#AfD

Neuanfang – wie geht das?

von , 29.10.17

Das Wort „Neuanfang“ hat zurzeit bei Machern und Macherinnen in den Parteien richtig Konjunktur. Neuanfang hinten, Neuanfang vorne. Renovierung vom Keller bis zum Dachboden. Aber wie geht Neuanfang? Geht Neuanfang überhaupt?

Parteien sind da. Realität. Mit Haushalten, Arbeitsverträgen, Immobilien, eigenen Informationskanälen, Netzwerken, Rücklagen, auch mit Schulden. Kraft Verfassung haben sie mitzuwirken, damit die Menschen verstehen, was ist, und damit sie mit der Demokratie umgehen können. Kennzeichen der Parteien sind zuerst einmal die Mitglieder: Frauen und Männer, Alte und Junge und welche aus der Lebensmitte, die sich den Zielen und Grundsätzen einer Partei verbunden fühlen. Diese Mitglieder zahlen Beiträge, damit die Parteien existieren können. Sie können erwarten, dafür etwas zurück zu bekommen. Wenigstens Grundsatztreue derjenigen, die aus parteiinternen Wahlen hervorgehen, dann auch Anstand im Umgang untereinander und Einsatz für Land und Leute.

Im zu Ende gegangenen Bundestagswahlkampf und im niedersächsischen Landtagswahlkampf haben Abertausende Stunden um Stunden damit zugebracht, ihre Kandidaten und – innen sowie ihre Partei möglichst weit nach vorne zu bringen – im Vergleich zur Konkurrenz. Das ist echte Leistung.

Ist ein Wahlkampf vorbei, verschwinden diese Massen praktisch wieder. Sie sind noch da, aber andererseits auch nicht mehr da. Dafür stehen jene im Mittelpunkt, die gewählt wurden. Wahl ist eben Auswahl. Aus vielen werden wenige. Das sind zumeist ehrenwerte Leute. Sowohl die einen als auch die anderen.

Wie die vielen, die Mitglieder ohne Parteiamt und öffentliches Mandat über einen Neuanfang denken, weiß eigentlich niemand richtig. Anzunehmen ist, dass viele der vielen frustriert sind, enttäuscht, manche auch wütend, andere freuen sich, jubeln oder resignieren. Da die meisten Mitglieder solche Situationen nicht das erste Mal erlebt haben, schmeißen sie nicht sofort ihr Parteibuch weg. Sie sind Kummer gewöhnt. Es gibt eine verhältnismäßig hohe Frustrationsschwelle.

Das zweite was Parteien haben, das ist Geschichte. Es gibt lange Geschichte wie bei der SPD; es gibt kürzere Geschichte wie bei den Grünen. Und es gibt entliehene Geschichte wie die der AfD. Entliehen? Ja entliehen. Entliehen bei denen, die ihr Heimatland für was Besseres hielten, für eine Art „heiliges Herz Europas“ und sich natürlich selber auch für etwas Besseres hielten. So etwas müsse man „rein“ halten, heißt es. Naja, jedenfalls nicht mit anderen Hautfarben als die „Weiße“ auffüllen lassen.

Aber bitte keine Illusion: Wenn die Mitgliederzahlen der Parteien und deren Geschichten an der Börse gehandelt würden, sie würden nicht besonders hoch notiert.

Von den vielen hört man wenig über einen Neuanfang. Darüber reden die Macher und Macherinnen und die Spitzenleute. Das ist kein bürgerliches Trauerspiel wie Kabale und Liebe; es geht eher um Kabale und Hiebe. Jüngst hörte ich, eine „Spitzenfrau“ der Politik habe vor rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten gesagt, eine andere Spitzenfrau sei mit 68 Jahren zu alt für ein Spitzenamt. Dieses Spitzenamt erhielt auf Vorschlag der erwähnten „Spitzenfrau“ ein Mann, der fünf Jahre jünger ist als die für zu alt Erachtete. Das meinte ich mit Kabale und Hiebe.

Ich bin ziemlich sicher, dass dies einfachen Mitgliedern sehr sauer aufstößt und dass sie weder so denken noch so reden.

