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FAZ Plus: Die neue Art, Zeitung zu lesen?

von , 2.2.16

Vor etwa zehn Tagen startete die FAZ ihre neue App mit dem Claim, „die neue Art, Zeitung zu lesen“. Nun hat sie ihn überraschend wieder eingezogen, obwohl es sich tatsächlich zumindest um eine neue Art, die FAZ zu lesen, handelt. Denn seitdem der Verlag die einst von Lukas T. Kircher entworfene eigene App für die FAS aus Kostengründen eingestellt hatte, waren FAZ und FAS nur als E-Paper zu lesen, allerdings das beste ebenfalls von Kircher entworfene E-Paper, das ich kenne, übersichtlich und einfach, ein Klick, der Artikel öffnet sich, mit einem Doppelklick zurück auf die Seite (Das sollte sich der Eliten orientierte Tagesspiegel-Mit-Herausgeber Sebastian Turner einmal anschauen und fürs eigene Blatt anwenden).

 

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FAZ

 

Der digitale FAZ-Chefredakteur ist voll des Eigenlobs und ganz verliebt in die Ästhetik seiner neuen App. Für Mobil-Anwendungen – und damit für einen ganz zentralen Markt – bringt die neue App tatsächlich einen echten Durchbruch. Die Zeitung ist nun auf Mobil-Geräten gut zu lesen. Das allein macht wirtschaftlich und publizistisch viel Sinn. Anders als die langsamer gewordene neue SPIEGEL-App, wo das Inhaltsverzeichnis beim Scrollen heftig zittert und deshalb nicht zu lesen ist, waren solche technischen Schwächen bislang nicht zu entdecken.

 

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FAZ Plus

 

 

 

Ansonsten leidet die FAZ-App unter dem Problem aller digitalen Zeitungsfassungen. Im Vergleich zum Papier oder E-Paper gelingt ihr eine Priorisierung und Ordnung der Artikel nur mühsam. Während ich – über 50 Jahre geübt – auf dem E-Paper sehe, was mir oder der Redaktion wichtig ist, ganzseitige Texte von kurzen, aber wichtigen unterscheiden kann und ich mich so schnell zurecht finde, gelingt das in der App naturgemäß nicht. Mit unterlegten Grautönen und Rubrizierungen („Kommentare“) wird eine Leseführung versucht. Und sicher ist die App der FAZ deutlich eleganter als die besonders starr wirkende der SZ, aber das Problem der fehlenden Übersichtlichkeit bleibt.

FAZ plus heißt die neue App. Neben dem mobilen Angebot ist die Möglichkeit, die FAZ-Artikel auf Facebook zu teilen, bislang das wichtigste und nicht zu unterschätzende Plus. Das war auch vom E-Paper möglich, aber nicht so einfach. Hier ist die FAZ deutlich mutiger und entschiedener als die SZ. Sie setzt auf Markenpflege statt der vergeblichen Hoffnung, vielleicht ein Einzelexemplar mehr zu verkaufen und damit das Ergebnis zu retten.

Doch das wirkliche, das digitale „Plus“, fehlt auch hier wie bei allen Zeitungs-Apps. Vielleicht gibt es einmal ein Video oder zwei Fotos mehr. Doch das ist kein digitales Informations- und Unterhaltungsangebot. Lukas Kircher hat schon vor fast zehn Jahren ein ziemlich überzeugendes Modell für ein multimediales Themen-Angebot entworfen. Keiner hat es bislang wirklich probiert. Von allen ist die WELT dabei noch am weitesten, aber auch sie fügt in den gewohnten Bahnen Text und Film zusammen. Immerhin. Ein solches neues digitales Angebot ließe sich nur aus Redaktionen heraus entwickeln, weil es um Vermittlung und Verkauf von Inhalten geht. Vielleicht stehen die Zeitungsredaktionen zu sehr im Bann ihrer Zeitungskrise, um das zu leisten.

 


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