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Die Zeichen der Zeit

von , 29.12.15

Heinz Fischer-Heidlberger, Jg. 1952, ist seit 2004 Präsident des Bayerischen Obersten Rechnungshofs. Den Vorsitz bei der KEF, der er bereits ab 2007 als stellvertretender Vorsitzender angehörte, hat er seit dem 1. Dezember 2009 inne. Die KEF hat die Aufgabe, unter Beachtung der Programmautonomie den von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angemeldeten Finanzbedarf fachlich zu überprüfen und zu ermitteln. Sie muss den Landesregierungen mindestens alle zwei Jahre einen Bericht vorlegen. Ihren 20. Bericht wird die KEF voraussichtlich Anfang März 2016 veröffentlichen. Die Fragen an Fischer-Heidlberger stellten Orkan Torun (IfM/carta.info) und Heiko Hilker (DIMBB).

 

 

CARTA: Herr Fischer-Heidlberger, woran orientiert sich die KEF bei ihrer Arbeit? Wer erteilt Ihnen ihren konkreten Arbeitsauftrag?

Fischer-Heidlberger: Den Anstalten muss – von der KEF für vier Jahre im Voraus gerechnet – so viel Geld zur Verfügung stehen, dass sie ihren Aufwand für Programm, Personal, Investitionen et cetera bezahlen können. Dieser Aufwand richtet sich nach dem Auftrag, wie er sich aus den Rundfunkstaatsverträgen ergibt. In der KEF orientieren wir uns vor allem an den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zudem fließen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung der Haushalte der öffentlichen Hand in die Betrachtung ein. Ausgangspunkt der Prüfungen sind die Bedarfsanmeldungen der Anstalten und kein von dritter Seite vorgegebener Finanzbedarfsrahmen. Bei sämtlichen Analysen und deren Bewertung müssen wir die Programmautonomie der Anstalten beachten. Wir prüfen auch, ob sich die Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrags halten. Die Kommission ist unabhängig. Die Arbeiten und Empfehlungen der KEF dienen den Landesregierungen und Landesparlamenten als Entscheidungsgrundlage bei der Festsetzung der Höhe des Rundfunkbeitrags.

CARTA: Wie würden Sie Ihren Arbeitsauftrag beschreiben?

Fischer-Heidlberger: Der Arbeitsauftrag der Länder an die KEF lautet: ‘Errechne den Finanzbedarf der Anstalten objektiv, staatsfern und ohne politische Einflussnahme. Leite daraus ab, wie hoch der Rundfunkbeitrag sein muss, den wir – die Länder – durch Staatsvertrag festsetzen müssen.’ Deshalb müssen wir Prognosen und Annahmen zum Programm-, Personal- und Sachaufwand für diesen Zeitraum treffen. Für unsere Ermittlungen nutzen wir ein zwischen der KEF und den Anstalten abgestimmtes Regelwerk. Wir betrachten auch die zurückliegenden Jahre und analysieren, inwieweit unsere Prognosen in der Realität zutreffend waren.

CARTA: Wie sorgen Sie dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Sender bedarfsgerecht finanziert werden?

 

Der Bereich „Sport“ beherrscht den Programmaufwand

Fischer-Heidlberger: In einem ersten Schritt melden die Anstalten für vier Jahre – derzeit bis 2020 – ihren Finanzbedarf an. Die Anmeldungen basieren auf den mittelfristigen Finanzplanungen, die mit den Aufsichtsgremien der Anstalten abgestimmt sind. Die KEF prüft in einem zweiten Schritt die für die unterschiedlichen Aufwands- und Ertragsarten angemeldeten Beträge. Die Prüfung beinhaltet auch, ob und wie weit die Anstalten in früheren Verfahren gemachte Zusagen realisiert oder erklärte Selbstbindungen eingehalten haben. Die angemeldeten Rationalisierungs- und Wirtschaftlichkeitsmaßnahmen werden analysiert. Gegebenenfalls führt die KEF selbst Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit in Teilbereichen durch oder beauftragt externe Gutachter mit solchen Untersuchungen. Nach vielen Rechenschritten kennen wir dann den Aufwand. Dem Aufwand stellen wir die Erträge aus dem Rundfunkbeitrag, von Werbung und Sponsoring, aus Finanzanlagen und sonstigen Einnahmen gegenüber. Ergibt sich im Saldo von Aufwand und Ertrag ein größeres Defizit, empfehlen wir den Ländern, den Rundfunkbeitrag anzuheben. Danach sollte die Rechnung aufgehen und die Anstalten haben die notwendigen Mittel, ihren Bedarf zu finanzieren. Wird, wie im 19. Bericht, ein Überschuss festgestellt, kann der Beitrag abgesenkt werden.

