#Bundestag

Willkommen im Anti-Kalifat Deutschland.

von , 18.1.16

Frauen, die ihren Männern schutzlos ausgeliefert sind. Die ohne Zustimmung keine Arbeit annehmen dürfen und denen der Mann ohne ihre Einwilligung beim Arbeitgeber kündigen kann. Schläge, Prügel, nicht nur ungeahndet, sondern die Regel. So etwas wie eine „Vergewaltigung in der Ehe“ gibt es offiziell nicht und sie ist daher auch nicht strafbar. Der Staat duldet keine verheirateten Lehrerinnen, da diese ihre Arbeit und den Dienst am Ehemann nicht gleichzeitig verrichten können. Verfügungsgewalt über das Konto hat nur der Ehemann – und wenn die Frau etwas erbt, gehört es dem Mann. Ein Führerschein darf ohne Erlaubnis des Mannes nicht gemacht werden. Eine Altherren-Macho-Union aus Konservativen und fundamentalistischen Religionsführern blockiert alle Reformansätze. Und Fußball spielen ist für Frauen sowieso offiziell verboten. Willkommen im Kalifat Bundesrepublik Deutschland.

 

Vor nicht allzu langer Zeit war dies trauriger Alltag in unserem Land. Ich kann beruhigen. Das Fußballverbot wurde bereits 1970 aufgehoben. Den Straftatbestand der Vergewaltigung in der Ehe gibt es allerdings erst seit 1997. Ab dem Jahre 1957, also vor weniger als sechzig Jahren, durfte die verheiratete Frau endlich auch ein eigenes Konto eröffnen und es fiel auch das „Lehrerinnenzölibat“. Nach diesem Erlass verlor eine Lehrerin mit der Heirat nicht nur ihre Arbeit, sondern auch gleich den Rentenanspruch. 1958 durfte die verheiratete Frau dann auch ohne Einwilligung des Gatten den Führerschein machen.

 

Alle diese Reformen wurden – natürlich gegen heftigen Widerstand der Konservativen – über lange Jahre politisch und rechtlich erstritten. Der Widerstand gegen die volle Gleichberechtigung hält auch weiter an – ebenso wie die deutsche Machokultur landauf, landab über Jahre hinweg sexuelle Belästigung mit einem schmierigen „Komm, Schatzi, das sind doch Komplimente!“ vom Tisch wischte und Gesetzesvorlagen blockierte. Und zwar ziemlich genau bis zum 1.1.2016.

 

Jetzt überschlagen sich alle mit Gesetzesinitiativen und Aktionismus, was man grundsätzlich nur begrüßen kann. Hauptsache, es passiert endlich was. Es darf aber nicht dazu führen, blind zu sein gegenüber dem Anlass. Grabscher im Büro, das Zusenden sexistischen Materials oder Links an die Kollegin, Vergewaltigung auf bier- und weinseligen Volksfesten, Spießrutenlauf von Frauen im Karneval und nach Großveranstaltungen – das alles war nicht so wichtig, so lange die Frauen vom richtigen Volksstamm sexuell bedrängt wurden. Es war kein Thema für die CSU oder den ganzen rechten Flügel der Union. Ein Thema für Faschos war es sowieso nicht. Da hat die Frau ja ihren Platz.

 

Es tut Deutschland gut, dass es weiter ist als sehr viele Länder und Gesellschaften auf diesem Planeten. Da darf man auch stolz drauf sein. Ein bisschen demütig kann man aber auch werden, wenn man bedenkt, dass gerade einmal fünfzig, sechzig Jahre zwischen uns und dem üblen Muff der frühen Bundesrepublik liegen. Früher war eben einfach vieles so richtig Scheiße. Umso dringlicher ist es heute, allen, die zu uns kommen, klar zu machen, dass das die Regeln sind, die heute bei uns gelten. Und auch allen Staatsbürgern klar zu machen, dass wir noch lange nicht am Ende sind. Bezüglich der Gleichberechtigung der Frau bleibt noch jede Menge zu tun. Schön, dass man dafür jetzt mit breiten Mehrheiten rechnen kann.

 

Hoffentlich finden sich diese Mehrheiten jetzt auch für die Rechte Homosexueller, Lesben, Transgender und Bisexueller. Hoffentlich werden Gender-Studies nun wieder aus der Schusslinie Erzkonservativer genommen. Hoffentlich blockiert man die Rechte von Menschen mit Behinderung nicht weiter und setzt die Anti-Diskriminierungsgesetze vollständig um. Hoffentlich wird der Weg in eine inklusive Gesellschaft mit großen Schritten fortgesetzt. Hoffentlich bringt man jetzt endlich die Frauenquote nicht nur auf Vorstandsebene und setzt die Entgeltgleichheit – also gleicher Lohn für gleiche Arbeit – mit großer parlamentarischer Mehrheit und wirksamen Instrumenten um.

 

Unsere Antwort auf das Gestern kann ja nur ein mutiger Schritt ins Morgen sein.

 

Auf geht’s, ihr Konservativen dieses Landes. Zeigt den Feinden der Demokratie, der Menschlichkeit und des modernen, weltoffenen Deutschlands, wo der Hammer hängt: Macht aus diesem Deutschland das fortschrittlichste, offenste, gleichberechtigtste und vorurteilsfreiste Land der Erde. Werden wir das hell leuchtende Anti-Kalifat Deutschland. Das ist doch die einzige Sprache, die diese Macho-Fundamentalisten verstehen! Ich zähl auf Sie! Breite Mehrheiten bis zur 2/3 Mehrheit im Bundestag sind mit CDU/CSU für die oben genannten Fortschritte möglich! So kann aus diesem Jahr 2016 vielleicht doch noch was werden.

 

Der Text ist auch erschienen auf frank-stauss.de

 


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