils durch Werbung und nicht durch Abos.”

 

“Aus meiner Sicht sollte qualitativ guter Journalismus (investigativ, hintergründig informativ) vom Staat mitfinanziert und insofern über Steuergelder oder per Mediengebühr (mit-)finanziert werden.”

 

“Es gibt zu viel gratis. Ich sehe noch keinen Need.”

 

“Weil ich meistens an die Informationen auch anders (kostenlos & legal) rankomme. Weil mir tatsächlich die Zeit fehlt, den ganzen tollen Content wegzulesen und mir dann dafür das Geld leider zu schade ist.”

 

“Bequemlichkeit, Verfügbarkeit des Guten auch kostenlos, Gewohnheit weil ich bereits bei Musik verlernt habe zu zahlen. Ich habe ein schlechtes Gewissen!” 

 

 

Die Zahler

 

Die Motivation der Zahler lässt sich vor allem so zusammenfassen: “Gehört sich halt so.” Knapp der Hälfte der LeserInnen war es einfach ein Anliegen, Journalismus zu unterstützen. Diese Gruppe ist besorgt um die Zukunft unserer Gesellschaft und des Berufsstandes, wenn Journalisten nicht mehr unabhängig arbeiten können.

 

“Ich möchte die journalistische Unabhängigkeit weiter unterstützen. Sonst wird das die Werbung endgültig untergraben.”

 

“Wenn es gut gemacht ist, echt ist, bin ich gerne bereit hierfür einen fairen Preis zu zahlen. Wie soll sonst guter Journalismus zustande kommen und sich weiter entwickeln können?”

 

“Wenn ich einen Artikel lesen will, dann bin ich bereit, einen Beitrag für diesen Artikel zu zahlen, ich will dann nicht gleich die ganze Zeitung kaufen, denn es interessieren mich eben auch Artikel aus anderen Medien. Ein Modell ist sicher Piqd. Ein anderes Modell ist Blendle. Ich bezahle aber auch für einzelne Artikel, wie etwa bei SPIEGEL Plus oder bei der taz.”

 

“Kritische, transparente, solide recherchierte und Impuls verursachende Inhalte sind von mir als Nutzer zu bezahlen. Ansonsten sind sind sie nicht unabhängig.”

 

1.) Wenn sich Journalismus nur noch durch Werbung finanziert, wird er immer abhängiger.

2.) Früher habe ich Zeitungen gekauft, also auch Geld ausgegeben.

 

“Weil die vierte Gewalt in Gefahr ist und somit die Demokratie. Ich mache mir viele Sorgen, zB auch um unabhängigen Journalismus und die psychische und physische Gesundheit von Journalistinnen und Journalisten.”

 

“Ich bezahle unsystematisch: Beim Guardian meine 50 Euro im Jahr, weil ich will, dass uns dieses Medium erhalten bleibe (und als Journalistin natürlich einsehe, dass Journalismus bezahlt werden muss), für die schweizerische Republik stolze 240 Franken im Jahr, weil das auch ein politisches Statement ist, und sonst bei Blendle für Artikel, die sie mir in ihrem fabelhaften Newsletter unwiderstehlich machen. Auch bei Spiegel-Online die 39 Cent (sehr anständiger Preis) für die guten Stories (seit ich das Bezahlsystem geknackt habe, das war für mich monatelang eine Hürde, weil es auf dem Handy nicht funktioniert hat und ich oft in der S-Bahn am Handy lese). Wenn’s wirklich sein muss, weil ich den betreffenden Artikel für eine Recherche brauche, kaufe ich auch ab und zu einen Tagespass bei der FAZ oder SZ. Ich ärgere mich aber immer, dass ich 2 Euro bezahle für einen Artikel, der dann ev. gar nicht hält, was ich mir von ihm versprochen habe.”

 

“Prinzipiell zahle ich gerne, weil mir klar ist, dass guter Journalismus etwas kosten MUSS. “abhängigen Journalismus” gibts zur genüge, vertritt aber nur die Meinungen derer, von denen er abhängt. mich interessiert aber nur der “freie”. ich muss allerdings zugeben, dass mich die angebotenen Zahlungsmethoden manchmal so nerven, dass ich dann doch nicht bezahle.”

 

“Wenn ich einen Dienst (wie zum Beispiel piqd) regelmäßig — ja nahezu täglich — nutze, dann käme ich mir wie ein Parasit vor, der diese Dienste kostenlos aussaugt, solange dies möglich ist. Ich möchte Inhalte, die meiner Meinung nach gut sind und die ich nutze, unterstützen und so auch den Produzenten_innen zeigen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Natürlich kann ich als Studentin leider nicht jedem Online-Dienst etwas bezahlen. Das merke ich besonders bei den Podcasts, die ich höre und so gern alle unterstützen würde. Aber wenn ich ein festes Einkommen habe, dann habe ich dies durchaus vor.”

 

“Ich bezahle die Rundfunkabgabe, (deren journalistischen Früchte mir teilweise im Netz bewusst vorenthalten werden), für Krautreporter, für die taz, für das ND sowie per Flattr für individuelle Presse- und Blogbeiträge. Ich bezahle, weil ich damit den ganzen Formen der Schleichwerbung (redaktionelle Werbung, Advertorials, Influencer-Marketing usw.) etwas entgegensetzen will. Überzeugt hat mich das Wissen, dass wenn ich Journalisten nicht für redaktionelle Unabhängigkeit bezahle, sie von redaktioneller Werbung leben müssen. Und diese beendet für mich die Glaubwürdigkeit der Medien.”

 

“Mal bezahle ich, mal nicht. Grundsätzlich bin ich dafür, für Leistungen zu bezahlen. Auf der anderen Seite ist nicht immer klar, ob man nicht schon allein durch den Besuch der Seite bezahlt hat, da man ja eben auch Werbung zu sehen bekommt und ggf. durch die Cookies weitere Verwertungsmöglichkeiten entstehen. Nicht alle Zeitungen — aber das wisst ihr besser als ich — sind so transparent und offensiv bei dem Thema wie z.B. die taz. Dort bezahle ich dann aber auch gerne.”

 

 

Dieser Text erschien auch auf medium.

 

 

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