CARTA: Welche Prioritäten setzen die Sender selbst? Wofür geben etwa ARD und ZDF das meiste Geld aus?

Fischer-Heidlberger: Die finanziell bedeutendsten Programmbereiche sind zum Beispiel beim Ersten Programm der ARD der „Sport“, gefolgt von „Politik und Gesellschaft“, „Fernsehspiel“, „Spielfilm“ sowie „Unterhaltung“. Im Gegensatz hierzu nimmt der kostenintensivste Bereich „Sport“ bei den Erstsendeminuten nur den dritten Rang nach dem Ressort „Politik und Gesellschaft“ sowie „Familie“ ein. Auch beim ZDF beherrscht der Bereich „Sport“ den Programmaufwand. Mit etwas größerem Abstand folgen „Unterhaltung“, „Reihen und Serien“, „Aktuelles“, „Fernsehspiel“ und „Politik“. Gemessen an den Erstsendeminuten allerdings liegt der Programmbereich „Sport“ nur auf dem fünften Platz, nach „Aktuelles“, „Unterhaltung“, „Politik“ und „Kultur“.

 

Fordern und klagen, das gehört auch zum Geschäft

CARTA: Und wie beurteilen Sie die Programmschwerpunkte, die das meiste Geld kosten?

Fischer-Heidlberger: Das meiste Geld fließt in den Sport. Die KEF hat sich dazu kritisch geäußert. Jedoch kann sie aufgrund der Programmautonomie der Anstalten keine Vorgaben und Begrenzungen machen. Die KEF kann nur transparent darstellen, wie viel Geld für den Sport ausgegeben wird und welchen Anteil dieser beim Programm einnimmt.

CARTA: Die Sender verweisen immer wieder darauf, dass angesichts des gleichbleibenden beziehungsweise sinkenden Rundfunkbeitrags ihre Gesamteinnahmen stagnieren respektive zurückgehen und sie deshalb sparen müssen. Können Sie dies für die letzten zehn Jahre so bestätigen? Haben die Sender über diesen Zeitraum hinweg das erhalten, was sie beantragt haben?

Fischer-Heidlberger: Die Anstalten sind und waren in den letzten zehn Jahren bedarfsgerecht finanziert, sonst wären sie auch nicht mit den Mitteln ausgekommen. Sie haben sogar neue Aufgaben, wie den Bereich Online beziehungsweise heute die Telemedien, aus eigener Kraft finanziert. Aus meiner Sicht sind daher allzu laute Klagen nicht angebracht, auch wenn die KEF nicht alle Wünsche der Anstalten erfüllt. Fordern und klagen, das gehört auch zum Geschäft, um die Ernsthaftigkeit von Ausgabenwünschen zu unterstreichen. Es muss für die Anstalten eine Selbstverständlichkeit sein, die öffentlichen Mittel sparsam zu verwenden. Die KEF unterstützt sie dabei, vor allem durch Transparenz, Kostenvergleiche und manchmal auch mit konkreten Vorgaben.

CARTA: In welchen Bereichen haben die Sender in den vergangenen Jahren mehr ausgegeben, als sie beantragt haben, in welchen weniger? Können Sie diese „Verschiebungen“ auch beziffern? Welche Gründe haben die Sender hierfür angegeben und haben Sie diese Gründe immer auch anerkannt?

Fischer-Heidlberger: Grundsätzlich können die Anstalten im Rahmen des festgestellten Gesamtbedarfs Mittel aus dem Programmbereich auch in den Personalbereich umschichten. Für den Zeitraum 2009 bis 2012 haben wir festgestellt, dass die ARD 93,4 Millionen Euro weniger im Programm aufgewendet und diese Mittel für höhere Ausgaben im Personalbereich verwendet hat. Beim ZDF waren das 142,2 Millionen Euro. Neben den höheren Kosten im Personalbereich gab es auch eine günstigere Entwicklung der Teuerungsraten, so dass die prognostizierten Teuerungsraten über den Ist-Werten lagen und damit geringere Aufwendungen für das Programm angefallen sind. Die Gremienvorsitzendenkonferenz der ARD hat kürzlich betont, dass ihr die Sicherung der Programmqualität besonders wichtig ist. Gleichzeitig hat sie die Anmeldung der ARD für einen deutlichen Mehrbedarf unterstützt. Aus Sicht der KEF frage ich zurück, wer denn die Verantwortung für die Mittelverteilung und das Programm trägt. Das sind die Gremien und nicht die KEF. Die zusätzlich angemeldeten Mittel für das Programm gleichen im Übrigen nur die Mittel aus, die vom Programmaufwand in den Personalaufwand umgeschichtet wurden.