Über einen Neuanfang beziehungsweise eine parteipolitische Neuausrichtung sprechen Leute aus der CSU, auch Leute aus der CDU, in Maßen sind Forderungen nach einem Neuanfang aus der Linkspartei zu hören, aber vor allem aus der arg gebeutelten SPD.

Bereits vor der Bundestagswahl war folgendes zu hören und zu lesen: „Wir haben uns zu wenig Zeit genommen, über die großen grundsätzlichen Fragen zu reden, wie die Zukunft der Arbeit, die soziale Sicherung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Dies sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Schäfer-Gümbel bereits Ende August im Radiosender hr-info.

Ich habe keine Vorstellung, wie viel Zeit die führenden Leute der SPD sich für solche Themen genommen haben. Ihr Kandidat, Martin Schulz, hat das getan. Und er hat eine Reihe von Problemen skizziert, die zu lösen seien. Besonders die Situation und die Entwicklung im Bereich der Altenpflege haben ihn aufgeregt. Das war etwas anderes als die Werbeschriften seiner Partei.

Geradezu existenzialistisch gebärdete sich Parteitheoretiker Professor Johano Strasser wiederum einige Wochen später – am 9. Oktober – in der Süddeutschen Zeitung: „Auch wenn noch Köpfe rollen (!!) sollten: Wenn die neuen Personen sich nicht neuen Ideen öffnen, bringt alles taktische Geplänkel nichts. Wir müssen uns jetzt dringend die Frage stellen: Wozu sind Sozialdemokraten eigentlich auf der Welt?“

Ernüchternd die Kritik des Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, am Apparat des Willy-Brandt-Hauses (WBH) – im Berliner Tagesspiegel vorgetragen: „Funktionäre, Karrieristen und Apparatschiks“ hätten Martin Schulz schlecht beraten und ihn gedrängt jemand zu sein, der er nicht ist. Salehs kritische Bewertung der WBH-Wirkungen, gerafft beschrieben: Die schaffen jeden Kandidaten!

Gibt es ähnliche Kritik in anderen Parteien? Der Ablauf des jüngsten Deutschlandtages der Jungen Union legt das nahe. Der Delegierte Diego Faßnacht sagte, das Verhalten der CDU-Spitze zeuge „von einer Arroganz und Ignoranz gegenüber Millionen Wählern….“.

In Berlin oder Sachsen und Baden-Württemberg wächst Kritik an der Bundeskanzlerin. Merkel müsse endlich ihre Nachfolge regeln. Viele CDU-Mitglieder wollen sie nicht mehr. So fest wie die SPD bei Wahlen zum Bundestag im letzten Viertel steckt, also zwischen 20 und 25 Prozent, so fest scheint die CDU im Drittelbereich zu stecken – also um die 35 Prozent. Auch der Umgang einiger Spitzenleute der Partei die Linke miteinander ist alles andere als freundlich. Es wurden und werden die Zähne gebleckt.

Ich habe mich gefragt, wie all das auf ein Mitglied ohne großen Durchblick wirkt, ein Mitglied, das zudem aus Zeitung und Fernsehen erfährt, was die Spitze der Partei angeblich denkt und will. Manche müssen ein Gefühl bekommen mit Blick auf die eigene lange Mitgliedschaft und ihren Einsatz, als hätten sie bisher einer Art „Restrampe“ angehört: Alles muss raus!

Müssten Parteispitzen in solchen Situationen nicht besonders vorsichtig vorgehen, damit die eben so genannten einfachen Mitglieder nicht Irre werden? Kann es sein, dass sich in deutschen Wohnzimmern folgender Dialog abgespielt hat? Mama, was meinte die Frau im Fernsehen, wenn sie sagt: Es gibt was auf die Fresse? Pscht! So ein böses Wort sagt man nicht.

Gelernten Westdeutschen fällt unter dem Stichwort Neuanfang, Neuerfinden einer Partei so viel nicht ein. Es gab eine Reihe Parteigründungen durch Gestrige, ehemalige Nazis, Deutschnationale, durch solche, die am Sonnenwend-Abend um ein Feuerchen tanzen. Jetzt gibt´s die AfD, die meint ein Sammelbecken zu sein. Dabei kreisen in diesem Becken längst die braunen Hechte, um zu fressen, was ihnen vor die Zähne kommt.

