#EU

Wieder nur Zeit gekauft

von , 27.2.15

Alle wissen es, kein Verantwortlicher gibt es öffentlich zu: Die EU hat sich gegenüber Griechenland wieder nur Zeit gekauft. Allerdings mit einem Unterschied: die Intervalle bis zur nächsten offenen Krise werden immer kürzer. Diesmal sind es nur vier Monate. Alle griechischen Reformversprechen sind nur Ankündigungen von begrenztem Wert.

Ein Beispiel: Die Korruption einzudämmen und alle Steuern einzutreiben, ist ein Vorhaben, das im besten Fall Jahre dauert.

Die Reichen haben ihr Geld längst ins Ausland gebracht, die Reeder haben ihre Schiffe in Billigsteuerländern registriert, Investitionen in Schiffe sind per Verfassung steuerbefreit.

Der Finanzapparat ist mit korrupten Beamten durchsetzt, die daran gewöhnt sind, mit Steuerhinterziehern halbe halbe zu machen. Und die Regierung Tsipras hatte im Wahlkampf angekündigt, die Regelung der alten Regierung, solche Verfehlungen durch unabhängige Experten untersuchen zu lassen, wieder rückgängig zu machen.

Korruption und Steuerhinterziehung waren im Übrigen – im Gegensatz zur Meinung von Oskar Lafontaine – nie nur ein Oberschichtenproblem. Jeder Grieche kannte das Wort Fakelaki, das dafür steht, dass in Ämtern oder Krankenhäusern jedes Anliegen von einem Umschlag mit Geld begleitet werden musste. Quittungen mit Mehrwertsteuer waren fast unbekannt.

Es ist zwar glaubhaft, dass die neue Regierung dies ändern will, aber es ist die Aufgabe vieler Jahre, ein solches System zu durchbrechen. Deshalb kehrt die Krise mit Sicherheit in vier Monaten zurück.

Die europäischen Regierungen sollten sich ehrlich machen und zugeben, dass sie immer noch Angst vor einem Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone haben. Diesmal weniger aus finanziellen Gründen (die wären wohl verkraftbar), sondern aus geopolitischen. Sie haben Angst, aus Griechenland könne eine Art europäisches Venezuela mit Orientierung nach Russland werden – und das als NATO- und EU-Mitglied.

Wenn dies offen ausgesprochen würde, könnten die Parlamentarier und Wähler darüber entscheiden, ob ihnen das einleuchtet und ob es ihnen den hohen Preis wert ist.
 

Mehr zum Thema: Im Tal der Ahnungslosen. Ein Interview zur deutschen Griechenland-Berichterstattung mit dem Publizisten Robert Misik (2.2.15),  Kein Kredit für Antisemiten: Wie SPIEGEL und WELT die Regierung in Athen enttarnen (4.2.15) und Griechenland Exit: Was gilt – Verträge oder Demokratie? (17.2.15) von Stefan Heidenreich sowie Athen: Der Rauswurf der Spar-Sadisten und der Plan von Finanzminister Varoufakis von Ralph Heidenreich und Stefan Heidenreich (1.2.15)

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Dieser Beitrag erschien auch auf sprengsatz.de

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