 

Diesen Vorwurf halten wir aus

CARTA: Inwieweit trifft Sie der Vorwurf, dass vor allem die KEF daran Schuld sei, dass die Sender weniger Geld haben, da Sie die von den Sendern beantragten Summen zusammengestrichen haben?

Fischer-Heidlberger: Diesen Vorwurf hören wir immer wieder; wir halten das aus. Es ist immer einfacher, die Schuld bei anderen zu suchen. Die Kürzungen und Zuschätzungen muss man sich im Einzelnen anschauen. Sie sind immer auch nachvollziehbar begründet. Bis zur Periode 2009 bis 2012 wurden die Gebühren immer erhöht. Aufgrund der Umstellung von der Gebühr zum Beitrag haben die Anstalten nach eigener Darstellung moderat angemeldet, um politische Diskussionen im Übergang geringzuhalten. Auch in der laufenden Periode von 2013 bis 2016 können die Anstalten ihren Aufwand decken. Vielleicht müssen die Anstalten mehr auf eigene Sparsamkeit achten. Das machen sie zum Teil auch und legen Sparprogramme auf.

CARTA: Was war die Ausgangsbasis für die Fortschreibung von Personal- und Programmaufwand? Wann wurde diese Fortschreibung erstmals festgelegt?

Fischer-Heidlberger: Ausgangsbasis für die KEF sind die vorhandenen Strukturen – die ARD mit neun Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio – und die vorhandenen Programme, wie sie gesetzlich festgelegt sind. Derzeit sind es allein bei der ARD, zum Beispiel 55 analoge und 12 digitale Hörfunkprogramme. Das duale Rundfunksystem wurde erstmals durch den Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens der Länder vom 3. April 1987 gesetzlich ausgestaltet. Artikel 4 sah vor, bei Ermittlung des Finanzbedarfs neben der Bestands- und Entwicklungsgarantie die allgemeine Kostenentwicklung und die besondere Kostenentwicklung im Medienbereich zugrunde zu legen. Die KEF entwickelte mit den Rundfunkanstalten dazu Parameter für ein teilweise indexgestütztes Verfahren. Beim Programmaufwand zum Beispiel gilt: Die KEF betrachtet als Ausgangspunkt ein sogenanntes Basisjahr. Die Aufwendungen des Basisjahrs sollen repräsentativ für die Periode sein. Von dem Basisjahr aus wird der Aufwand mit einem Prozentsatz fortgeschrieben, der die allgemeine und die rundfunkspezifische Inflationsrate widerspiegelt. Die KEF verlangt daneben aber auch, dass die Anstalten laufend rationalisieren und ihre Effizienz verbessern. Soweit sie noch Wirtschaftlichkeits- oder Sparpotenziale sieht, nimmt die KEF Abschläge beim Bedarf vor.

 

Die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit

CARTA: Inwieweit werden technische Neuerungen beziehungsweise neue Ausspielwege bei der Ermittlung der Beitragshöhe berücksichtigt?

Fischer-Heidlberger: Für technische Neuerungen können die Anstalten Entwicklungsbedarfe in Form von Projektanmeldungen beantragen. Projekte sind insbesondere neue Vorhaben, die sich grundsätzlich von den bisher wahrgenommenen Maßnahmen oder Aufgaben unterscheiden und deshalb als Innovation bezeichnet werden können. Sie dienen der Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Unterschieden wird hierbei in Programmprojekte wie zum Beispiel Digitalkanäle und in Technikprojekte wie etwa HDTV, DAB plus und DVB-T2.

CARTA: Wäre es nicht sinnvoll, die Ausgangsbasis für ARD, ZDF und Deutschlandradio neu zu erfassen und von dieser Basis aus den Bestands- und Entwicklungsbedarf zu untersetzen?