Dann gab’s die Grünen, die sich etabliert haben: Das Chlorophyll-Bürgertum.

Schließlich gab es noch die Neufindung der SPD auf dem Parteitag des Jahres 1959 in der Bad Godesberger Stadthalle. Die SPD hat damals ihre Bindung an die europäische Zusammenarbeit und an die Nato unterstrichen; sie hat damals auch klargestellt, dass keine politische Theorie in der SPD einen Anspruch auf Vorrang hat, dass Christen in der SPD dieselbe Bedeutung haben wie Vertreter marxistischer Positionen. Sie hatte vor allem aufgeschrieben, dass für die Frauen und Männer in der SPD die Demokratie Lebensprinzip ist und dass daraus Mitwirkung, Mitentscheidung, Mitverantwortung zwingend folgen.

Das ist noch so frisch und fortwirkende Aufgabe wie am Tag der Entscheidung 1959 in der Godesberger Stadthalle, die nun um ihre Existenz fürchten muss, weil es maßgebliche Repräsentanten der Stadt gibt – in der Jamaica-Koalition, die die Mehrheit bildet, die überlegen, diese Stadthalle abzureißen und an deren Stelle die städtische Oper und on Top auch noch die Kammerspiele zu errichten. Abendrot statt Abendroth, Wolfsschlucht statt Wehner. Man kennt, was dann kommen würde: An einer prominenten Stelle eine blanke Gedenktafel: Hier versammelten sich am…. um….wurden…..in ehrendem Andenken. Punkt. Bonner Sozialdemokraten schrien nicht mal auf, als sie das vernahmen, was zum Beispiel der Oberbürgermeister im Oberstübchen wälzt, sondern sie denken darüber nach, über Wolfsschlucht statt Wehner und Don Perlimplin statt Peter Glotz. Nachdenken ist ja nicht verboten. Vielleicht ist das bereits Teil des Neuanfangs der SPD.

Ich will nicht verhehlen, dass mich bei solchen Gelegenheiten so etwas wie kleinbürgerlicher Radikalismus packen kann: Zorn, der Beißreflex, aber auch Ernüchterung, Resignation, Schweißausbrüche, Befürchtungen. Das ist heute wohl obligatorische emotionale Ausstattung. Willy Brandts Forderung, dass die SPD „auf der Höhe der Zeit“ sein solle, heißt eben nicht, nach jeder Wurst zu schnappen, die andere einem vor die Nase halten, sondern die Höhe der Zeit mit den eigenen Grundsätzen im Gepäck zu erklettern. Schritt für Schritt und möglichst wenige dabei zurückzulassen.

Manche Neuanfänge sind übrigens keine. Wer sich das aktuelle, im Wahlprogramm der FDP niedergelegte Wirtschaftsmodell genauer anschaut, der kann nur staunen: Der Staat hat sich aus allem rauszuhalten. Steuer auf Finanzgeschäfte wie Wolfgang Schäuble sie einführen wollte – Njet!

Hilfen für die Einführung von Elektroautos – Nö!

Die Krise der Jahre ab 2008 ist überwunden worden, weil Staaten sich beistanden. Die FDP – Nein! Keine Beistandsklauseln mehr!

Mit Blick auf all die Probleme, die während der anstehenden Jahre in Europa zu lösen sind und die alle im gegenseitigen Beistand münden, wird mir Angst und Bange. Gibt es jemanden, der diese Marktverrückten stoppen kann oder gilt bezogen auf das Wahlprogramm der FDP der einfache Satz: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Vorsicht ist dennoch geboten, denn wer solchen Unsinn ins Wahlprogramm schreibt, der ist vor weiterem Unfug nicht gefeit.

Was tun die Parteien für die vielen, die im Wahlkampf gebraucht wurden und nun etwas ratlos von Neuanfang hören? Ich weiß es nicht, kann auch nicht feststellen, dass sich die Macher und Macherinnen in der SPD besonders motivierend mit ihrer alt und älter werdenden Partei beschäftigt hätten.

Ich finde es richtig, dass möglichst viele Jüngere von der SPD angesprochen werden. Da sollte es an nichts fehlen. Aber was geschieht mit den 90 Prozent anderen? Hat man die aufgegeben? Sind die eine Art „Stimmvieh“ ohne jugendlichen Esprit?