Fischer-Heidlberger: Die Ausgangsbasis wird selbst von den Anstalten nicht in Frage gestellt. Soweit der Bestand an Aufgaben gesetzlich verändert wurde, hat die KEF dem auch in der Vergangenheit Rechnung getragen. Für die Ausweitung des Programms beim Deutschlandradio wurde für DRadio Wissen zusätzliches Geld bereitgestellt. Vielfach haben die Anstalten ihre Programme erweitert, etwa durch die Digitalkanäle oder Telemedien, und haben bereits vor dem gesetzlichen Auftrag erklärt, dass sie die notwendigen Aufwendungen aus dem Bestand finanzieren werden. Das Basisjahr ist jeweils das erste Jahr einer Periode von vier Jahren. Wir achten auch darauf, dass die Zahlen in eben diesem Jahr repräsentativ sind für die übrigen Jahre. Diese Ausgangsbasis wird kombiniert mit indexgestützten Fortschreibungsraten. Wie sich im Nachhinein, beispielsweise im Budgetabgleich, feststellen lässt, hat sich diese Art der Finanzbedarfsfeststellung bewährt.

 

Das Problem der Pensionslasten

CARTA: Steigende Personalkosten und Pensionslasten drohen langfristig den Programmauftrag der Rundfunkanstalten zu gefährden. Welche Maßnahmen minimieren die Risiken und wie sehen künftige Belastungsszenarien aus?

Fischer-Heidlberger: Man muss die Sache realistisch sehen. Solange die Volkswirtschaft wächst, steigen auch die Kosten und zum Beispiel auch die Gehälter der Mitarbeiter. Diesen Anstieg können die Anstalten nur durch höhere Einnahmen oder durch Rationalisierung und Personalabbau kompensieren. Allerdings ist ein Personalabbau aufgrund der derzeitigen Rechtslage meist nur im Rahmen einer altersbedingten Fluktuation möglich. Ebenso stellt die betriebliche Altersvorsorge einen sehr bedeutenden Kostenblock dar. Die Anstalten legen zur Finanzierung Beitragsmittel in einen sogenannten Deckungsstock zurück. Das Finanzanlagevermögen der ARD zum Beispiel betrug Ende 2012 rund 5,9 Milliarden Euro und ist weitgehend zur Absicherung der Altersversorgung der Mitarbeiter zweckgebunden. Aus den Erträgen beziehungsweise den Zinserträgen des Deckungsstocks werden die Rentenzahlungen mitfinanziert. Die Pensionsrückstellungen der ARD beliefen sich zum 31. Dezember 2012 auf rund 6,3 Milliarden Euro und betrugen 2012 über 60 Prozent der Bilanzsumme aller Landesrundfunkanstalten. Pro Jahr – bezogen auf die Periode 2013 bis 2016, die Nettoaufwendungen dafür zusammengerechnet und geteilt durch vier – wenden ARD, ZDF und Deutschlandradio rund 450 Millionen Euro für die Altersversorgungen auf. Darin sind die laufenden Renten, die Zuführungen zu den Rückstellungen beziehungsweise zum Deckungsstock und gegengerechnet die erzielten Zinsen aus dem Deckungsstock enthalten.

Das zentrale Problem der Pensionslasten ist der dynamische Anstieg der Betriebsrenten. Bislang steigen die Betriebsrenten bei den Anstalten in der Regel genauso stark an wie die Gehälter ihrer aktiv Beschäftigten. Die KEF ist der Auffassung, dass die Renten-Steigerungen wie beim öffentlichen Dienst auf ein Prozent begrenzt und von der Gehaltsentwicklung entkoppelt werden sollten. Die KEF sieht Handlungsbedarf bei der betrieblichen Altersversorgung auch wegen der seit Jahren andauernden Niedrigzinsphase. Den Anstalten sollte bewusst sein, dass die Mittel insgesamt begrenzt sind und das Programm im Vordergrund stehen muss. Das Geld, das zur Altersversorgung verwendet wird, steht nicht mehr für Programmzwecke zur Verfügung. Die KEF verlangt daher, die jetzigen Versorgungssysteme zu schließen und die laufenden Aufwendungen für die Altersversorgung zu reduzieren.

CARTA: Wie können Sie sich erklären, dass trotz festgestellten höherem Bedarf und langjährig steigender Gesamteinnahmen den Produzenten zumeist weniger Geld zur Verfügung steht?

Fischer-Heidlberger: Inwieweit Produktionen nach außen vergeben werden, das sind Entscheidungen der jeweiligen Redaktionen. Die KEF hat aufgrund der Programmautonomie der Anstalten hierauf keinen Einfluss. Im 19. Bericht hat die KEF erstmalig einen Budgetabgleich vorgenommen. Daraus ergab sich, dass die Anstalten einen nicht unerheblichen Teil der Programmmittel in den Personalaufwand umgeschichtet haben. Dieser Teil steht dann nicht mehr beispielsweise für Auftragsproduktionen zur Verfügung. Im Übrigen trägt meines Erachtens auch die Marktsituation mit immer mehr Anbietern von Film- und Fernsehproduktionsleistungen zu einem intensiven Wettbewerb und damit zur Preisdämpfung bei.

CARTA: Wissen Sie, um welchen Prozentsatz die Vergütungen der festangestellten Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Sender seit dem Jahr 2000 im Durchschnitt gestiegen sind?

Fischer-Heidlberger: In der Regel orientieren sich die Tarifverhandlungen bei den Rundfunkanstalten an den Ergebnissen des öffentlichen Dienstes. Die tariflichen Vergütungen sind in den Jahren 2000 bis 2015 um rund 30 Prozent beziehungsweise um durchschnittlich 1,8 Prozent jährlich gestiegen.

 

Hinweise zu Wirtschaftlichkeitspotenzialen

CARTA: Ist Ihnen auch bekannt, wie sich die Vergütung für einzelne Formate wie zum Beispiel den ARD-„Tatort“ entwickelt hat?

Fischer-Heidlberger: Wir beschäftigen uns im Rahmen unserer Untersuchungen zur Kostentransparenz mit einzelnen, ausgewählten Formaten. Die Kosten für den „Tatort“ haben wir letztmals im 15. Bericht für 2003 und 2004 verglichen. Aktuellere Untersuchungen liegen dazu nicht vor. Uns geht es dabei um Transparenz und darum, den Anstalten Hinweise zu möglichen Wirtschaftlichkeitspotenzialen zu geben. Die eigentliche Entscheidung für das „Tatort“-Budget treffen die Anstalten. Es ist auch ihre Sache, wie aufwendig sie produzieren und zum Beispiel welche Schauspieler sie verpflichten. Das gehört zur Programmautonomie der Anstalten.

CARTA: Warum kann die KEF den Rechtekostenbedarf der Anstalten nicht eingrenzen?

Fischer-Heidlberger: Die Rechtekosten sind Teil des Programmaufwands. Die Programmautonomie verbietet es der KEF auch, zu beurteilen, ob die Lizenzrechte etwa für Fußball zu teuer gekauft wurden. Hier stehen die Verwaltungs-, Rundfunk- und Fernsehräte in der Verantwortung.

CARTA: Könnte die KEF zusätzliche Mittel für die Produzenten zur Verfügung stellen?

Fischer-Heidlberger: Jedenfalls nicht so ohne weiteres. Die Anstalten melden ihren Bedarf bezüglich des Programmaufwands an. Es obliegt den Anstalten, wie sie die seitens der KEF zugestandenen Programmmittel für Eigen-, Auftrags- und Koproduktionen verwenden. Wo welcher Anteil letztlich hinfließt, liegt nicht in der Entscheidungsbefugnis der KEF. Die KEF überprüft, ob sich der angemeldete Bedarf innerhalb des indexierten, fortgeschriebenen Bedarfs bewegt. Übersteigt der Programmaufwand die durch das indexierte Verfahren ermittelte Grenze, so wird er entsprechend gekürzt. Hier spielen das Basisjahr und dessen Repräsentativität für die Fortschreibung eine erhebliche Rolle. Wir werden diesen zusätzlichen Bedarf natürlich prüfen und dann sehen, ob es sich wirklich um zusätzlichen Aufwand handelt oder Mittelumschichtungen die eigentliche Ursache dafür sind.