Merkwürdige Anlässe lösen meinen kleinbürgerlichen Radikalismus aus. Ich las im Internet-Auftritt einer Initiative SPD++, dass die SPD bitteschön wenigstens 25 Prozent ihrer Wahlämter jungen Männern und jungen Frauen unter 30 Jahren zur Verfügung stellen sollte.

Ein interessante Forderung, weil die SPD eine vergehende Partei ist. Acht Prozent ihrer Mitglieder sind älter als 80 Jahre, acht Prozent sind jünger als 30 Jahre. Einstand! Aber dann kommt die Welle: Mehr als doppelt so viele Mitglieder wie zwischen Null und 30 Jahre sind älter als 71 Jahre und vier Mal so viel Mitglieder wie die unter 30-Jährigen befinden sich im Altersabschnitt zwischen 61 und 70 Jahren.

In der CDU sieht es keineswegs anders aus. Ein Prozent der Mitglieder ist jünger als 20 Jahre, fünf Prozent liegen zwischen 21 und 30 Jahren. Zehn Prozent sind älter als 80, 21 älter als 71 und jünger als 80, noch einmal 20 Prozent befinden sich in der Altersgruppe von 61 bis 70 Jahren. Verwunderlich: Eine Graphik der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) verzeichnet bei der CSU einen Anteil von null Prozent bezogen auf die unter 20-Jährigen.

Um einen jugendlichen Mitgliederstand herzustellen, der zur 25-Prozent-Forderung von SPD++ passt, müsste die Partei Bebels und Brandts in den kommenden Jahren netto (nach Abzug der Austritte und Abgänge) gut 100 000 junge Frauen und Männer zum Eintritt bewegen. Da wäre Herkules gefragt. Oder ist eine Entwicklung hin zur SPD minus-minus unabänderlich? Und ich armer Wicht wäre somit naiver Chronist eines langsam schreitenden Zuges zum Ende hin, gewissermaßen eines bürgerlichen Begräbnisses mit Musik.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Stegner sagte laut Deutschlandfunk: „Der kanadische Premierminister Trudeau oder der ehemalige US-Präsidentschaftsbewerber Sanders begeisterten deshalb so viele junge Leute, weil sie globale Gerechtigkeitsfragen wie Reichtumsverteilung, Waffenexporte oder Klimaschutz in den Vordergrund stellten. Daran solle sich die SPD ein Beispiel nehmen.“ Und die Alten und Älteren?

Die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis – immer noch laut DLF – führte aus, neoliberale Einflüsse seien tief in die Partei eingesickert. Davon müsse sie sich befreien. Das könnte man ja so auslegen, dass die langjährigen Parteimitglieder selber Schuld an der Misere trügen, weil sie das Einsickern des Neoliberalismus nicht verhindert hätten. Der sei ja so „tief in die Partei eingesickert“.

Frau Mattheis ist Gesundheitsexpertin. Sie hätte mit Blick auf die Älteren und Alten immer wieder laut sagen können: Die SPD hat damals , 2003, gezwungen durch Höchstrichterliches und ständig attackiert von der CDU die Regelung ins Gesetz gebracht, dass zusätzliche Renten und Direktversicherungen mit Anbindung an die Arbeit mit den vollen Krankenkassenbeiträgen zu belegen sind. Stimmt.

Klammer auf: Das hat nach 2003 Abertausende in Weißglut gebracht und sich schwören lassen: Nie wieder SPD! Darunter waren viele treue Wählerinnen und Wähler der SPD, Fleisch vom Fleisch der Partei Brandts. Klammer zu.

Und die Expertin hätte hinzufügen können: Mit der Bürgerversicherung, die die Parität als Prinzip enthält, wird diese Belastung um 50 Prozent verringert. Alte Liebe rostet ja bekanntlich schlecht. Das hätte den einen und die andere vielleicht bewogen, das Kreuzchen wieder da zu machen, wo SPD steht. Nur: Ich habe nichts über diese Wirkung der Bürgerversicherung gehört. Aber wundern würd mich nicht, wenn demnächst Herr Özdemir damit um die Ecke kommt.