CARTA: In ihrem 16. Bericht hatte die KEF darauf hingewiesen, dass die einheitlich festgesetzte Rundfunkgebühr bei den kleinen ARD-Anstalten durch eine Unterdeckung bei der Anzahl der Gebührenzahler zu einer Unterdeckung bei der Finanzierung der Ausgaben dieser Anstalten führt, während es bei den großen Anstalten eine Überdeckung gibt. Wie sieht es in dieser Beziehung aus? Wer hat derzeit mehr, wer weniger zur Verfügung, als ihm anerkannt wurde? Um welche Summen handelt es sich da? Welche konkreten finanziellen Veränderungen wird es mit dem ab dem 1. Januar 2017 geltenden neuen ARD-Finanzausgleich geben?

Fischer-Heidlberger: Die KEF ermittelt den Bedarf aller ARD-Anstalten als Ganzes und macht einen einheitlichen Beitragsvorschlag. Die für Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk benötigten und anerkannten Mittel sind damit in dem der ARD zuerkannten Bedarf enthalten und begründen keine Erhöhung des Finanzbedarfs der ARD.

Zum Verständnis des Finanzausgleichs muss man wissen, dass grundsätzlich die Beiträge in einem Sendegebiet einer Landesrundfunkanstalt dieser zufließen. Bei Radio Bremen und dem Saarländischen Rundfunk reichen die Beitragseinnahmen allerdings nicht aus, um den Finanzbedarf abzudecken. Deshalb findet ein Finanzausgleich innerhalb der ARD statt. Neben der Finanzausgleichsmasse von einem Prozent der Gesamteinnahmen der ARD waren bisher flankierende Maßnahmen anderer Landesrundfunkanstalten notwendig, der sogenannte Leistungs-Gegenleistungs-Ausgleich. Auch dieser zusätzliche Ausgleich hat das Problem der strukturellen Unterfinanzierung von Radio Bremen und Saarländischem Rundfunk nicht gelöst. Deshalb wird die Finanzausgleichsmasse ab 2017 von einem Prozent auf 1,6 Prozent erhöht.

Von den Mehrerträgen partizipieren derzeit alle ARD-Anstalten, allerdings in unterschiedlichem Maße. Auch Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk haben mehr Geld in der Kasse. Der unterschiedliche Zufluss der Anstalten bei den Mehrerträgen liegt darin begründet, dass die Anstalten im alten Gebührensystem ihr Potenzial unterschiedlich ausgeschöpft hatten. So war die Zahlungsbereitschaft in Süddeutschland höher als etwa im Raum Berlin. Daher profitiert jetzt der RBB wesentlich mehr vom neuen Beitragssystem. Insgesamt belaufen sich die Mehrerträge von 2013 bis 2016 trotz der Absenkung des Beitrags von 17,98 auf 17,50 Euro auf rund 1,5 Milliarden Euro.

CARTA: Auf das Problem der Überfinanzierung der Landesmedienanstalten, die den privaten Rundfunk beaufsichtigen und über den allgemeinen Rundfunkbeitrag mitfinanziert werden, haben in der Vergangenheit bereits mehrere Rechnungshöfe aufmerksam gemacht. Wie lässt sich das Verhältnis von Finanzierung und Auftrag der Landesmedienanstalten aus Ihrer Sicht heute beurteilen?

 

Das Geld der Landesmedienanstalten

Fischer-Heidlberger: Mehrere Landesrechnungshöfe haben darauf hingewiesen, dass die Landesmedienanstalten an jeder Gebühren- beziehungsweise Beitragserhöhung teilhaben, ohne dass ihre Aufgaben im gleichen Maße wachsen. Darauf hat auch die KEF bereits im 14. Bericht deutlich hingewiesen. Die Landesmedienanstalten werden aus den Gebühren beziehungsweise Beiträgen finanziert. Die KEF kann allerdings nicht den Bedarf der Medienanstalten prüfen. Von den Beitragsmehrerträgen profitieren die Landesmedienanstalten im Gegensatz zu den Rundfunkanstalten, ohne dass ihr Bedarf geprüft wurde. Sie wurden von den Ländern auch nicht verpflichtet, diesen erheblichen Liquiditätszuwachs in eine Rücklage wie bei den Rundfunkanstalten einzustellen. Die KEF hatte vorgeschlagen, den Prozentsatz der Landesmedienanstalten zu verändern und den Beitrag zusätzlich abzusenken. Die Länder sind dem bisher nicht gefolgt.

CARTA: Sie nehmen sich ja immer wieder einige Sendungsformate vor und stellen dar, welche Mittel die einzelnen Sendungen kosten, welche Kosten den einzelnen Sendern für vergleichbare Sendungen oder Hörfunkwellen entstehen. Inwieweit könnten Sie diese möglicherweise ausbauen?

Fischer-Heidlberger: Wir wollen das in der bewährten Weise fortführen. Ähnliche Erhebungen werden wir im 21. Bericht wieder anstellen. Allerdings muss man auch sehen, dass unsere Ressourcen hierzu begrenzt sind. Ergänzend können wir uns aber auch Gutachten zu abgegrenzten Themen durch von uns beauftragte externe Sachverständige vorstellen. Mit den Untersuchungen wollen wir die Anstalten zu eigenen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen und -maßnahmen anregen. Sie liefern der KEF auch Erkenntnisse, Potenziale für Wirtschaftlichkeit aufzuspüren und gegebenenfalls durch Kürzungen im Finanzbedarf Veränderungen einzuleiten.

 

Wir fordern anstaltsübergreifende Regelungen

CARTA: Wie transparent sind ARD, ZDF und das Deutschlandradio der KEF gegenüber? Sehen Sie da noch Verbesserungsbedarf?

Fischer-Heidlberger: Die Anstalten haben die Zeichen der Zeit erkannt und selbst eine Offensive für mehr Transparenz für die Öffentlichkeit gestartet. Ein Beispiel hierfür ist der erstmalig im September 2015 herausgegebene Produzentenbericht. Dies ist ein guter Anfang. Grundsätzlich arbeiten die Anstalten der KEF gut zu. Wir sehen aber weiteren Verbesserungsbedarf. Wir fordern immer wieder, die Rechnungslegung und Kostenrechnung anstaltsübergreifend einheitlich zu gestalten. Dies sollte insbesondere eine verursachungsgerechte Zuordnung der Gemeinkosten ermöglichen. Eine Implementierung zusätzlicher betriebswirtschaftlicher Kennzahlen sollte ein profundes Mittel sein, die Steuerungsmöglichkeiten weiter zu optimieren.

CARTA: Welcher Maßnahmen bedarf es, um eine effektive Finanzkontrolle herbeizuführen? Als Negativbeispiel dient aktuell die Umgehung der Gremien im Fall Gottschalk bei der ARD durch die Zwischenschaltung von Tochtergesellschaften.

Fischer-Heidlberger: In diesem Fall wurden die Gremien bewusst vorab nicht vom Vertragsabschluss informiert. Vor allem bei Geschäftsvorfällen von besonderer Bedeutung sollten die Gremien unabhängig von der Finanzierungsform einer Produktion – aus Beitrags- oder Werbeeinnahmen – eingebunden werden. Das würde zudem die eigenen Ansprüche der Anstalten zur Schaffung von mehr Transparenz glaubhaft untermauern. Inzwischen haben die Intendantinnen und Intendanten mit der Gremienvorsitzendenkonferenz vereinbart, dass die Aufsichtsräte der Werbegesellschaften – in denen regelmäßig auch Gremienmitglieder vertreten sind – über solche Verträge informiert werden. Dieser Fall könnte auch zum Anlass genommen werden, über Aufgaben und Funktion der einzelnen Gremien nachzudenken. Bei der Besetzung der Gremien sollte meines Erachtens verstärkt auf die Einbindung von betriebswirtschaftlichem Know-how geachtet werden. Das neue WDR-Gesetz erscheint mir hier ein guter Ansatz.

 

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ARD, ZDF und das Deutschlandradio stehen heute in Folge verschiedener Entwicklungen wie dem Wandel von Mediennutzungs-, Distributions- und Produktionsstrukturen unter besonderem Legitimationsdruck. Dabei rücken Forderungen nach transparenteren Finanz- und Gremienstrukturen zunehmend in den Vordergrund. Öffentlich-rechtliche Medienunternehmen müssen heutzutage mehr denn je einen Beitrag leisten für faire und transparente Wettbewerbsverhältnisse und einen öffentlichen Diskurs über ihre Kostenbilanzen und Programmstrategien ermöglichen. Doch welcher Reformen bedarf es, um den Forderungen nach mehr Transparenz nachhaltig entgegenzukommen? Um Fragen wie diese geht es in einer vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM), Carta, der „Medienkorrespondenz“ und dem Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung (DIMBB) organisierten Schwerpunktreihe zum Thema Transparenz. Mit diesem Interview findet diese Reihe ihren Abschluss.

 


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