Tiefe Einschnitte im langen Parteileben der SPD waren sicherlich die Einführung der Telefonzentralen sowie der Posteingangsbücher. Man glaubt es kaum: Defizite scheint’s da aber immer noch zu geben. Als ein Verband mit mehr als 250 000 Beschäftigten – darunter viele gestandene Sozialdemokraten – und mit über 10 000 Betrieben vor einiger Zeit den damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD anschrieb, um ihn auf kritische Aspekte der Regierungspolitik hinzuweisen und ein Gespräch anzubieten, auf den alltäglichen bürgerlichen Umgang miteinander setzend, geschah nichts. Auch auf Nachfragen geschah nichts. Keine Posteingangsbestätigung, keine Antwort, ein reines Nichts. So etwas spricht sich in Verbänden mit vielen kleinen und mittleren Betrieben herum. Heißt: Adieu SPD! Daher darf man sich nicht wundern, wenn der Zweitstimmenzeiger auf 20,5 stehen bleibt.

Neues Denken in den Parteien müsste damit beginnen, dass sich die schlauen Köpfe fragen: Was trauen wir uns denn noch zu? Was können wir heute prägen? Können wir das soziale und wirtschaftliche Aufstiegsversprechen, das unausgesprochen in der Politik Brandts und Schmidts und Arendts, Wehners Fockes und Fuchs, Möllers und Lebers und Rohdes lag, wieder aufleben lassen?

Dieses Aufstiegsversprechen, verknüpft mit dem Ausbau des Sozialstaats und der Demokratie als Lebensprinzip war ja die Kompensation dafür, dass die Organisationsgewalt des Kapitalismus nicht mehr direkt angegriffen, bedroht wurde.

Darum noch mal: Kriegt die SPD Ähnliches wieder hin wie zu Zeiten der erwähnten Persönlichkeiten? Traut sie sich das zu?

Der nächste Punkt: Welche Partei deutet heute überzeugend Teile der Wirklichkeit? Millionen Menschen fragen sich, warum ihr Land sich von Herrn Erdogan auf der Nase herum tanzen lässt. Wer erklärt überzeugend, was geht und was nicht geht? Wer erklärt, warum – auch von Sozialdemokraten betrieben – tausende Polizisten-Planstellen abgebaut wurden? Man muss auch offen Fehler zugeben können. Schafft die SPD es, Eltern den Beweis zu liefern, dass Schulpolitik beständig und verlässlich und gediegen sein kann statt einer Halde nicht eingelöster Versprechen? Schaffen wir es, mehr politische Bildung herzustellen, die den Willen zündet, Freiheit zu bewahren?

Oder gehen Parteiaktivisten demnächst mit dem Button SPD++ zu anderen, die sich in Initiativen, Vereinen, Gruppen tummeln, als Trainer, Betreuer, als Verteidiger lokaler Identität, als Vorleserinnen und Managerinnen der Kirchengemeinden, um zu denen zu sagen: Mach mit bei SPD plusplus! Martin ist auch dabei! Und Andrea sowieso.

Der Hype um Martin wird mit den Jahren weitgehend vergessen werden – so wie der um „Toni Doppelpack“. Toni Doppelpack war Toni Polster, der frühere Mittelstürmer des 1. FC Köln, der auf einen Mitspieler einen Satz münzte, der sich auf manche Schlauberger aus der Politik übertragen lässt. Der Fama nach sagte er: Hast ja prima Lactatwerte, aber Fußballspuin konnst net.

Will heißen: Schaffen wir die Brückenschläge zu den Trainern, Betreuern, den Verteidiger lokaler Identitäten, zu den Vorleserinnen und Managerinnen der Kirchengemeinden, den Sprecherinnen und Sprechern der Schulen und Kitas? Darauf kommt es an und nicht darauf, in jeder sich bietenden Sachfrage olympiareif zu sein.

Auf was kommt es noch an? Es kommt auch darauf an, die Geschichte der eigenen Partei zu kennen und erklären zu können. Niemand kann der eigenen Geschichte entrinnen. Aber schier unausrottbar ist der Glaube daran, man könne die eigene Geschichte vergessen machen indem man Gesetze ändert. Nein, auch Parteien müssen zu ihrer Geschichte stehen. Wer das nicht kann oder will, der sollte erst gar nicht anfangen.

 

 

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